Rezensiert von Werner J. Patzelt


Methodisch ist an dieser Arbeit kaum etwas auszusetzen. Schön wäre eine ausdrückliche Reflexion zur Validität der erhobenen Daten gewesen (zum Beispiel anhand der Frage: Wer füllt Online-Fragebögen wirklich aus?), desgleichen eine Erläuterung, warum – wie bei Tabelle 18 – Zusammenhänge zwischen ordinalskalierten Daten durch chi²-basierte Maßzahlen ausgedrückt werden oder warum – wie in Tabelle 19 – ein- und zweiseitige Signifikanzniveaus ganz ohne Aussagen darüber angegeben werden, was die Vermutung wohl inhaltlich bedeuten mag, eine Abweichung vom Kennwert der Nullhypothese sei nur in eine Richtung oder gleich in zwei Richtungen unwahrscheinlich. Auch fragt man sich, ob es denn keinerlei – und sei es explorativen – Anlass für multivariate Analysen gegeben habe. Doch das alles fällt nicht wirklich ins Gewicht.
Ausschlaggebend für das Urteil über diesen Band ist vielmehr der Reichtum und Nutzen des in ihm präsentierten Materials. Es wird in drei Kapiteln aufbereitet. “Formen und Eigenschaften der Interaktion mit Journalisten” (80-97) berichtet von der Häufigkeit von Kontakten zwischen Landtagsabgeordneten und Journalisten, von ihrer Intensität und Vertrautheit sowie von ihrer Zielorientierung und ihrem Nutzen. “Die Wirkung der Medien aus Sicht der MdL” (98-115) informiert über die Wirkung der Medienberichterstattung auf die Abgeordneten selbst sowie über deren Einschätzung von entsprechenden Wirkungen auf andere. “Die Bewertung der Medien durch die Abgeordneten” (116-131) bringt schließlich Urteile der Abgeordneten einesteils zur Medienberichterstattung selbst, andernteils zur Stellung der Medien im politischen Prozess. Die präsentierten Befunde – übersichtlich noch einmal auf den Seiten 132 bis 148 zusammengefasst – schreiben weitgehend schon Bekanntes fort oder differenzieren es aus, vermehren also unseren vor 20 Jahren noch recht dürftigen systematischen Wissensstand über diese wichtige Schnittstelle unseres politischen Systems. Doch insgesamt entsteht ein durchaus neu akzentuiertes Gesamtbild: “Vertrautheit ohne Vertrauen, kritische Distanz statt symbiotischer Nähe, Instrumentalisierung trotz gefühlter Abhängigkeit” (148) – so lässt sich das Ergebnis einleuchtend zusammenfassen.
Im Übrigen ist dieser Band eine typische Qualifikationsarbeit. Dies zeigt sich daran, dass mit einiger Liebe zum Detail auch noch die größeren systematischen Zusammenhänge des eigentlichen Themas ausgeleuchtet werden. Da findet sich ein instruktives, das Wesentliche auch für Lehrzwecke schön zusammenfassendes Kapitel über “Die Systeme Politik und Medien und ihre Akteure” (13-39), wo zum einen die unterschiedlichen Ausdeutungsmöglichkeiten des Verhältnisses zwischen Politikern und Journalisten, zum anderen die Interaktionsmodi und Konfliktpotenziale im ‘Handlungssystem aus Politikern und Journalisten’ abgehandelt werden. Da findet sich ein nicht minder nützliches Kapitel über die “Bedingungen der Interaktion [zwischen Abgeordneten und Journalisten] auf Landesebene” (40-62), wo die Medienlandschaft der Bundesländer, die für parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit wichtigen Merkmale ihrer politischen Systeme sowie ganz allgemein die Züge (landes-)politischer Medienberichterstattung erörtert werden.
Für Letzteres hätte es zwar den vorliegenden Band nicht gebraucht. Doch dieses Material ergänzt aufs Beste seinen wertvollen empirischen Ertrag. Wir hätten gerne mehr Magisterarbeiten dieser Art.
Links:
Über das BuchDorothea Marx: Landtagsabgeordnete im Fokus der Medien. Ihre Sicht auf Entstehung, Wirkung und Qualität landespolitischer Berichterstattung. Reihe: Medien Skripten, Band 54. Baden-Baden [Nomos/Edition Reinhard Fischer] 2009, 206 Seiten, 22,– Euro.Empfohlene ZitierweiseDorothea Marx: Landtagsabgeordnete im Fokus der Medien. von Patzelt, Werner J. in rezensionen:kommunikation:medien, 5. Oktober 2009, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/557