Andreas Graf von Bernstorff: Einführung in das Campaigning

Einzelrezension
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Rezensiert von Ralf Spiller

Einzelrezension
Bücher zur Planung und Durchführung von Kampagnen gibt es eine ganze Menge, jedoch nur wenige die sich speziell oder im Schwerpunkt mit NGO-Kampagnen beschäftigen. Ein schmaler Band, erschienen im Carl-Auer-Verlag, nimmt sich nun in kompakter Form auf knapp 120 Seiten diesem Schwerpunkt an.

Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert. Das erste handelt vom Handwerk des Campaignings. Dabei werden anhand von Beispielen wichtige Elemente und Handlungsfiguren der Kampagnenführung dargestellt. Die kurz skizzierten Kampagnen, illustriert mit einigen aufschlussreichen Fotos, stammen aus der deutschen Umweltbewegung oder – noch genauer – aus der eigenen Kampagnenarbeit des Autors für die Umweltschutzorganisation Greenpeace.

Das Kapitel geht insbesondere auf die “symbolische Konfrontation” ein, also die Inszenierung von starken Bildern. Dabei betont der Autor im Kontext von Greenpeace-Kampagnen: “Eine Aktion ohne Kommunikation ist keine Aktion” (16) und Kampagnen seien “öffentliche Konfliktinszenierungen” (17). Kampagnenmacher täten gut daran, positive und negative Schlüsselbegriffe bzw. Slogans zu prägen, um ihr Ziel zu avisieren und den öffentlichen Diskurs zu steuern (36).

Das zweite Kapitel beschreibt wesentliche Planungsaspekte bei Kampagnen. Dabei geht der Autor unter anderem auf Kampagnenziele, Zeitrahmen, Timing, Ressourcen, Bezugsgruppen und die Stakeholderanalyse ein. Er betont die Bedeutung von Erfolgskontrolle und Nutzenbewertung bei Kampagnen. Zudem stellt er eine Typologie von Kampagnenarten vor (56). Eine präzise Planung sei unumgänglich, betont Graf von Bernstorff, doch gleichzeitig müsse die Notwendigkeit der spontanen, flexiblen Reaktion auf sich schnell ändernde Umstände erhalten bleiben.

Das dritte Kapitel wird als “Theorieteil” vom Autor im Vorwort angekündigt. Es ist von Fritz B. Simon geschrieben, der darin zunächst wichtige Begriffe wie Subversion, Revolution und Kampagne von einander abgrenzt und anschließend ein Modell zu Greenpeace-Kampagnen aufstellt, das aus den vier Elementen Campaigner, Sünder, Zielsystem und Publikum besteht (98).

Simons Ausführungen sind in einen systemtheoretischen Kontext (vgl. Luhmann 1984; 1997) eingebettet. Er führt aus, dass aus systemischer Sicht Kampagnen immer Interventionen in Kommunikationssysteme seien. Sie müssten daher anschlussfähig sein, also den Erwartungen der Kommunikationsteilnehmer entsprechen, um nicht sofort disqualifiziert zu werden (91). Dabei seien Interventionen am wirkungsvollsten, wenn sie hohen Symbolwert besitzen und Anschluss an vorhandene narrative Muster innerhalb der jeweiligen Kultur finden (97).

Im vierten Kapitel werden an einem Praxisbeispiel an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik – Humanpharmarückstände im Wasser – exemplarisch die Kommunikationsprozesse beim Campaigning durchgespielt. Dabei geht Graf von Bernstorff auf die möglichen Lösungsansätze, die Kommunikationsplanung, wesentliche Schlüsselakteure, Situationspotenziale und direktive Risikokommunikation ein.

Der fünfte und letzte Teil des Buches ist ein äußerst kurzer Abschnitt (110-114) zum chinesischen Strategiedenken, das nach Ansicht des Autors dem modernen Campaigning verblüffend ähnlich ist. Der Autor zeigt in Form einer Metapher, wie sich das kontextuelle chinesische Denken vom linearen europäischen und angloamerikanischen unterscheidet: “Man kann nichts erzwingen. Der dumme Bauer zieht an den Halmen des Hafers, um das Wachstum zu beschleunigen, der kluge wässert, schützt und pflegt die Pflanze. Er begünstigt, wandelt die Situation, fasst die Pflanze aber nicht an.” (111)

Fazit: Das Buch ist eine kompakte Einführung in das Campaigning. Im Fokus stehen Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen, insbesondere Greenpeace. Kampagnen anderer Akteure wie Unternehmen oder öffentlicher Einrichtungen werden nur ganz am Rande behandelt. Das Buch wird seinem Anspruch gerecht, das Thema kurz zu behandeln und dabei doch die wichtigsten Aspekte anzusprechen. Durch die Beispiele und Fotos ist es anschaulich und angenehm zu lesen. Durch das Kapitel von Fritz B. Simon wird das Thema zudem aus einer Makroperspektive betrachtet, die praktischen Ausführungen werden so um eine theoretische Perspektive erweitert. Das letzte Kapitel zum chinesischen Strategiedenken ist zu kurz geraten. Hier wären weitere Ausführungen mit einigen Beispielen wünschenswert gewesen.

Als Alternative seien zwei Bücher empfohlen: Zum einen das auf die Kampagnenpraxis ausgerichtete Buch von Buchner, Friedrich & Kunkel. Auch diese drei Autoren schöpfen aus ihrer eigenen Kampagnentätigkeit, dabei ist ihr Werk jedoch wesentlich umfangreicher und detaillierter als der kurze Band von Bernstorff. Zum anderen ist die wissenschaftliche Studie von Baringhorst et al. zu erwähnen, die systematisch 109 NGO-Kampagnen multimethodisch empirisch analysiert und zahlreiche relevante Muster und Praktiken herausgearbeitet haben.

Literatur:

  • Buchner, Michael; Friedrich, Fabian; Kunkel, Dino (Hrsg.): Zielkampagnen für NGO: Strategische Kommunikation und Kampagnenmanagement im Dritten Sektor. Wien, Münster [Lit Verlag] 2005
  • Baringhorst, Sigrid; Kneip, Veronika; März, Annegret; Niesyto, Johanna: Unternehmenskritische Kampagnen: Politischer Protest im Zeichen digitaler Kommunikation. Wiesbaden [VS Verlag] 2010
  • Luhmann, Niklas: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt/M. [Suhrkamp] 1984
  • Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt/M. [Suhrkamp] 1997

Links:

Über das BuchAndreas Graf von Bernstorff: Einführung in das Campaigning. Heidelberg [Carl Auer Verlag] 2012, 120 Seiten, 13,95 €Empfohlene ZitierweiseAndreas Graf von Bernstorff: Einführung in das Campaigning. von Spiller, Ralf in rezensionen:kommunikation:medien, 28. Januar 2013, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/11500
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