Rezensiert von Tobias D. Höhn
Die Mär vom guten Engelchen Journalismus und dem bösen Teufelchen Public Relations (PR) hat bereits Barbara Baerns mit der Determinationsthese entzaubert – trotz mancher methodischer Kritik. Doch wie nutzen Journalisten PR und warum? Die vielfältigen Abhängigkeiten zwischen den beiden (Sub-)Systemen haben Bentele/Liebert/Seeling im Intereffikationsmodell modelliert, Ausgangspunkt für zahlreiche empirische Studien und lange Zeit Status Quo. Wolfgang Schweiger legt in vorliegendem Buch die Grundlagen dar, erklärt den Weg der beiden Konzepte und ergänzt dies um die Medialisierung.Auf den rund 120 Seiten des elften Bandes der Reihe Konzepte. Ansätze der Medien und Kommunikationswissenschaft (Nomos) bricht der Autor mit dem gängigen Schema: Er skizziert zunächst überblicksmäßig die Entstehung von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit/PR, ihre gesellschaftlichen Funktionen, Wirkungsweisen und Schnittstellen, um anschließend zum Kern des Buches zu kommen: den drei Theorien. Seine Argumentation: “Theorien sollen soziale Phänomene erklären. Nur wenn man diese zumindest grundsätzlich kennt, kann man eine Theorie nachvollziehen und beurteilen.” (14) Damit liefert dieses Buch “Studierenden einen fundierten Einstieg” (5), dies bedingt aber gleichwohl, dass erst nach gut der Hälfte der Lektüre der Autor zum Kern kommt.
Überblicksmäßig wird zunächst die Entstehung und Entwicklung der beiden Berufsfelder angerissen, was angesichts der Kürze von knapp drei Seiten nur eine Hinführung sein kann. In Kapitel 3 nimmt sich Schweiger zunächst der PR und der Media Relations an, gibt einen guten Überblick über Anspruchsgruppen und Aufgaben und widmet sich dezidiert der “wichtigste[n] Zielgruppe der PR” (25), Journalisten und Medienvertretern. In diesem Kontext geht Schweiger auch auf Social Media (“Journalisten-By-passing”, 28) und Corporate Media ein. Dem Anspruch als Einführungswerk wäre es vielleicht hilfreich gewesen, Werbung (vgl. 19) abzugrenzen und Lobbying (vgl. 20) einzuführen. Analog wird im 4. Kapitel der Journalismus abgehandelt, leicht nachvollziehbar und – das ist insgesamt ein Vorteil dieses Buches – sehr anschaulich und praxisbezogen, z. B. mit Konsequenzen für die praktische PR-Arbeit (vgl. 43).
“Journalisten und Medienarbeiter sind nicht nur aufeinander angewiesen, sie erarbeiten gemeinsam ein Produkt, nämlich Nachrichten” (44), heißt es eingangs des 5. Kapitels und lässt vermutlich zumindest manchen Journalistikstudenten stutzen. Aber in Verbindung mit der Überschrift “Ideale und Praxis einer schwierigen Beziehung” wird der tiefere Sinn deutlich: Es geht nicht allein um normatives Denken, sondern ökonomisch bedingtes Handeln, was Schweiger anhand empirischer Belege ausführt und auf den Folgeseiten auch auf die gegenwärtige ‘Medienkrise’, die vielmehr ein drastisches Sparprogramm in Redaktionen ist, eingeht. Obwohl der Fokus auf deutschsprachigen Theorien liegt, gelingt dem Autor der Blick über den Tellerrand, um Phänomene wie Media Catching oder Churnalism (54) einfließen zu lassen.
Mit Blick auf die Zielgruppe vorbildlich, weil prägnant und klar abgegrenzt, ist der Theorieauftakt in Kapitel 6. Hier werden grundlegende Begriffe erörtert, unterschiedliche Basistheorien anschaulich gegenübergestellt und angewandt. Der Schwerpunkt liegt auf der Systemtheorie. Den Auftakt zur Theorien-Trias bildet der Klassiker, die Determinationsthese von Barbara Baerns. Ansatz, Untersuchungdesign, Ergebnisse, Kritik und Folgestudien, aber auch Desiderate bilden eine logische Kette, die einen guten Überblick von zurückliegenden Jahrzehnten bis in die Gegenwart liefern. Ebenso setzt sich Schweiger mit dem Intereffikationsmodell auseinander, wobei die Frage nach eindeutigen Abgrenzungen zwischen Induktionen und Adaptionen (vgl. 101f.) vage bleibt. Hier wäre eine tiefgründigere, ruhig auch theoriebasierte Diskussion wünschenswert gewesen, zumal auf das Phänomen Social Media und dessen Implikationen für das Modell hätte Bezug genommen werden können. Stattdessen schließt Schweiger dieses Kapitel mit Klaus Kocks‘ Zitat von “PR als Parasisten“, der “allergrößtes Interesse an der Gesundheit seines Futtertieres“, dem Journalismus, habe (105, zit. n. Ruß-Mohl 1999: 170). Wo liegt dann der Unterschied zur Determination?
Als dritte Theorie zum Verhältnis Journalismus-PR (vor allem in der politischen Sphäre) folgt in Kapitel 9 die Medialisierung, bei der im Vergleich zu den beiden vorigen Theorien das Publikum als drittes Modellelement einbezogen wird. Der Zugang erfolgt hier zunächst über Phänomene und konstruierte Beispiele (vgl. 108). Die Auseinandersetzung mit Raupps durchaus interessantem Modell (vgl. 117) hätte mehr Platz verdient, um Relevanz und Unterschiede herauszuarbeiten. Dies wäre eine Steilvorlage für das Fazit gewesen, so bleibt es etwas allgemein: “Journalismus und PR näher sich einander an und vermischen sich zunehmend.“ (122)
Insgesamt betrachtet, ist Wolfgang Schweigers Band gerade für Bachelorstudenten ein sehr lesenswertes, weil kompaktes und logisch aufgebautes Buch, das Grundlagen vermittelt und Theorie anschaulich werden lässt. Es ist als Ausgangspunkt für vertiefendeTheoriestudien zu empfehlen, ohne sich in der ausufernden Diskussion zu verlieren.
Literatur:
- Bentele, G.; T. Liebert; S. Seeling: Von der Determination zur Intereffikation. Ein integriertes Modell zum Verhältnis von Public Relations und Journalismus. In: Bentele, G.; M. Haller (Hrsg.): Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure-Strukturen-Veränderungen. Konstanz [UVK] 1997, S. 225-250.
- Ruß-Mohl, S.: Spoonfeeding, Spinning, Whistleblowing. Beispiel USA: Wie sich die Machtbalance zwischen PR und Journalismus verschiebt. In Rolle, L.; V. Wolff (Hrsg.): Wie die Medien die Wirklichkeit steuern und wie sie selbst gesteuert werden. Opladen: [Westdeutscher Verlag] 1999, S. 163-176.
Links:
Über das BuchWolfgang Schweiger: Determination, Intereffikation, Medialisierung. Theorien zur Beziehung zwischen PR und Journalismus. Baden-Baden [Nomos] 2013, 145 Seiten, 19,90 Euro.Empfohlene ZitierweiseWolfgang Schweiger: Determination, Intereffikation, Medialisierung. von Höhn, Tobias D. in rezensionen:kommunikation:medien, 12. September 2014, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/16916