Ingrid Brodnig, Florian Klenk, Gabi Waldner, Armin Wolf (Hrsg.): Praktischer Journalismus

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Rezensiert von Gabriele Hooffacker

Einzelrezension

Manchmal muss man Traditionen über den Haufen werfen. “Der Pürer”, das Lehrbuch mit dem Titel “Praktischer Journalismus”, ist Urahn des vorliegenden Bandes, so das neue Herausgeberteam – und es hat sich vom großen Vorbild gelöst und ein völlig neues Werk zusammengestellt und kuratiert. Bereits am Aufbau lässt sich die Neukonzeption ablesen: Beginnend bei Grundsätzlichem (Was ist Journalismus – und was nicht?) über die klassischen Ressorts (von Außenpolitik bis Lokales oder Wissenschaft), die Darstellungsformen (von Nachrichten bis zum redaktionellen Arbeiten), den “Digitalen Journalismus” (von Social Media über Podcasts bis zur Künstlichen Intelligenz) und den Journalismus als Beruf (Ethik, Medienrecht, Arbeitsrecht, journalistisches Unternehmertum) spannt sich der Bogen.

Vielleicht genau wegen des Traditionsbruchs entführt der stellv. Chefredakteur der Salzburger Nachrichten, Andreas Koller, die Leser:innen erst einmal ins Jahr 1983, um dann die Veränderungen und Herausforderungen zu skizzieren, vor denen der (Lokal-)Journalismus steht. Auf einen kompakten Ausflug in die Geschichte des Journalismus (Armin Thurnherr) folgt eine Übersicht über die Quellen und die Nachrichtenfaktoren (Alexandra Föderl-Schmidt). Es zeichnet den Sammelband aus, dass Andreas Koller die Gatekeeper-Funktion des Journalismus beschwört und erweitert (15), während Alexandra Föderl-Schmidt sie in Frage stellt (27) – das gibt die aktuellen Brüche und Widersprüche im Journalismus zutreffend wieder.

Auf die eher einordnenden Überblicksbeiträge zu den Ressorts, die vom Blickwinkel der jeweiligen Autor:innen geprägt sind, folgt ein Kapitel zu den journalistischen Darstellungsformen. Hier finden sich teilweise echte “How-to”-Beiträge, die zum Einlesen für den Berufseinstieg taugen. Ob hingegen “Satire” eine Darstellungsform ist oder doch eher ein Stilmittel, darüber könnte man diskutieren.

Der Verzicht auf die Trennung nach Medienkanälen führt bei den Darstellungsformen zu Dopplungen, die jedoch Sinn ergeben: Das geschrieben Porträt (Christa Zöchling) stellt andere Anforderungen als das Audio-Porträt (Eva Rother). Geschriebene Interviews werden hier noch von Hand transkribiert (Renate Graber) – ein Hinweis auf Speech-to-Text-Tools fehlt. Die liefert dann Christina Elmer im Beitrag zu KI im nächsten Kapitel.

Denn dem digitalen Journalismus widmet der Band ein eigenes Kapitel, das sich klugerweise häufig rückbezieht auf die Beiträge zu den Darstellungsformen. Der Abschnitt zum Online-Journalismus (Gerold Riedmann) bleibt allgemein; praktische Tipps liefert der Beitrag “Multimediale Darstellungsformen” (Elisabeth Gamperl). Der Beitrag Datenjournalismus ermutigt zum Umgang mit Zahlen (Martin Thür / Jakob Weichenberger), die Herausforderungen des Fact-Checkings beschreibt Ingrid Brodnig, die bereits vorn im Grundlagenteil beim Thema Online-Recherche Bild- und Videoforensik kurz vorgestellt hat.

Das Kapitel “Journalismus als Beruf” startet mit einem klugen Beitrag zu Redaktionsmanagement (Martin Kotynek) und führt dann über journalistische Ethik (Wolfgang Wagner) und Rechtsfragen (Maria Windhager) sowie zum Arbeitsrecht (Andreas Schmidt/Verena Weilharter) bis zum Personal Branding für die journalistische Personenmarke (Richard Gutjahr). Zwei Beiträge zu Ausbildungswegen (Nikolaus Koller) und zur Medienlandschaft in Österreich (Harald Fidler) schließen den Band ab.

Die Beiträge sind in Ansprechhaltung und Aufbereitung recht unterschiedlich. Die eine Autorin nennt kaum weiterführende Literatur, arbeitet dafür mit Fußnoten (Katharina Schell), während der andere Autor (Armin Wolf) praktisch alle einschlägige Literatur zum Thema auflistet. Und manchmal sind es einfach Linklisten (Jonas Vogt) – die veralten schnell und sind unpraktisch zum Abtippen.

Aufgrund der vielen Autorinnen und Autoren wechselt die Ansprechhaltung im Band. Mal heißt es “wir”, wenn idealtypisches Handeln im Journalismus beschrieben wird, mal wird die Leserin oder der Leser direkt mit “du” angesprochen. Im Darstellungskapitel hingegen wird weitgehend gesiezt. Hier könnten redaktionelle Vorgaben im Sinne eines Stylebooks helfen.

Mehrfach, ob gleich im ersten Kapitel, beim Thema Investigativer Journalismus oder beim Thema Innenpolitik, wird der Einfluss durch PR-Aktivitäten von Parteien und Unternehmen anschaulich dargestellt; die kundige Gegenrecherche wird beschworen. Nebenbei entsteht aus den Mosaiksteinchen ein Bild der österreichischen Medienlandschaft mit mächtigen Medien der politischen Rechten, der guter Journalismus bitter nottut.

Hinterfragt man Titel und Anspruch des Bandes (“Ein Lehrbuch für den Berufseinstieg und alle, die wissen wollen, wie Medien arbeiten”), lässt sich checken:

  • Lehrbuch: mal erzählend, mal praktisch
  • “für den Berufseinstieg”: mal grundsätzlich, mal individuell reflektierend
  • “für alle, die wissen wollen, wie Medien [in Österreich] arbeiten”: aber ja, ein schönes Lesebuch!

Literatur:

  • Hooffacker, Gabriele; Meier, Klaus: La Roches Einführung in den praktischen Journalismus. Wiesbaden [Springer VS] 20. Aufl. 2017
  • Pürer, Heinz; Rahofer, Meinrad; Reitan, Claus (Hrsg.): Praktischer Journalismus: Presse, Radio, Fernsehen, Online. 5. Aufl. Konstanz [UVK] 2004

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Über das BuchIngrid Brodnig, Florian Klenk, Gabi Waldner, Armin Wolf (Hrsg.): Praktischer Journalismus. Ein Lehrbuch für den Berufseinstieg und alle, die wissen wollen, wie Medien arbeiten. Wien [Falter Verlag] 2024, 264 Seiten, 29,90 Euro / ePub 24,99 EuroEmpfohlene ZitierweiseIngrid Brodnig, Florian Klenk, Gabi Waldner, Armin Wolf (Hrsg.): Praktischer Journalismus. von Hooffacker, Gabriele in rezensionen:kommunikation:medien, 2. September 2025, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/25613
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