Rezensiert von Gesa Schölgens
Im Jahr 2007 machte die Münstersche Zeitung (MZ) mit einer bis dahin nie da gewesenen Aktion auf sich aufmerksam: Beinahe die gesamte Lokalredaktion wurde im Laufe eines Wochenendes ohne Vorwarnung ausgetauscht. Das Verlagshaus Lensing begründete diesen gravierenden Schritt auf dem Zeitungsmarkt mit dem “unterirdischen Qualitätsniveau”. In seinem Buch untersucht Fabian Hintzler, ob sich die Qualität der MZ seit dem personellen und strukturellen Umbruch tatsächlich verändert hat – eine nicht nur für Zeitungswissenschaftler spannende Thematik. Die Zukunft der regionalen Tageszeitung ist die Abschlussarbeit des Kommunikationswissenschaftlers an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster.In seiner Studie untersucht der Autor Ausgaben vor und nach dem Umbruch. Das Buch ist in acht Kapitel unterteilt. In seiner kurzen Einleitung gibt Hintzler einen Überblick über den Inhalt. In Kapitel zwei stellt der Autor die Geschichte der MZ dar und erläutert die Umstände der Umstrukturierung. Die Darstellung ist ausgewogen, allerdings bleibt offen, wie viele Redakteure in der ‘alten’ und ‘neuen’ Lokalredaktion beschäftigt waren bzw. sind. Auf Seite 22 heißt es lediglich, die Zahl der Festangestellten sei gleich geblieben. Man fragt sich, warum hier nicht etwas genauer recherchiert wurde.
Die strukturellen Veränderungen von der klassischen Redaktionsorganisation bis zum modernen Newsroom/Newsdesk nach angloamerikanischem Vorbild werden in Kapitel drei beleuchtet. Das Konzept Newsroom (d. h. die räumliche Plattform) bzw. Newsdesk (= Zentrum des Newsrooms) soll die Probleme des klassischen Ressortprinzips auflösen: “starre Strukturen, Undurchlässigkeit der einzelnen Ressorts und Kämpfe um die beste Ausgangsposition (…)” (18). Innerhalb der Redaktion werden die Tätigkeiten von Redakteuren und Editoren getrennt und mehrere Medien und Plattformen bedient (vgl. 20). Mit dem neuen Chefredakteur der MZ, Stefan Bergmann, führte Hintzler hierzu ein ergänzendes Rechercheinterview, dessen Inhalte immer wieder einfließen.
In Kapitel vier geht Hintzler der Frage nach, was überhaupt Qualität im Journalismus ausmacht – aus wissenschaftlicher und aus Praktiker-Sicht. Hintzler stellt verschiedene Modelle zur Messung der journalistischen Qualität vor (u.a. von Ruß-Mohl, Weischenberg, McQuail). Auch zieht der Verfasser zu Erläuterung dieser Modelle mehrere Grafiken heran, die leider von schlechter Druckqualität sind. Die Praktiker-Sicht wird u. a. durch die Initiative Qualität im Journalismus (IQ) und eine Qualitäts-Charta des DJV beschrieben (40). Zwischen Wissenschaft und Praxis konstatiert der Autor dabei “durchaus Überschneidungen” der Qualitätskritierien (43).
Aus den erläuterten Kriterien leitet Hintzler im fünften Kapitel insgesamt sieben Maßstäbe ab: Relevanz, Richtigkeit, Aktualität, Vielfalt, Rezipienten, Handwerk sowie Rechts- und Professionalitätsstandards. In seinem Kriterienkatalog untersucht er die qualitativen Veränderungen der Münsterschen Zeitung, mit Ausnahme der Richtigkeit und Relevanz, da diese nur schwer und aufwendig zu erheben seien (vgl. 50 und 52). Analysiert wird aber, ob die Artikel regional ausgerichtet sind. Bei der Untersuchung des journalistischen Handwerks zählt Hintzler nur die Fehler – und leider nicht Qualitätskriterien wie die Bebilderung sowie die Vielfalt und Angemessenheit der Darstellungsformen, wie u. a. von Rager und Haller (2003) empfohlen. Der Autor verzichtet sogar auf die Codierung von Kommentaren oder Info-Kästen, was bei einer Untersuchung der journalistischen Qualität verwundert.
Die Kapitel sechs und sieben enthalten die Inhaltsanalyse der Ausgaben vor und nach der Umstrukturierung (sechs aufeinanderfolgende Ausgaben aus den Jahren 2006 und 2009) und die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse. Bei der Auswahl der Stichprobe bleibt anzumerken, dass Empirie-Experten wie Früh eine künstliche Woche empfehlen, da auf diese Weise die Berichterstattung nicht von der aktuellen Ereignislage abhängig ist und die Ergebnisse dadurch repräsentativer sind (vgl. Früh 2007, 109). Das achte und letzte Kapitel fasst die gesammelten Erkenntnisse noch einmal zusammen.
Ob die Qualität der MZ nach dem Austausch der Redaktion abgenommen hat, kann Hintzler nach Abschluss seiner Inhaltsanalyse nicht eindeutig beantworten. In seinem Fazit schließt der Autor, dass sich eine verstärkte Ausrichtung auf das Lokale nach dem Umbruch nicht erkennen lässt – allerdings seien weitere Untersuchungen der Gesamtstruktur empfehlenswert (vgl. 101). Immerhin wurden insgesamt mehr Artikel in Eigenleistung erbracht, auch die Fehlerzahl ging bei den selbst verfassten Artikeln im Lokalteil zurück (vgl. 101f). Im Lokalsport hingegen nahm die Fehlerzahl bei den fremden Texten sogar zu (vgl. 102). Abschließend bemerkt der Verfasser, “(…) dass eine reine Veränderung der Redaktions- und Blattstrukturen kein Garant für mehr Qualität ist, jedoch ebenso wenig eine qualitative Verschlechterung bedeuten muss” (103). Vielmehr, so Hintzler, komme es auf die Art und Weise der Umsetzung und den damit verbundenen Zielen an (vgl. ebd.).
Fazit: Eine interessante Thematik für eine Abschlussarbeit, bei der sich der Leser aber stellenweise eine etwas intensivere Recherche des Autors gewünscht hätte. Außerdem weist die Arbeit einige kleine empirische Mängel auf.
Links:
- Verlagsinformationen zum Buch
Literatur:
- Michael Haller: Qualität und Benchmarketing im Printjournalismus. In: Hans-Jürgen Bucher; Klaus-Dieter Altmeppen (Hrsg.): Qualität im Journalismus. Wiesbaden [Westdeutscher Verlag] 2003
- Werner Früh: Inhaltsanalyse. Konstanz [UVK/UTB] 2007