Rezensiert von Michael Wedel
Seit Siegfried Kracauer in seiner 1947 erschienenen „psychologischen Geschichte des deutschen Films“ das Kino der Weimarer Republik als Ausdruck einer tiefgreifenden Identitätskrise des Bürgertums interpretiert hat, sind an dessen Beispielen immer wieder die Zeichen einer nachhaltigen sozialen und kulturellen Verunsicherung entziffert worden. Ioana Crăciuns Arbeit reiht sich in diese Tradition ein. Im Anschluss an Kracauer lautet ihre Ausgangsthese, „dass in vielen Filmwerken der Zwanziger Jahre das Bürgerliche einer systematischen Dekonstruktion unterzogen wurde mit dem Zweck, die bürgerliche Gesellschaft mit ihrem traditionellen Kulturbegriff zu hinterfragen“. Vorausgeschickt wird den Fallstudien, die unterschiedliche Dimensionen dieser Dekonstruktion anvisieren, das Eingeständnis eines exemplarischen Vorgehens, das sich auf Filmbeispiele bezieht, die schon von Kracauer kanonisiert wurden. Die Kapitel folgen dabei keiner Chronologie, sondern sind thematisch organisiert und zielen in der Zusammenschau der Perspektiven auf den Effekt einer Komplementarität, die „eine differenzierte kulturgeschichtliche Diagnose“ ermöglichen soll. Mehr