Rezensiert von Julia Lönnendonker
Auslandskorrespondent – das klingt für viele angehende Journalisten nach prestigeträchtigem Traumberuf. Wie sehen aber – abseits festangestellter Korrespondentenstellen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – die Arbeitsbedingungen freier Auslandskorrespondenten aus? Und wie hat sich ihre Situation im Zuge der Medienkrise und den dadurch bedingten ökonomischen Zwängen entwickelt? Profitieren sie gar vom Abbau fester Korrespondentenstellen, indem sie Lücken füllen, die zuvor von festangestellten Kollegen bedient wurden oder bekommen ,Freie’ ebenso zu spüren, dass die Ausgaben für die Auslandsberichterstattung zurückgefahren werden (vgl. S. 36)?Diese Forschungslücke will Tim Kukral mit seiner Master-Arbeit zu den Arbeitsbedingungen freier Auslandskorrespondenten schließen, die er im Studiengang Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg geschrieben hat. Dazu arbeitet er zunächst – eher kurz und knapp – den Forschungsstand an der Schnittstelle der Berufsgruppen von Auslandskorrespondenten und freien Journalisten auf. Der Autor geht davon aus, dass freie Auslandskorrespondenten eine besondere Motivation für ihren Beruf mitbringen und bezeichnet sie als „Überzeugungstäter […], die eine Befriedigung aus ihrer Tätigkeit gewinnen, welche gegenüber den Schwierigkeiten im Umgang mit gewissen Widrigkeiten überwiegt“ (S. 37).
In seiner empirischen Untersuchung befragte er 15 freie Auslandskorrespondenten aus nahezu allen Teilen der Welt – durchweg Mitglieder im Journalistennetzwerk Weltreporter – zu ihrer Arbeit und ihrem beruflichen Selbstverständnis. Die Ergebnisse gliedern sich in allgemeine Informationen über die Befragten, die Darstellung von Besonderheiten der Berichtsgebiete (beispielsweise der Infrastruktur, den Lebenshaltungskosten und der Sicherheitslage) und die Beschreibung des Arbeitsalltags der Korrespondenten, etwa ihrer Kunden, Arbeitsabläufe und der Zusammenarbeit mit der Heimatredaktion. Außerdem wird die Motivation der Korrespondenten beschrieben sowie in einem kurzen Abschnitt das Netzwerk der Weltreporter selbst. Die Informationen zur Arbeitsweise und zum Selbstverständis entsprechen im Wesentlichen den Ergebnissen vorheriger Studien und verdeutlichen, dass die Arbeitssituation eines Korrespondenten grundlegend vom Berichtsgebiet abhängt, in dem er arbeitet. So bedingt einerseits die Situation in der betreffenden Region (wie Sicherheitslage, Infrastruktur und Kultur) und andererseits das Interesse des deutschen Publikums am jeweiligen Land bzw. der Weltregion die Art der Berichterstattung.
Besonders interessant und noch wenig erforscht ist die Haltung der Korrespondenten gegenüber Dienstleistungen im Bereich der Public Relations. Während die meisten Befragten PR rigoros als (Neben-)Tätigkeit ablehnen, verdienen doch viele der Befragten mit Corporate Publishing, konkret dem Schreiben für Kunden- und Branchenzeitschriften, einen Teil ihres Einkommens. Die Journalisten beschreiben die Aufträge für solche Magazine als angenehme Art des Arbeitens, die sie sonst aus ihrem Alltag als freie Korrespondenten häufig nicht gewohnt seien: „Interessante Themen, ausführliche Recherchen, komfortable Reisen, freie Hand bei der Gestaltung, komplette Finanzierung der Spesen und großzügige Honorare“ (S. 106).
Insgesamt bietet das Buch einen interessanten Überblick über die Tätigkeit der Korrespondenten des Weltreporter-Netzwerks. Zu kritisieren ist allerdings, dass gerade die Spezifität dieses Netzwerks, das quasi die ‚erste Liga’ der deutschen freien Korrespondenten versammelt, kaum beleuchtet wird und die Studie wenig Vergleichsmöglichkeiten zur Leistung anderer freier Auslandsreporter ermöglicht. Kukral schreibt lediglich, dass das Weltreporter-Netzwerk einen Ausgleich zum „Einzelkämpfer-Dasein“ (S. 112) des normalen Korrespondenten biete und eine „gewisse ‚Marktpräsenz’“ (S. 112) gewährleiste. Auch wird nicht thematisiert, dass die befragten Journalisten ausschließlich für Print, Radio und Online tätig sind und keine TV-Journalisten befragt wurden. Dies wirkt sich aber auf die Ergebnisse zu den Arbeitsabläufen und bearbeiteten Themen aus.
Im Forschungsstand bemängelt Kukral an vorherigen Studien, dass es bislang nicht gelungen sei, „die gesammelten Daten mit übergeordneten Zusammenhängen zu verbinden“ (S. 34). Diesen Vorwurf muss sich seine Arbeit jedoch auch gefallen lassen: Mit wenigen Ausnahmen fehlt ein Abgleich der Ergebnisse zu vorhergehenden Untersuchungen. Darüber hinaus wird nicht beantwortet, inwieweit sich die Arbeitsbedingungen freier Auslandskorrespondenten von denen festangestellter Kollegen unterscheiden. Auf die Eingangsfrage nach der wirtschaftlichen Situation freier Korrespondenten beschreibt Kukral, „dass Medien die Ausgaben für Auslandsberichterstattung immer mehr senken“ (S. 119): So würden Themen verstärkt durch Agenturen abgedeckt und Honorare „immer niedriger“ (ebd.). „Viele der Befragten gaben an, heute mehr produzieren zu müssen, um gleich viel zu verdienen wie zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn“ (ebd.). Dies unterscheidet freie Auslandsreporter allerdings nicht unbedingt von Festangestellten, die ebenso über einen erhöhten Produktionsdruck klagen, im Verhältnis zur Heimatredaktion stets aufs Neue ihre Expertise behaupten und ihre Themen verkaufen müssen. Auch sie kämpfen um sinkende Reiseetats und die Neigung vieler Redaktionen, Themen ohne Recherchen vor Ort über Agenturen oder die Berichterstattung anderer Medien abzudecken.
Zukünftige Forschung sollte einerseits den Vergleich der Tätigkeit von freien und festangestellten Auslandskorrespondenten genauer in den Blick nehmen. Interessant wäre zudem, eine größere heterogenere Menge von freien Korrespondenten zu untersuchen, um als Ergebnis eine Typologie freier Auslandskorrespondenten entwickeln zu können.
Links:
Über das BuchTim Kukral: Arbeitsbedingungen freier Auslandskorrespondenten. Eine qualitative Befragung von Mitgliedern des Journalistennetzwerks Weltreporter. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2016, 150 Seiten, 16,- Euro.Empfohlene ZitierweiseTim Kukral: Arbeitsbedingungen freier Auslandskorrespondenten. von Lönnendonker, Julia in rezensionen:kommunikation:medien, 30. August 2016, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/19382