Rezensiert von Markus Rautzenberg
Die in der renommierten Reihe “Rowohlts Enzyklopädie” erschienene Ästhetik der Medialität des Bremer Kulturwissenschaftlers Reiner Matzker verspricht, eine historische und systematische Beschreibung der “Vermittlung von künstlerischen Welten und ästhetischen Theorien” mithilfe des Begriffs des “Medialen” zu leisten. Der historische Zeitraum, der dabei durchmessen wird, reicht von der Aufklärung bis zum postmodernen Medienzeitalter und behandelt “Fernsehen und Kitsch” ebenso wie das Verhältnis von “Expressionismus und Phänomenologie” oder die vom Autor behauptete “Medialisierung des Subjekts” in der Romantik. Es entsteht der durchaus sympathische Eindruck, hier würde eine kulturtheoretische und ideengeschichtliche “Theory of Everything” geboten, die auf 238 Seiten in Aussicht stellt, im Rahmen der Künste gesellschaftliche Umwälzungen zu erforschen, um diese zugleich mit philosophischen und ästhetischen Theorien und schließlich der gesamten Sphäre des “Medialen” in Beziehung zu setzen.Die dabei zu Wort kommenden Theoretiker und Künstler sind infolgedessen sehr zahlreich. Es ist für den Leser jedoch bei derartiger Detail- und Stofffülle wenig hilfreich, dass auf einen Fußnotenapparat gänzlich verzichtet wird und die Kürze der Bibliografie am Ende des Buches zum Umfang der behandelten Themenfelder in keinem Verhältnis steht. Viele gewichtige Ideen der Geistesgeschichte werden in einem Satz oder Absatz abgehakt und mit den entsprechenden Namen in Klammern versehen, was eine kritische Überprüfung der einzelnen Thesen für den philosophischen Laien sehr erschwert. Kann man dies aufgrund der eher essayistischen Anlage des Textes noch verzeihen, wiegt die ein wenig willkürlich wirkende Gliederung schon schwerer.
Es fehlt Matzkers Buch an einer erkennbaren Systematik, was letztlich auch dem Umstand geschuldet ist, dass der zur Anwendung kommende Medienbegriff weitgehend diffus bleibt. Dies würde kein Problem darstellen, sofern denn diese begriffliche Unsicherheit mitreflektiert würde. “Medialität” sei “der im jeweiligen Medium und durch die jeweilige Darstellungsform vermittelte Inhalt”, während “Medien” als jene Techniken oder Entitäten zu gelten hätten, welche diese Inhalte (wie auch immer) ermöglichen. Beschrieben ist damit nun im Grunde nichts anderes als die Rückübersetzung des Saussurschen Zeichenbegriffs in die Terminologie der Medientheorie: “Medium” statt Signifikant und “Medialität” statt Signifikat.
Mit der sehr umfangreichen wissenschaftlichen Diskussion zum Thema “Medien” und “Medialität”, die insbesondere in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre mit großer Vehemenz und äußerst divers geführt wird, ist eine solche Definition nur sehr schwer zu vereinbaren. Umso bedauerlicher ist, dass diese Diskussion in Matzkers Buch mit keinem Satz erwähnt wird. Der Preis, der im Zuge dessen zu entrichten ist, besteht darin, dass immer dann, wenn in Matzkers Ästhetik der Medialität von “Medien” gesprochen wird, eigentlich “Zeichen” gemeint sind, während einer der wenigen Punkte, auf den sich die auf’s fruchtbarste zerstrittene Medientheorie von Friedrich Kittler bis Sybille Krämer einigen kann, gerade darin besteht, dass Medien eben nicht umstandslos mit Zeichen gleichzusetzen sind. Unter’m Strich bleibt so eine streckenweise zwar sehr inspirierende, begrifflich jedoch eher unscharfe Geschichte der Ästhetik, die über dem interessierten Laien ein Füllhorn an Ideen zum Thema Kunst und Ästhetik ausschüttet, ohne diese jedoch systematisch aufzubereiten.
Links:
- Verlagsinformationen zum Buch
- Webpräsenz von Reiner Matzker an der Universität Bremen