Rezensiert von Matthias Degen
Das Zusammenwirken von Akteuren und Kommunikatoren in der Politik wird in der öffentlichen Wahrnehmung überwiegend mit dem negativ konnotierten Signum des “Lobbyismus” belegt. In der Kommunikationswissenschaft ist die jeweilige Perspektive – aus Sicht des Journalismus oder der Public Relations – zumeist forschungsleitend. Michael Wenzler bemüht sich um eine neutrale Analyse politischer kommunikativer Strukturen. In seiner ursprünglich als Dissertation eingereichten Untersuchung belegt er, dass sich Interaktions- und Kommunikationskulturen in verschiedenen Politikfeldern voneinander unterscheiden. Hierzu wählt er zwei Politikfelder aus, die zunächst keine angenommenen Überschneidungen aufweisen: die Energie- und die Kulturpolitik, begrenzt auf den politischen Raum der Schweiz.Ausgehend von der Policy-Forschung wählt Wenzler drei theoretische Ansätze, um das Mit- und Gegeneinander der Teilhaber öffentlicher Kommunikation zu erklären: Zunächst wendet er in Abgrenzung systemtheoretischen Verständnisses den Interpenetrationsansatz Richard Münchs an, der Interdependenzen zwischen gesellschaftlichen Teilsystemen benennt und von deren zunehmender Durchdringung ausgeht. Die Interaktionen betrachtet er allerdings nicht nur auf der Makro-Ebene, sondern auch zwischen Akteuren auf der Mikro-Ebene. Policy-Netzwerke prüft Wenzler mittels des handlungstheoretischen Advocacy-Koalitionsansatzes. Den Bezug zur öffentlichen Kommunikation stellt er schließlich mit einer abgewandelten Konflikttheorie her, die die Frage des Effektes und damit der Publikumsreaktion einbezieht.
Zur Untersuchung der abgegrenzten Politikfelder Energie und Kultur identifizierte Wenzler insgesamt 108 Akteure aus Konflikten energie- und kulturpolitischer Entscheidungsprozesse, mit 48 Akteuren führte er Leitfrageninterviews. Sie rekrutierten sich aus den Bereichen Politik/Verwaltung, Lobbyismus, PR sowie Journalismus.
Wie zu erwarten, grenzen sich die kommunikativen Vorgehensweisen der Akteure in den beiden Politikfeldern deutlich voneinander ab. Dies liegt, wie Wenzler einräumt, an der Struktur der Politikbereiche genauso wie an deren gesellschaftlicher Relevanz. Fragen der persönlichen Betroffenheit, der Kontinuität und des daraus folgenden Organisationsgrads der Akteure sind fundamental unterschiedlich. Die Energiepolitik ist geprägt von ökonomischem Potenzial und entsprechenden Begehrlichkeiten. Der Organisations- und Professionalisierungsgrad politischer Kommunikation ist demzufolge auch bei den Akteuren der Energiepolitik deutlich höher als bei der in sich bedingungslosen, stärker kommunalisierteren und individualisierteren Kulturpolitik. Das Ergebnis der Untersuchung birgt somit keine Überraschungen. Michael Wenzler hat die Abgrenzung der Politikfelder auch in kommunikationspolitischem Zusammenhang nachweisen können. Sein Verdienst ist vielmehr, die jeweiligen Netzwerkprozesse heraus zu arbeiten, die nach Art und Qualität der Kontakte zu gliedern sind und nach bestimmten Regeln funktionieren. Solche Regeln beziehen sich meist auf das Verhältnis von Akteuren zu Journalisten, aber auch innerhalb der kommunikativen Systeme sind sie teilweise gültig. Hierbei beschreibt Wenzler den Grad der Vertraulichkeit, Transparenz oder Respekt auf persönlicher Ebene wie vor der Autonomie des Interaktionspartners.
Die Analyse der Kommunikations- und Interaktionsprozesse unterteilt Wenzler im weiteren Interpretationsteil in Strategien, Handlungsrestriktionen der Akteure, Beziehungsqualität der Akteure und Koalitionen zwischen Akteuren.
Wenzler regt selbst fortführende Inhaltsanalysen an, die seine teils einstellungsbezogenen Ergebnisse aus Akteurssicht auf eine breitere Basis stellen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine inhaltsanalytische Perspektive dieser Arbeit nicht sinnvoll vorangestellt wäre. Ein weniger generalistischer, aber stärker eingegrenzter Ansatz birgt die Chance größerer Aussagenschärfe und die Möglichkeit der Konfrontation. Vorliegend bestätigen sich Teilergebnisse und Annahmen, die an die Politikwissenschaft angelehnt sind. Inwiefern darüber hinaus trotz des Titels Journalisten und Eliten manche Journalisten selbst zu Akteuren und damit Eliten werden, bleibt weitgehend unbeachtet.
Die Untersuchung ist für Akteure der benannten Politikfelder von Interesse, genauso für dort tätige Journalisten, die Einsicht gewinnen möchten in Funktionsweisen und Selbstverständnis politischer Akteure.
Insgesamt aber ist Michael Wenzler ein fundierter und angesichts der Breite des Gegenstands erhellender Blick auf die Prozesse der öffentlichen Kommunikation in zwei diametral unterschiedlichen Politikfeldern gelungen. Zumindest gültig für die Schweiz.
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