Marina Sverdel: Medienoligarchen

Einzelrezension
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Rezensiert von Silvia Ettl-Huber

sverdel2008Einzelrezension
Das Buch “Medienoligarchen” basiert auf der Diplomarbeit einer ukrainischstämmigen Studentin an der Universität Dortmund. Von dieser Anlage her verspricht es die landeskompetente Einsichtnahme in den ukrainischen Medienmarkt – ein Umstand, der für die deutschsprachige Wissenschaft in jedem Fall von Interesse ist. Das Buch umfasst 164 Seiten Textteil, weitere 99 Seiten sind Anhang (vor allem transkribierte Interviews). Wer unter dem Titel “Medienoligarchen” eine Beschreibung der Eigentümer und deren Einflussnahme auf die ukrainischen Medien erwartet, wird enttäuscht sein. Der Begriff und das Thema “Medienoligarchen” findet im Buch keine Verarbeitung. Es wird vielmehr unterstellt, dass das ukrainische Mediensystem von Oligarchen dominiert wäre. Auskünfte über tatsächliche Besitzverhältnisse konnte die Autorin nicht bekommen. Dementsprechend tut der Titel nur seine werblichen Zwecke, was die Lesenden möglicherweise etwas frustriert zurück lässt.

Dabei bietet das Buch abseits des Übertitels einiges zum ukrainischen Medienmarkt. Sehr interessant stellen sich die zusammengetragenen Materialien dar. Dazu gehören Statistiken zur Auflagenentwicklung, eine tabellarische Aufarbeitung der Phasen der aktuellen Medienentwicklung, die Sammlung von Daten zur Entwicklung des Journalismus und ein Überblick über die rechtliche Situation der Medien. Aufschlussreich ist für die Leser hierzulande auch die Beschreibung des Gesichts der ukrainischen Zensur. Die Fakten sind sauber aufbereitet und schlüssig sowie gut lesbar präsentiert.

Weniger gut gelungen ist die Untersuchung der Pressefreiheit in der Ukraine. Die Autorin geht dabei nach einem Index der Pressefreiheit vor, der in einer Dissertation entwickelt wurde. Sie stellt eine Inhaltsanalyse von 180 Artikeln in vier Zeitungen von zwei Stichtagen an und führt sechs Experteninterviews durch. Anhand dieser Untersuchungen bewertet sie dann nach einem Punkteschema die Pressefreiheit in der Ukraine. Für dieses Unterfangen ist die Methodik weder angemessen noch ausreichend und das unterlegte Bewertungsschema zu wenig diskutiert. In diesem Punkt ist das Buch eher ein Lehrbeispiel für die Schwierigkeit, Medienfreiheit zu messen, als dass es den Lesern irgendwelche Aufschlüsse bietet, die sich nicht ohnehin aus dem zusammengetragenen Datenmaterial ergeben.

Abgesehen von diesem zuletzt betrachteten Punkt ist das Buch eine Bereicherung für das Wissen über den ukrainischen Medienmarkt und die Funktionsweise des Journalismus in der Ukraine. Als Rezipientenkreis vorzustellen sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit dem Themenkreis der Medien in den ehemaligen kommunistischen Ländern der Sowjetunion beschäftigen, ebenso wie Medienpraktikerinnen und Medienpraktiker, die in der Ukraine oder benachbarten Ländern tätig sind oder tätig werden wollen.

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Über das BuchMarina Sverdel: Medienoligarchen. Chancen und Grenzen für die Pressefreiheit in der Ukraine - eine Fallstudie. Reihe: Journalismus International, Band 2. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2008, 263 Seiten, 24,– Euro.Empfohlene ZitierweiseMarina Sverdel: Medienoligarchen. von Ettl-Huber, Silvia in rezensionen:kommunikation:medien, 10. Mai 2009, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/88
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