Rezensiert von Katharina Lobinger
TV-Werbung erlaubt durch ihren multimodalen Charakter vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die teils äußerst kreativen Konfigurationen aus Ton, Bild und Text in Werbebotschaften auch tatsächlich ihren gewünschten Wirkungseffekt erzielen. Dieses Problem, das sowohl für die Werbewirkungs- forschung als auch für die Werbepraxis von hoher Relevanz ist, stellt den Ausgangspunkt dieses Buches dar. Ziel ist es, zu erheben, welchen Einfluss unterschiedliche Markenplatzierungs- strategien in TV-Spots auf das Blickverhalten der Rezipienten und Rezipientinnen haben. Konkret geht es also darum, ob der Zeitpunkt und die Dauer der Einblendung der Marke in TV-Spots auch zu unterschiedlichen Rezeptionsweisen und in der Folge zu unterschiedlichen Erinnerungswerten führen.Mit dieser Experimentalstudie stellen sich Natalie Hofer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung der Wirtschaftsuniversität Wien, Viktoria Radler und Katharina Bermoser, beide Absolventinnen des Instituts, einer großen Herausforderung: Der Messung von Blickbewegungen bei dynamischen Stimuli. Bisher wurden Eyetracking-Studien hauptsächlich auf unbewegte Stimuli angewandt. Dies liegt vor allem an der hohen Komplexität, welche der doppelt dynamische Charakter der Blickregistrierung (210) bei dynamischen Stimuli mit sich bringt, da sowohl die Stimuli bewegt sind, als auch die untersuchten Augenbewegungen.
Im theoretischen Teil des Buches werden zunächst Werbewirkungstheorien, Verfahren der Werbewirkungsmessung sowie die Methode der Blickregistrierung und ihre Einsatzmöglichkeiten in der Marketingforschung und in der Werbepraxis besprochen. Hier überzeugt vor allem die Darstellung der Textpassagen zur Blickregistrierung, welche besonders Praktikern gute Einblicke in die Grundprinzipien dieses Verfahren ermöglicht. An diese theoretische Einleitung schließt eine detaillierte Beschreibung des Experimentaldesigns, in welchem Befragungsdaten mit Eyetrackingdaten kombiniert werden, an. Im Ergebnisteil werden schließlich zunächst die Studienresultate in einem deskriptiven Teil beschrieben, die Hypothesenbeantwortung erfolgt gesondert.
Das Buch widmet sich zweifelsohne einem spannenden Verfahren, dessen Anwendungsmöglichkeiten und die daraus resultieren Implikationen für den Forschungsprozess noch nicht ausreichend erkundet wurden. Dabei lässt das Buch viele Potenziale ungenutzt. Es präsentiert sich als Forschungsbericht einer durchaus elaborierten und komplexen Studie, die jedoch leider nicht in eine lesbare Buchform “übersetzt” wurde. Dadurch ergibt sich eine überkomplexe Struktur mit Gliederungen bis Überschriften 5. Grades, wobei teilweise gravierende Strukturierungsfehler passieren. So folgt etwa auf Kapitel 4.1. direkt Kapitel 4.1.1.1.; an anderen Stellen führen Kapitelverweise ins Leere. Kapitel 2.4 beispielsweise, auf das auf der zweiten Seite verwiesen wird, existiert in keinem Abschnitt des Buches. Dass jeder der vier inhaltlichen Abschnitte mit neuer Nummerierung beginnt, erschwert die Orientierung zusätzlich.
Bei der Hinführung zum Thema im Theorieteil wäre zudem eine klarere Fokussierung wünschenswert gewesen. Die überblicksartigen Ausführungen zur Werbewirkungstheorie basieren über weite Strecken auf den bereits bekannten “Klassikern” und Überblickswerken zu Werbung und Konsumentenverhalten, etwa Kroeber-Riel et al. (2009), Schweiger und Schrattenecker (2009) oder Trommsdorff (2004). Die Literaturrecherche zu visuellen Aspekten der Werbung und der Eyetracking-Methodik ist dagegen deutlich umfangreicher und fokussierter. Hier liegt eindeutig die inhaltliche Stärke der Arbeit.
Bei der Ergebnisdarstellung offenbart sich erneut der Bericht-Charakter. Die fast vollständige Trennung zwischen deskriptivem Ergebnisteil und der Hypothesentests beeinträchtigt die Transparenz der Auswertung. Im Kapitel der Hypothesentests wird für jede einzelne Hypothese dargelegt, ob sie angenommen werden konnte, oder verworfen werden musste. Dies erfolgt jedoch ohne zusätzliche Erläuterung anhand des gewonnenen Datenmaterials. Der Leser oder die Leserin muss für ein näheres Verständnis zum Deskriptionsteil zurückblättern und die entsprechenden Zahlenwerte identifizieren. Einige Auswertungen können so nur bedingt nachvollzogen werden.
Positiv hervorzuheben ist dagegen das Fazit des Buches. Es fasst die Ergebnisse des Buches nachvollziehbar und gut strukturiert zusammen und liefert zusätzlich wertvolle Interpretationshilfen. Auch die Limitationen von Eyetracking und Studiendesign werden einer kritischen Würdigung unterzogen.
In etwas verdichteter Form wäre dieses Fazit ein guter wissenschaftlicher Artikel für sich, der dem Gesamtbuch vieles an Fokussierung und Präzisierung voraus hätte und dessen interessanten Ergebnissen zur Wahrnehmung und Wirkung von TV-Spots auch eine breitere wissenschaftliche Rezeption prognostiziert werden könnte.
Links:
- Verlagsinformationen zum Buch
- Webpräsenz von Nathalie Hofer an der Wirtschaftsuniversität Wien
- Webpräsenz von Katharina Lobinger an der Universität Bremen
[…] Natalie Hofer; Viktoria Radler; Katharina Bermoser: Wahrnehmung und Wirkung von TV-Spots […]