Rezensiert von Lars Rinsdorf
Schön sieht sie aus, Christian Jakubetz‘ Fibel Universalcode 2020 in Mattschwarz plus Signalfarbe und moderner Typographie. Das Buch sollte selbst ein digital native gerne auf dem Schreibtisch liegen haben – wenn er oder sie noch einen besitzt. Wer gerne Hoodie trägt, bei dem passt der kompakte Ratgeber vielleicht sogar in die Hosentasche. Und wem gedruckte Texte gänzlich fremd geworden sind, bookmarkt sich einfach die Website zum Buch auf seinem Smartphone. Das ist ein zeitgemäßes Gesamtpaket. Alles andere hätte auch nicht gut ausgesehen, denn schließlich verhandelt der Autor nicht weniger als den state of the art des digitalen Journalismus.In neun Kapiteln fasst Medienberater Christian Jakubetz im Update seines gleichnamigen Buches aus dem Jahr 2014 (mit Ulrike Langer, erschienen im EFF ESS Verlag) zusammen, wie man aktuelle Themen heute journalistisch aufbereiten sollte. Nach einer allgemeinen Einführung in den Status quo des Berufsfelds (S. 9-40) folgen Abschnitte zu den handwerklichen Regeln der unterschiedlichen Modalitäten Text, Video, Audio und Foto (S. 41-114). Daran schließen sich Kapitel zum so genannten Echtzeitjournalismus und der Besonderheiten mobiler Medien an (S. 115-146). Ein Ausblick auf den Journalismus des Jahres 2020 rundet den Band ab (S. 147-192). An diesem Punkt erscheint die Gliederung nicht stimmig, denn hier werden aus etwas anderer Perspektive ganz ähnliche Fragen besprochen wie in der Einführung ins Thema.
Das Buch ist durchweg verständlich, dicht und anschaulich geschrieben, weshalb es auch Berufseinsteigern leicht fallen wird, die Argumentation des Autors nachzuvollziehen. Jedes Kapitel wiederum ist ein Mix aus grundsätzlichen Überlegungen zum jeweiligen Aspekt, auf die praktische Hinweise aufbauen. Dadurch ist es möglich, auch nur gezielt in einzelne Abschnitte einzusteigen. Dies passt gut zum Charakter des Buches als praktischer Ratgeber und Nachschlagewerk. So befasst sich der Autor im Kapitel ‘Video’ mit Themen wie Livestreaming, gutem Ton und richtigem Schnitt oder mit der Frage, wie sich das Problem lösen lässt, für üblicherweise kleine Bildschirme qualitativ hochwertige Clips zu produzieren.
Für wen lohnt sich ein Blick in das knapp 200 kompakte Seiten lange Buch? Am wenigsten sicherlich für Wissenschaftler, denn Jakubetz schaut aus der Perspektive des Redaktionsberaters auf das Berufsfeld und sucht erst gar nicht den Anschluss an die wissenschaftliche Debatte. Das ist angesichts des Grundkonzepts des Buches auch nur konsequent. Stattdessen sind seine Diagnosen, Prognosen und Konzepte (etwa zur Optimierung von Arbeitsprozessen) die Essenz seiner professionellen Erfahrungen im Berufsfeld, die er in griffigen Formeln wie „Content+Kontext+Endgerät = Publikation“ oder „Online-Journalismus = Multimedialität“ zusammenfasst. Die sind für den eiligen Leser praktischerweise in Textmarker-Optik hervorgehoben. Das liest sich alles sehr plausibel – und ist es über weite Strecken auch. Gleichwohl würde man sich wünschen, dass wenigstens zentrale Begriffe der Argumentation wie etwa der des „digitalen Narrativs“ (S. 15) breiter diskutiert würden.
Auch Praktiker, die die Transformation des Journalismus seit Jahren mitgestalten, werden aus der Lektüre nur einen begrenzten Nutzen ziehen können. Sie finden manchen Gedanken, der in Weißbüchern, Fachtagungen und Meetings geäußert wurde, prägnant formuliert wieder: „Wer einfach nach draußen geht“, heißt es zum Beispiel zum Thema Mobile Reporting, „einen Rucksack voller Equipment, aber keine Idee, kein Konzept für seine Geschichte in der Tasche, wird zuverlässig scheitern“ (S. 30). Das ist ein Wert an sich, aber überraschende Einsichten werden sie vergeblich suchen. Selbst das Szenario für das Jahr 2020, an dem neben dem Autor noch weitere Experten mitwirken, zeichnet ein zwar durchaus realistisches, aber relativ konventionelles Bild der Zukunft, auf das man sein Handeln ausrichten könnte, etwa zur Bedeutung von Virtual Reality für den Journalismus.
Kernzielgruppe des Bandes sind daher vor allem Berufseinsteiger oder gestandene Journalisten, die bislang noch einen Bogen um die Frage machen konnten, wie tiefgreifend der Metatrend der Digitalisierung das eigene Berufsfeld reformiert. Sie bekommen einen Überblick über Veränderungen im Nutzerverhalten, neue Formen der Aufbereitung aktueller Inhalte, mit denen man darauf reagieren kann, und die Konsequenzen für die Redaktionsorganisation, die dies nach sich zieht. Garniert wird das mit teils sehr konkreten Hinweisen auf produktionstechnische Details.
Dabei wäre es ungerecht, von einem Überblickswerk wie Universalcode 2020 zu verlangen, dass alle Aspekte zeitgemäßer redaktioneller Abläufe in umfassender Breite und Tiefe behandelt werden. Diesen Anspruch erfüllt das Buch auch nicht. Aber es schärft den Blick für aktuelle Trends, stellt Zusammenhänge her und ermuntert die Nutzer, sich mit den Feldern intensiver auseinanderzusetzen, die für den eigenen Berufsalltag besonders relevant sind. Und das kann nicht jeder Ratgeber von sich behaupten.
Links:
Über das BuchChristian Jakubetz: Universalcode 2020. Content + Kontext + Endgerät. Konstanz/München [UVK] 2016, 208 Seiten, 24,99 Euro.Empfohlene ZitierweiseChristian Jakubetz: Universalcode 2020. von Rinsdorf, Lars in rezensionen:kommunikation:medien, 1. September 2016, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/19372