Carina Jasmin Englert, Michael Roslon: Design (be)deutet die Welt

Einzelrezension
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Rezensiert von Michael Erlhoff

Einzelrezension
An und für sich basiert dieses Buch auf einigen ganz klugen Gedanken: Es versteht sich als ‘Lehrbuch’, und das macht Sinn im Design, wo es noch nicht so viele solcher Bücher gibt. Gleichwohl wäre im Vorwort zumindest der Hinweis darauf wichtig gewesen, die grundsätzliche Dimension solcher Lehrbücher zu erläutern, dass es nämlich auch für Studierende keineswegs ausreicht, nur diese zu lesen. Sodann ist klug an diesem Buch, dass es die wichtigen theoretischen Diskurse der Kommunikationswissenschaft und deren Nutzen für das Design aufzeigen möchte, und dass hier ein breiter Begriff von Kommunikation zu Grunde gelegt ist, der eben auch Objekte und soziale Prozesse und dergleichen einbezieht.

Drittens ist an sich eben jene Absicht lobenswert, als allgemein gefestigt verhandelte Theorien jeweils darzustellen und dabei deren Gehalt für die Diskussion im Design zu überprüfen. Das tun die Autorin und der Autor hier, und sie erläutern das etwa im Rahmen von Denkweisen von Arnold Gehlen, Umberto Eco, Charles S. Peirce, George Herbert Mead und einigen anderen: Die werden jeweils auf 2 bis 4 Seiten vorgestellt, dann folgt eine ‘Anmerkung’ mit gelegentlich (und jeweils sehr kurz formulierten) Einwendungen und schließlich ein ‘Kommentar’ mit (allemal etwas oberflächlichen) Hinweisen darauf, was Design-Studierende der jeweiligen Theorie abringen könnten. Zugegeben, diese Form wird in ihrer strikten ständigen Wiederholung mit der Zeit etwas langweilig, aber das wäre nicht so tragisch.

Nun kommen aber schon die großen Probleme dieses Buchs: Wenn man – und das ist gewiss unausweichlich – eine Auswahl vorstellt, dann muss man diese Auswahl begründen, sonst wird sie beliebig. Als Grund geben die Autorin und der Autor allerdings lediglich an: “unser Verständnis von Kommunikationswissenschaft” – was jedoch ausdrücklich ebenso wenig erklärt wird wie die Auswahl selber und die dafür denkbaren Kriterien. De facto wird noch nicht einmal explizit darauf hingewiesen, dass dies bloß eine willkürliche Auswahl ist – und das ist katastrophal. So fragt man sich, warum zum Beispiel Immanuel Kant oder der “Wiener Kreis” mitsamt Wittgenstein oder die Psychoanalyse, Walter Benjamin, die Kritische Theorie und so vieles andere in diesem Buch nicht erwähnt sind. So, wie es hier stattfindet, ist das nur ideologisch.

Noch schlimmer fast ist die zumindest in den wichtigen Kontexten mangelnde Kritikfähigkeit. Am heftigsten und gleich am Anfang erweist sich dies im Zusammenhang mit Arnold Gehlen: Kein Wort steht in diesem Buch über dessen tiefe Verstrickung im Nationalsozialismus, die selbstverständlich nicht allein seine Person und seine akademische Karriere, sondern ebenso und unausweichlich seine Theorie betrifft. So, wie er und seine Theorien hier vorgestellt werden, verdummt man die Leserinnen und Leser – sicherlich nicht bösartig, sondern und umso trostloser aus Mangel an Kritik.

An anderen Stellen des Buchs oder auch insgesamt hätte man sich einen etwas entspannteren Umgang oder weniger beflissene Befangenheit gewünscht. Beispielsweise hätte man so sinnvoll Peirce mit Sherlock Holmes vergleichen oder sich doch auch an Roland Barthes schreibend ein wenig orientieren können. So, wie es geschrieben ist, wirkt alles nur recht emsig und eher wie eine studentische Arbeit.

