Rezensiert von Ulla Wischermann
Ausgangspunkt dieses von österreichischen Kommunikations- wissenschaftlerinnen herausgegebenen Sammelbandes ist die Feststellung, dass die klassische politische Kommunikationsforschung im deutschsprachigen Raum, insbesondere die einschlägigen Handbücher, einem geschlechtsblinden Diskurs folgen. Nach wie vor sei generalisierend die Rede “von Politikern, von Journalisten, von Spindoktoren und nicht zuletzt von Bürgern und Rezipienten” – und die Thematik werde allgemein verortet im Spektrum von Öffentlichkeits- und Demokratietheorien, in denen die Kategorie Geschlecht nur unzulänglich berücksichtigt werde (7). Dieses Forschungsdesiderat zu kritisieren und die Strukturkategorie Geschlecht in die Analyse politischer Kommunikation zu integrieren, ist das Ziel der hier versammelten Beiträge.Der Band ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil geht es um “Grundlagen und feministische Zugänge”. Den Beginn macht hier die renommierte US-amerikanische Expertin für politische Philosophie Nancy Fraser, die bereits seit Jahren mit ihren differenzierten Kritiken und Reflexionen die Theorien zu Öffentlichkeit und Demokratie erweitert, nachhaltig beeinflusst und bereichert hat. Der hier aufgenommene Aufsatz konzentriert sich auf die Frage, wie angesichts transnationaler Phänomene Grundbausteine der Öffentlichkeitstheorie neu zu denken und welche demokratiepolitischen Prämissen dabei weiterhin grundlegend und unverzichtbar sind (18ff.). Gemäß der Erkenntnis, dass Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Verständigungsprozess zu sehen ist, dessen Eckpunkte vom Privaten und vom Öffentlichen gebildet werden, setzt sich dann Regina Köpl versiert und kenntnisreich mit der Öffentlichkeitskritik aus feministischer Sicht auseinander und hinterfragt vor allem die übliche Dichotomisierung ‘privat/öffentlich’. Sie betont, dass Konzepte von Öffentlichkeit stets auch das Nicht-Öffentliche, das Private mitdenken müssen und dass Wandlungsprozesse in politischer Kommunikation auf den feministischen Diskurs zurückwirken müssen und vice versa (35ff.). Mit dem dritten Beitrag im Grundlagenteil wird ein schon fast klassisch gewordener und viel zitierter Aufsatz von Elisabeth Klaus aus dem Jahr 1996 wieder zugänglich gemacht. Unter dem vielsagenden Titel “Der Gegensatz von Information ist Desinformation, der Gegensatz von Unterhaltung ist Langeweile” wird hier eine weitere grundlegende Dichotomie, nämlich die von Information und Unterhaltung sowie ihre geschlechtsspezifische Zuordnung und Hierarchisierung, hinterfragt und kritisiert (51ff.).
Nachdem durch diese Beiträge Grundpfeiler für eine differenziertere Analyse von politischen Kommunikationsprozessen gesetzt sind, behandelt der zweite Teil des Buches “Akteure und Akteurinnen” politischer Kommunikation. Der Bogen wird hier weit gespannt. Er reicht von der Geschlechterdarstellung in den Nachrichten (Birgit Wolf) und die Darstellung von Politikerinnen in den deutschen (Christina Holtz-Bacha) sowie in den österreichischen Medien (Günther Pallaver/Günther Lengauer; Sieglinde Katharina Rosenberger) über eine Analyse von Diskursen über die Frauenbewegung in den Medien (Eva Flicker) bis hin zur Frage nach politischer Frauenorganisation im Cyberspace (Wendy Harcourt).
