Christoph Moss (Hrsg.): Die Sprache der Wirtschaft

Einzelrezension
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Rezensiert von Klaus Spachmann

Einzelrezension
Welche Sprache spricht die Wirtschaft? Diese Frage ist nicht nur angesichts der aktuellen Diskussion um die Finanz- und Wirtschaftskrise interessant, sondern auch grundsätzlich bedeutsam. Spannende Ansatzpunkte für die Analyse gibt es viele, etwa Wirtschaftssprache als Ausdruck einer bestimmten Denkhaltung, als Mittel der Unternehmens- kommunikation oder als Vehikel beziehungsweise Hindernis gesellschaft- licher Verständigung. Der von Christoph Moss herausgegebene Band greift viele dieser Aspekte auf. Kommunikations-praktiker und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen werfen in elf kurzen Beiträgen Schlaglichter auf das Thema. Dabei sind die Perspektiven der Beiträge so vielfältig wie die biografischen Hintergründe der Autoren. How-to-do-Anweisungen, z.B. zur Sprache der Werbung, finden sich ebenso wie Sprachführer, etwa zur Börsensprache, und theoriegeleitete Erklärungsansätze, beispielsweise zur Rolle von Glaubwürdigkeit für die Sprache in Geschäftsberichten.

Dementsprechend breit und allgemein ist das herausgeberische Konzept: Ziel des Sammelbands ist es, Wirtschaftssprache aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und die Vermittlung zwischen “den manchmal weit entfernten Sphären Ökonomie und Linguistik” anzustoßen. Auf welche Art und Weise und mit welchen übergeordneten Analysezugängen diese Vermittlung gelingen kann, bleibt dabei weitgehend im Unklaren.

Die Gliederung des Buchs folgt der Unternehmensperspektive, indem der “Sprache der Unternehmen” die “Sprache der Interessengruppen” gegenübergestellt wird (ein dritter Teil behandelt “Rahmenbedingungen der Wirtschaftssprache”). Wirtschaftssprache wird also primär als Herausforderung der Unternehmenskommunikation begriffen, die auf Verständnis und Akzeptanz bei verschiedenen Anspruchsgruppen abzielt. Die sehr heterogenen Perspektiven der Beiträge insbesondere im zweiten Teil – zu den Interessengruppen werden Journalisten, Börsianer und Politiker gezählt – legen noch eine andere Unterscheidung nahe, die im Sammelband nur implizit auftaucht, sich bei der Lektüre aber als fruchtbar erweist: Neben der Sprache der Wirtschaft ist die Sprache über die Wirtschaft entscheidend. Fachsprache und öffentliche Sprache sind sehr verschieden und erfüllen ganz unterschiedliche Funktionen. Was im einen Fall Verständlichkeit und Verständigung innerhalb der Wirtschaft fördert, kann im anderen Fall zu Unverständlichkeit und Missverständnissen führen. Dies zeigt nicht zuletzt die anhaltende öffentliche Diskussion über die gesellschaftliche Rolle der Wirtschaft.

Die spannendsten Beiträge im Sammelband sind dann auch diejenigen, die die öffentliche Sprache über Wirtschaft behandeln. Das gilt etwa für den Meinungsbeitrag des Handelsblatt-Chefredakteurs Bernd Ziesemer, der die tiefe Kluft zwischen Wirtschaftspolitik und Wirtschaftssprache beklagt. Seine mitgelieferte Begründung – Politiker wollten mit der reinen Logik des Marktes nichts zu tun haben – zeigt, dass öffentliche Sprache über Wirtschaft immer auch ein Kampf um Interessendurchsetzung und Deutungshoheit ist. Ein Beispiel für einen in diesem Sinne “umkämpften” Begriff liefert Gregor Halff, einer der wenigen Kommunikationswissenschaftler unter den Autoren, in seinem Beitrag zum Umgang mit dem Globalisierungsbegriff. Er analysiert die überwiegend globalisierungskritisch eingestellte und von nicht-ökonomischen Perspektiven durchsetzte öffentliche Meinung. Zudem präsentiert er Ergebnisse einer internationalen Studie, wie Unternehmen über Globalisierung kommunizieren. Auf die an die Öffentlichkeit gerichtete Kommunikation von Unternehmen geht der Beitrag des Kommunikationsberaters Matthias Dezes über die Sprache der PR ein. Er enthält ein Plädoyer für eine klare und authentische Sprache der Unternehmen, die sich von einer weichgespülten und austauschbaren “Corporate Speech” abhebt.

Kein Zweifel: Das Buch zeigt, wie fruchtbar es ist, sich mit verschiedenen Aspekten der Sprache der Wirtschaft zu beschäftigen. Die Frage, welche Zielgruppen der Sammelband anspricht, ist angesichts der vielfältigen Perspektiven allerdings nicht einfach zu beantworten. Da die forschungs- und theoriegeleiteten Beiträge auch in Grundlagen einführen, richtet sich der Sammelband wohl vor allem an Kommunikationspraktiker und Fachfremde.

Links:

Über das BuchChristoph Moss (Hrsg.): Die Sprache der Wirtschaft. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2009, 202 Seiten, 24,90 Euro.Empfohlene ZitierweiseChristoph Moss (Hrsg.): Die Sprache der Wirtschaft. von Spachmann, Klaus in rezensionen:kommunikation:medien, 7. April 2010, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/1588
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