Rezensiert von Wiebke Möhring


Gerade weil das Lokale als Hoffnungsträger einer ganzen Branche gilt, ist es erstaunlich, dass Lokalkommunikation in der Kommunikationswissenschaft nicht mehr Beachtung findet. Umso erfreulicher, dass mit der ursprünglich als Dissertation vorgelegten Arbeit die Diskussion wieder angeregt werden kann.
Die Lektüre der Studie kann denjenigen empfohlen werden, die sich fragen, wie und ob sich die Publika von Print- und Online-Ausgaben in der Nutzung lokaler Inhalte unterscheiden. Denn Daniel Chmielewski nimmt mit seiner Arbeit das vernachlässigte Publikum des Lokalen in den Fokus. Er vergleicht zwei Rezipientengruppen von lokalen Informationen, den Leser der Printausgabe lokaler Zeitungen auf der einen und den Nutzer von redaktionellen lokalen Nachrichtensites auf der anderen Seite. Drei Kernfragen liegen zugrunde: Wie wichtig ist das Lokale für Zeitungsleser und Nutzer von Nachrichtensites, wie ausgeprägt ist die Ortsbindung und in welchem Zusammenhang stehen lokales Interesse und Ortsbindung? Das Lokale wird verstanden als die alltägliche Lebenswelt im geografischen Nahbereich. Beide Konstrukte, sowohl das lokale Interesse als auch die Ortsbindung, gelten seit langem als zentrale Zuwendungsmotive, die vorliegende Fallstudie setzt sich zum Ziel, zum besseren Verständnis des Verhältnisses von beiden beizutragen.
Die theoretischen Kapitel der Arbeit sind pragmatisch knapp gehalten. Das muss kein Nachteil sein, im Gegenteil, setzt aber eine gewisse Kenntnis des Diskussionstandes beim Leser voraus – zumindest, wenn man die Ausführungen im wissenschaftlichen Kontext verorten will. Für die Bestimmung der Faktoren und Dimensionen von Ortsbindung bezieht er sich auf die Arbeiten von Reuber (1993), die Frage nach dem Raum an sich wird im Spannungsfeld der Glokalisierung beantwortet, hier hätten Rückbezüge auf raumsoziologische Arbeiten den Horizont bereichern können. Als zugrundeliegendes Rezeptionsmodell wählt er das dynamisch-transaktionale Modell von Schönbach und Früh und begründet diese Auswahl mit dem heuristischen Potenzial des Ansatzes – einem hier unkundigen Leser sind diese Ausführungen wohl etwas knapp.
Empirisch liegt der Untersuchung ein quantitativer Ansatz zugrunde, deskriptiv und hypothesenprüfend. Er untersucht die Leser der Ruhr-Nachrichten in drei Orten (Dortmund, Schwerte und Nordkirchen) und die Nutzer der dazugehörigen Nachrichtensite RuhrNachrichten.de. Die Anlage der Arbeit ist nachvollziehbar dargestellt, die Ergebnisdarstellung hätte zugunsten analytischer Tiefe an einigen Stellen verdichtet werden können.
Chmielewski kann mit den Ergebnissen zeigen, dass das Lokale an erster Stelle steht, sowohl bei Lesern als auch bei Webnutzern – die sich erstaunlich einig sind in ihren Präferenzen. Lokales Interesse und Ortsbindung sind wichtige Nutzungsfaktoren und zudem weder eine Frage des Alters, des Geschlechts und der Ortsgröße; Ortsbindung steigert das lokale Interesse und erhöht das Themeninteresse. Interessant ist, dass gerade die Jüngeren der Stichprobe eine hohe Ortsbindung aufweisen, er nennt dies einen Jugendeffekt. Eingeschränkt wird die Tragweite seiner empirischen Ergebnisse durch den Fakt, dass Abonnementbesitz und regelmäßige Sitenutzung umgekehrt auch von lokalem Interesse und Ortsbindung abhängen, also bereits Ausdruck starken Interesses und Bindung sind.
Links:
Über das BuchDaniel Chmielewski: Lokale Leser. Lokale Nutzer. Informationsinteressen und Ortsbindung im Vergleich. Eine crossmediale Fallstudie. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2011, 216 Seiten, 28,- Euro.Empfohlene ZitierweiseDaniel Chmielewski: Lokale Leser. Lokale Nutzer. von Möhring, Wiebke in rezensionen:kommunikation:medien, 26. November 2011, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/6515