Besonders positiv ins Auge fallen hier die Beiträge von Margreth Lünenborg und Johanna Dorer. Lünenborg zeichnet den Prozess des Gendering im Politikressort nach und unterscheidet dabei die Ebene der journalistischen Akteurinnen und Akteure und die der Repräsentation, also der Darstellung von Politik in den Medien (155ff.). Auch wenn inzwischen ein relativ ausgeglichenes Verhältnis von Journalisten und Journalistinnen im Politikressort (außer in Führungspositionen) bestehe, heiße das nicht automatisch, dass sich ein ‘weiblicher Blick’ in der Politikberichterstattung profiliere. Das sei übrigens auch nicht das Hauptaugenmerk neuerer Frauen- und Geschlechterforschung, die Wert darauf legt, verschiedene Achsen und Aspekte des journalistischen Handelns in ihrer Interaktion zu rekonstruieren und nicht Geschlecht als einzig determinierenden Faktor zu sehen. Das “doing gender while doing journalism” im Politikressort – so Lünenborg – muss als “prozessuale und kontextgebundene Redaktionsforschung” noch viel systematischer erforscht werden (168).
Dorer wendet sich der anderen Seite der Medienforschung zu – und zwar der Rezeptionsseite (172ff.). Auf Basis einer qualitativen Analyse (mit der Methode der Erinnerungsarbeit) zeigt sie die komplizierte Verschränkung von gesellschaftlichem Geschlechterdiskurs, medialer Geschlechterpositionierung und der Selbstpositionierung der Rezipientinnen und Rezipienten. Sie stellt heraus, dass Begriffe wie Information, Unterhaltung oder politische Berichterstattung bereits so stark geschlechtlich kodiert sind, dass “dieser Umstand auf die Selbstkonstruktion im Rezeptionsprozess Auswirkungen hat” (185).
Im dritten Teil des Buches geht es um unterschiedliche “Politikfelder”. Angesichts der Fülle möglicher Thematiken verwundert es nicht, dass die Beiträge in diesem Teil relativ heterogen sind und kein zusammengenommenes Ganzes bilden (können). Es geht um: die Herstellung von Öffentlichkeit für Gewalt an Frauen (Brigitte Geiger), Altersbilder in den Medien (Ingrid Voglmayr), eine Analyse von antirassistischen Kampagnen (Johanna Schaffer) und Überlegungen zu internationaler Entwicklungspolitik im Kontext neuer Informations- und Kommunikationstechnologien (Hanna Hacker). Die Politikwissenschaftlerinnen Sabine Lang und Birgit Sauer legen eine Studie vor, die deutlich macht, wie sehr im bundesdeutschen Wahlkampf 2002 Frauenpolitik auf Familienpolitik reduziert wurde (190ff.). Diese “Refamiliarisierung der geschlechterpolitischen Debatte”, in der Frauen fast nur als Mütter adressiert wurden und Väter unsichtbar blieben, kam einer De-Thematisierung von Frauenpolitik gleich (201). Sie wurde von allen beteiligten Akteuren, auch den Medien, mitgetragen – und dies über die Parteigrenzen hinweg. Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive beleuchten dann Elisabeth Klaus und Susanne Kassel im letzten Beitrag des Bandes, wie in der Kriegsberichterstattung Frauenrechte für die Legitimation von Krieg instrumentalisiert werden können (266ff.). Die Logik des Krieges, die Logik der Medienberichterstattung und die Logik der Geschlechterdichotomie – so die Autorinnen – führen in ihrem Zusammenspiel letztlich dazu, eine umfassende Behandlung der Ursachen der Frauenunterdrückung zu verhindern (266).
Generell kann gesagt werden, dass der Band wichtige Ergebnisse zur politischen Kommunikationsforschung präsentiert. Er bündelt Ansätze und Analysen aus der Frauen- und Geschlechterforschung, die das Feld bereichern (müssten) und ist zudem sehr gut als einführendes Lehrbuch geeignet. Dieser intendierte Überblickscharakter des Buches macht es auch erklärlich, dass fünf der 17 Beiträge bereits früher publiziert waren, aber doch großteils für diesen Sammelband aktualisiert oder bearbeitet wurden.
Links:
Über das BuchJohanna Dorer, Brigitte Geiger, Regina Köpl (Hrsg.): Medien - Politik - Geschlecht. Feministische Befunde zur politischen Kommunikationsforschung. Reihe: Medien - Kultur - Kommunikation. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2008, 285 Seiten, 29,90 Euro.Empfohlene ZitierweiseJohanna Dorer, Brigitte Geiger, Regina Köpl (Hrsg.): Medien – Politik – Geschlecht. von Wischermann, Ulla in rezensionen:kommunikation:medien, 29. August 2009, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/487