Rezensiert von Sabrina Hubbuch
Medienpersonen sind für den kompetenten Mediennutzer Medieninhalte übermittelnde Personen. Doch nicht nur die Übermittlung von Inhalten wird vom Mediennutzer wahrgenommen, sondern auch die Art und Weise wie die Medienperson agiert, wie sie Stellung bezieht und letztlich auch, wie sie den Zuschauer anspricht. Jede Medienperson hat ihre spezielle Wirkung, so dass die Wahl des medialen Formats auch von der Medienfigur abhängig ist. Die Nachrichtensendung wird an den Nachrichtensprecher gebunden, die Quiz-Show verdankt ihre Beliebtheit mehr dem Moderator als dem Konzept. Und Serien-Figuren werden zu Bekannten, mit denen sich der Zuschauer täglich zur selben Zeit “trifft”. Wie Mediennutzer Medienpersonen sehen und welche Rolle diverse Persona- aber auch Rezipientenmerkmale bei der Definition von Lieblingspersonen spielen, ist Inhalt des vorliegenden Bandes.Berit Baeßler setzt sich in ihrer Arbeit mit Medienpersonen als parasoziale Beziehungspartner auseinander und möchte klären, welchen Einfluss “Rezipienten-, Angebots- und insbesondere Personamerkmale bei der auf Personae konzentrierten Medienrezeption” (15) haben. Dazu bietet die Autorin zunächst einen theoretischen Überblick über die Forschung zur parasozialen Interaktion innerhalb der personenorientierten Rezeption, ehe sie auf den Begriff der Persona und das damit in Zusammenhang stehende Modell eingeht. In zwei Schritten untersucht Baeßler dann in einer eigenen Studie, welche medialen Lieblingspersonen Rezipienten haben und wie deren parasoziale Beziehung zu diesen beschaffen ist. Abschließend stellt die Autorin ihr Modell personazentrierter Rezeption zur Diskussion und erläutert dessen Praxisrelevanz.
Zunächst führt Baeßler in den theoretischen Rahmen des Themenkomplexes ein, indem sie das Konzept der parasozialen Interaktion und das Persona-Konzept von Horton und Wohl vorstellt, eine Verortung im kommunikationswissenschaftlichen Forschungskontext versucht und sehr ausführlich einen Überblick über den Forschungsstand zu parasozialen Interaktionen und Beziehungen gibt. Dieser macht jene Lücken deutlich, die die Autorin mit ihrem Forschungsprojekt zu füllen versucht.
Auf dieser Basis entwickelt Baeßler ihr integratives Modell personenzentrierter Rezeption und ermittelt die zu integrierenden Daten durch Leitfadeninterviews. Hier liegt der Fokus auf dem Rezipient als Person und Konsument, auf der Persona als Figur, Persönlichkeit und als Bestandteil der Medien – wobei hier der “volksnahe”, der “intellektuelle”, der “bescheidene” und der “unkonventionelle” Typ (171/172) unterschieden werden konnten – und auf den affektiven, kognitiven und konativen Reaktionen des Rezipienten in Form von Sym- oder Antipathie, Interaktion oder Identifikation, Suche nach Information, Kommunikation, und so weiter.
Auf diese Erkenntnisse aufbauend, schließt die vielschichtige zweite Teilstudie an und fokussiert die parasozialen Beziehungen selbst. Mittels einer Telefonbefragung soll im Kontext verschiedener Persona- aber auch verschiedener Rezipientenmerkmale die Frage geklärt werden, was Medienpersonen zu beliebten Personae (176) macht. Dass die Wahl dieser Forschungsmethode unglücklich war, zeigt sich darin, dass die Stichprobe mit weniger als 500 Befragten nur bedingt aussagekräftig ist. Doch dies räumt die Autorin selbst ein. Auch weist sie auf Verzerrungen bei der Übertragung auf die Gesamtbevölkerung hinsichtlich Bildungsstand und Altersverteilung hin. So muss mit dem auf 71 Seiten sehr detailliert dargestellten Ergebnis vorsichtig umgegangen werden. Die Autorin geht hier auf die Lieblingspersonen in den Medien und auf die Art der parasozialen Beziehung ein. Das Ergebnis zeigt, dass die typische Lieblingsperson ein männlicher Fernsehmoderator ist – tatsächlich wurde Günther Jauch am häufigsten genannt – doch auch Schauspieler, Künstler, Sportler oder Politiker sind potentielle Lieblingspersonen (204/205).
Die Autorin verknüpft diese parasozialen Beziehungen [Abk. PSB] zu den Lieblingspersonen mit quasi-objektiven und zugeschriebenen Personamerkmalen sowie mit Rezipientenmerkmalen. Dabei zeigt sich, dass “das Alter, der Bildungsgrad, das Mediennutzungeausmaß und auch die Häufigkeit der Rezeption der Lieblingsperson […] nur wenig bis keine Erklärungskraft für unterschiedlich ausgeprägte PSB [haben]” (248). Vielmehr sind es “charakter- und rollenbezogene Einflüsse” (249), die die parasoziale Beziehung zu den drei verschiedenen Persona-Typen “Der natürliche Allrounder”, “Der distanzierte Profi” und “Der witzige Provokateur” (267) prägen.
Insgesamt steht die Autorin ihrer sehr sorgfältigen und differenzierten Arbeit reflektiert und durchaus kritisch gegenüber. Sie selbst räumt ein, dass die Anzahl der Befragten die Repräsentativität der Studie einschränkt. Trotzdem liefert die Untersuchung in ihrem Rahmen Antworten und kann so im vagen Raum der Vermutungen bezüglich des Umgangs der Rezipienten mit Medien Klärung verschaffen. Den Nutzen dieser Klärung darin zu sehen, dass Medienpersonen ein Rezept für größere Beliebtheit erhalten, wie Baeßler es in ihren abschließenden Worten formuliert, schmälert meiner Ansicht nach den Wert dieser Arbeit.
Link:
Über das BuchBerit Baeßler: Medienpersonen als parasoziale Beziehungspartner. Ein theoretischer und empirischer Beitrag zu personazentrierter Rezeption. Reihe: Rezeptionsforschung, Band 18. Baden-Baden [Nomos/Edition Reinhard Fischer] 2009, 326 Seiten, 29,- Euro.Empfohlene ZitierweiseBerit Baeßler: Medienpersonen als parasoziale Beziehungspartner. von Hubbuch, Sabrina in rezensionen:kommunikation:medien, 21. September 2011, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/6330