Dies wird verstärkt durch so dubiose Formulierungen wie “unsere Studierenden”, als seien die der Besitz von Autorin und Autor. Auch der Verwaltungsakt beider, in einer Anmerkung zu erklären, dass nunmehr immer, wenn irgendwo die männliche Form stehe, auch die weibliche Form gelte (genauso fand man dies vor Jahren noch in allen offiziellen Papieren und Urkunden der Landesregierung Nordrhein-Westfalen), beflügelt die Lektüre dieses Buches keineswegs.

Dementsprechend findet sich an keiner Stelle in dieser Schrift die Reflektion des grundlegenden Problems von Kommunikation, nämlich a priori ausgrenzend zu sein und eben nicht integrativ. Wozu womöglich ebenso das Problem gehört, dass offenbar ausgerechnet jene, die über Kommunikation schreiben und in der Kommunikation professionell tätig sind, am wenigsten fähig sind zum offenen Diskurs. Schade drum und um diese Publikation.

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Über das BuchCarina Jasmin Englert; Michael Roslon: Design (be)deutet die Welt. Ein Wegweiser durch die Kommunikationswissenschaft für DesignerInnen. Essen [Verlag hellblau] 2010, 143 Seiten, 14,90 Euro.Empfohlene ZitierweiseCarina Jasmin Englert, Michael Roslon: Design (be)deutet die Welt. von Erlhoff, Michael in rezensionen:kommunikation:medien, 12. Mai 2010, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/2883
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2 Kommentare auf “Carina Jasmin Englert, Michael Roslon: Design (be)deutet die Welt
  1. Herzausgold sagt:

    Ich finde den Kritikpunkt zu Arnold Gehlen unpassend. Das sich seine NS-Vergangenheit auch in seiner Theorie wiederspiegelt ist zum einen eine Frage der Lesart und zum anderen eine Behauptung, die es zu beweisen gilt.

    Ungewöhnlich finde ich auch das in einer Rezension im Schlussatz noch ein Gedanke hinterhergeschoben wird, der leider icht weiter erläutert wird.

    “Dementsprechend findet sich an keiner Stelle in dieser Schrift die Reflektion des grundlegenden Problems von Kommunikation, nämlich a priori ausgrenzend zu sein und eben nicht integrativ.”

    Was ist damit gemeint? Mir ist dieses “grundlegende Problem” noch nicht bekannt. Ich würde mich über eine Erläuterung freuen.

  2. Robin Nagel sagt:

    Ich bin über eine Suche nach dieser Literatur zunächst auf diese Rezension von Herrn Erlhoff gestoßen und möchte diese nun, nachdem ich das Buch selbst in der Bibliothek in den Händen halte, etwas zurechtrücken:
    Zustimmen muss ich der Behauptung, dass diese Arbeit sich etwas wie eine studentische Hausarbeit liest. Man hätte zwar hier und da sicherlich spannendere Vergleiche (vor allem Abbildungen) einbauen können, um so einen noch leichteren Einstieg in die Kommunikationswissenschaft zu bieten, aber dennoch liest sich das Werk verständlicher als so manche der behandelten Quelltexte und kommt so seiner Funktion als Einstiegsliteratur durchaus gerecht. Zugleich betonen die Autoren, dass diese Literatur nicht die Auseinandersetzung mit den Texten selbst ersetzen kann (Vgl. S. 13).
    Nicht zustimmen kann ich Herrn Erhoff jedoch für den ersten Kritikpunkt, dass keine begründete Auswahl der Texte vorliege. Sowohl in Vorwort als auch Einleitung befindet sich der Hinweis auf die Einschätzung dieser Werke als Grundlagenliteratur; sogar “ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben” (vgl. S. 12). Auf sechs Seiten befindet sich eine allgemeine, für alle behandelten Texte geltende, Erläuterung der Quellenauswahl und die Betonung der “Interdisziplinarität” der Werke. Nach jeder Zusammenfassung folgt eine Verbindung mit der Bedeutung dieses Werks für das Design.
    Auch der Anmerkung von @Herzausgold bzgl. des Schlusssatzes dieser Rezension muss ich mich anschließen: Warum sei Kommunikation ausgegrenzt?

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