GamesCoop: Theorien des Computerspiels

Einzelrezension
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Rezensiert von Stefan Höltgen

Einzelrezension
Das Feld der Game Studies wächst nicht allein mit der Anzahl der Akademiker, die selbst gespielt haben und immer noch spielen – mithin also zur Generation derjenigen zählen, die an dieser Kulturpraxis überhaupt erst teilhaben konnten und heute 45 Jahre oder jünger sind. Nein, es mischen sich wie bei allen Cultural-Studies-Themenfeldern auch andere Disziplinen ein, die den Gegenstand Computerspiel von ihrer je eigenen Warte aus betrachten und ihn mit den je eigenen Methoden analysieren. Ein Überblick über die Theorien des Computerspiels erscheint somit aufgrund der Heterogenität und Menge an Ansätzen ein gewagtes Unterfangen. Der Versuch, darüber einen Überblick zu verschaffen, hätte notwendigerweise den Ruch einer Kanonisierung.

Vielleicht ist der Titel der jetzt im Junius-Verlag erschienenen Theorien des Computerspiels zur Einführung auch deshalb zweideutig, weil es eben nicht um ‘die’, sondern um ‘einige’ Theorien geht, die darin vorgestellt werden. Die Autoren des Bandes, die sich zu einem Kollektiv namens GamesCoop zusammengeschlossen haben, unternehmen in sechs Kapiteln ebenso viele Versuche, darin das Feld der Game Studies zu parzellieren und vier weithin bearbeitete Methoden/Perspektive zum Computerspiel zu umschreiben. Während sich die ersten vier Kapitel mit den Genrekonzepten, der Steuerung, den Involvierungsstrategien und den Handlungstheorien beschäftigen, betreten die beiden Schlusskapitel quasi Neuland: “Das Computerspiel als Bildmedium” ist ein bislang noch kaum beachteter Aspekt innerhalb der Game Studies; die “Störungen des Computerspielens” sind sogar noch gar keiner systematischen Betrachtung unterzogen worden. Mit der Inkorporation dieser beiden Perspektiven/Kapitel verlässt dieser Band zum ersten Mal das Genre der bloßen “Einführung” und leistet selbst einen nicht unwichtigen Beitrag zur theoretischen Erfassung neuer Aspekte.

Ein Blick auf den von Philip Bojahr beigesteuerten Teil zur “Störung” zeigt dann auch gleich den Gewinn für das Thema Computerspieltheorie: Störungen treten auf allen Ebenen des Spiels und des Spielens auf, haben die unterschiedlichsten extrinsischen und intrinsischen Ursachen und setzen nicht bloß destruktives Potenzial (Spielabbruch, Frustration, …), sondern auch einen konstruktiven und einen seiner Unbewusstheit enthobenen Zugang zum Medium frei! Bojahr untersucht an konkreten Beispielen auftauchende Störfälle und Phänomene wie “Easter Eggs”, die die Immersion intendiert aufbrechen, um den Spieler auf sein Tun hinzuweisen, ebenso wie Emanzipationsbewegungen des Spielers, der als Cracker und Hacker den Spielcode manipuliert.

Diesem Beispiel an einer originellen und teilweise technisch motivierten Auseinandersetzung stehen die vier Kapitel zu tradierten Methoden tatsächlich zunächst einführend und zusammenfassend gegenüber – allerdings auch mit je unterschiedlicher Stilistik und Akribie! Führt Britta Neizels Abhandlung über Involvierungsästhetiken und -techniken ihre langjährige Arbeit auf diesem Gebiet deutlich vor Augen, zeigt sich im Gegensatz dazu etwa in Timo Schemer-Reinhards Kapitel zur Spielsteuerung, dass – anders als oben insinuiert – das Computerspiel dort, wo es als technisches Artefakt wahrgenommen wird, auch eine technische, das heißt: exakte, Beschreibung erforderlich macht. In dieser wären jedoch Sätze wie: “In rein technischer Hinsicht ist jeder Computer mehr oder weniger gleich” (40) in rein technischer Hinsicht ebenso falsch wie die Behauptung, dass “Spielkonsolen Betriebssysteme” (ebd.) sind. Dass der Autor an dieser Stelle und bei diesem Thema auf Technikmetaphorik zurückgreift, bietet allerdings Anlass dazu, einmal mehr über den epistemologischen und methodologischen Kern der Sache “Computerspieltheorie” selbst nachzudenken. Denn eigentlich bedarf eine Auseinandersetzung mit den User-Interfaces exakter Definitionen, damit sich die Potenziale der bislang von den Game Studies noch eher ‘weiträumig umfahrenen’ Disziplinen Informatik, Elektrotechnik und Mathematik in den Diskurs der Computerspieltheorie gewinnbringend integrieren lassen. Aber mit wie viel Aufwand wird diese Integration von den Medien- und Kulturwissenschaften wirklich betrieben?

Aber auch hieran sieht man, dass die Theorien des Computerspiels zur Einführung eben vor allem keine ‘festgeschriebene’ Einführung sind, sondern ein Diskurs- und Diskussionsbeitrag. Der auf dem Gebiet belesene Rezipient täte also gut daran, sich weder von der Reihe noch vom Untertitel Einführung von (s)einer Auseinandersetzung mit dem Band abhalten zu lassen. Junius-Einführungen, das hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, tragen ihren Namen nicht selten zu Unrecht und dies nicht selten zum Glück.

Links:

Über das BuchGamesCoop: Theorien des Computerspiels. Zur Einführung. Hamburg [Junius Verlag] 2012, 212 Seiten, 14,90 Euro.Empfohlene ZitierweiseGamesCoop: Theorien des Computerspiels. in rezensionen:kommunikation:medien, 23. Januar 2013, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/11384
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