Nea Matzen: Online-Journalismus für die Praxis

Einzelrezension, Rezensionen
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Rezensiert von Gabriele Hooffacker

Einzelrezension

Seit der ersten Auflage von 2010, damals noch unter dem Titel Onlinejournalismus, hat das Praxis-Lehrbuch von Nea Matzen seinen Umfang mehr als verdreifacht. Mit 420 Seiten liegt es mittlerweile in der vierten Auflage vor. Damit ist es ein umfangreiches Lehr- und Nachschlagewerk für den praktischen Online-Journalismus geworden. Der ursprüngliche Aufbau ist noch zu erkennen. Doch der neue Band bringt mehr als eine reine Aktualisierung.

Das vorgeschaltete Kapitel “Digital publizieren auf allen Kanälen“ wird nicht nur der Umstellung auf crossmediales Arbeiten in den Redaktionen gerecht. Es liefert auch einen Überblick über die Tätigkeit einer Online-Redaktion und die praktischen Einsatzmöglichkeiten generativer Sprach-KI. Neu sind die mahnenden Worte zu Algorithmen und Abhängigkeiten – ein Muss in den Zeiten von Meta, Alphabet und Elon Musk.

Aus “Texten fürs Netz” wurde “Texten und Prompten fürs Netz”. Der Beitrag zum eigentlichen Prompting ist knapp und hilfreich, Tipps zum Prompting z. B. für ChatGPT hätte man auch gern mehr gelesen. Eyetracking wird ausführlich dargestellt – überhaupt erfreuen zahlreiche farbige Abbildungen die Leser:innen! – dafür gibt es wenig zu Usability, und wenn, dann unter dem Aspekt User Experience und Suchmaschinen-Optimierung (SEO). Ein wenig verwundert, dass zwar “mobile first” auch unter dem SEO-Aspekt entsprechend gewürdigt, die Entwicklung hin zu Recherche per Sprachein- und -ausgabe und ihre Auswirkung auf SEO aber nicht genannt wird.

Kapitel 3 befasst sich mit Social Media, Kapitel 4 mit den Darstellungsformen im Netz. Im Vergleich zur ersten Auflage ist dieses Kapitel ebenfalls umfangreicher geworden, wenn auch nicht im selben Verhältnis. Partizipative Formate, die Kernkompetenz des Onlinejournalismus, kommen hauptsächlich im Kapitel zu Social Media vor und später noch einmal kurz auf S. 308 in Bezug auf Crossmedia. Im Vergleich dazu eher kurz ist der Abschnitt “Einbinden von Leser:innen” ab S. 352. Mehr Formate als Chats, Umfragen und Quizzes werden nicht erwähnt.

Ein paar kleinere Monita: Auf Seite 118 wird die großartige “Floskelwolke” empfohlen – leider gibt es sie seit August 2023 nicht mehr. Mehrfach werden die jährlichen Ausgaben der ARD-Onlinestudie zitiert. Die Studie ist 2024 in der ARD-ZDF-Medienstudie aufgegangen – das wurde jedoch erst im September 2024 bekannt gegeben, offensichtlich nach Drucklegung des Bandes.

Im Literaturverzeichnis heißt der Journalist und Buchautor Björn Staschen “J. Staschen” – das kann passieren. Schade, dass der ausgezeichnete Band von Stefan Primbs zu Social Media für Journalisten nicht verwendet bzw. zitiert wird. Denn dort wird gut beschrieben, wie man die User:innen zu Verbündeten macht, anstelle die Social-Media-Kanäle einfach als weitere Ausspielorte mit zielgruppenorientierter Ansprache zu begreifen. Überhaupt werden im Literaturverzeichnis, anders als in der Erstauflage, keine vergleichbaren Werke zum praktischen Online-Journalismus mehr genannt, dafür etwas wissenschaftliche Literatur und zahlreiche aktuelle Online-Quellen.

Positiv bei Social Media: Nea Matzen wird nicht müde, die Risiken und Grenzen der Drittplattformen und ihrer Algorithmen darzustellen. Auch das Fediverse wird gleich im einleitenden Überblickskapitel als Alternative vorgestellt (vgl. 75).

In die gut strukturierten und klar aufgebauten Kapitel eingestreut sind Perlen wie die Nachrichtenfaktoren oder Hinweise zu Herangehensweise und Haltung (beides im Social-Media Kapitel). Wichtig auch der Hinweis, dass Videos auf Social-Media-Plattformen eben nicht wie im klassischen Fernsehjournalismus funktionieren.

In der ganzen Anlage des Bandes wird die große Erfahrung der Autorin deutlich, anfangs in der Online-Redaktion bei tagesschau.de, sowie in Workshops und Trainings für Redaktionen. Bei all dem ist es fast ein bisschen schade, dass der Schwerpunkt auf dem “How to”, der die erste Auflage von 2010 so handlich und praktikabel machte, vor dem Hintergrund von allerhand Wissenswertem rund um Problematiken von Web und Social Media ein wenig in den Hintergrund gerückt ist.

Insgesamt ist ein umfangreiches Lesebuch entstanden, im dem sich gut schmökern lässt. Optisch gut hervorgehoben sind die zahlreichen Textkästen mit Praxistipps oder Übersichten zu Tools und weiterführenden Infos. Für Online-Redaktionen lohnt sich die vierte Auflage auf jeden Fall, auch wenn die Erstauflage vielleicht schon im Regal steht.

Literatur:

  • Haarkötter, Hektor: Journalismus.online. Das Handbuch zum Onlinejournalismus. Köln [Herbert von Halem] 2019
  • Heijnk, Stefan: Texten fürs Web. Planen, schreiben, multimedial erzählen (3. Aufl.). Hannover [dpunkt Verlag] 2021
  • Hooffacker, Gabriele: Online-Journalismus. Texten und Konzipieren für das Internet. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis (5. Aufl.). Wiesbaden [Springer VS] 2020
  • Matzen, Nea: Online-Journalismus. Konstanz [UVK] 2010
  • Primbs, Stefan: Social Media für Journalisten. Wiesbaden [Springer VS] 2015

Links:

Über das BuchNea Matzen: Online-Journalismus für die Praxis. Fachwissen für Netzpublikationen. 4. Komplett überarbeitete Auflage. Köln [Herbert von Halem] 2024, 420 Seiten, 39 EuroEmpfohlene ZitierweiseNea Matzen: Online-Journalismus für die Praxis. von Hooffacker, Gabriele in rezensionen:kommunikation:medien, 17. Januar 2025, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/25307
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