Wiebke Loosen, Armin Scholl (Hrsg.): Methodenkombinationen in der Kommunikationswissenschaft

Einzelrezension
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Rezensiert von Pascal Tanner

Einzelrezension
Mit dem Sammelband Methoden-kombinationen in der Kommunikations-wissenschaft. Methodologische Herausforderungen und empirische Praxis liegt im wahrsten Sinne des Wortes eine Sammlung vor. Alle zwanzig Beiträge sind der Frage gewidmet: Wie und mit welchem Gewinn lassen sich unterschiedliche Methoden miteinander in einer Untersuchung kombinieren? Im Folgenden soll zunächst gezeigt werden, was diesen Sammelband relevant macht, um anschließend einige Beiträge näher zu besprechen.

Die Kommunikationswissenschaft ist keine eigenständige Forschungsdisziplin, auch lässt sie sich nicht als Teildisziplin verstehen. Sie ist weder Sozialwissenschaft, noch Psychologie, noch Linguistik oder Germanistik. Dort, wo sie die Wirkung von Medien beforscht, steht sie der Psychologie nahe, dort, wo wie sich für die Öffentlichkeit interessiert, berührt sie die Soziologie und wenn sie sich beispielsweise fürs Schreiben der Journalisten interessiert, geht sie ethnographisch vor. Bei der Kommunikationswissenschaft handelt es sich vielmehr um ein Forschungsprogramm. Zentraler Orientierungspunkt ist der Kommunikationsbegriff, dieser liegt aber gewissermaßen quer zu mehreren Disziplinen.

Aus diesem Umstand ergibt sich die Tatsache, dass die Kommunikationswissenschaft keine ihr eigenen Methoden hervorbringen kann oder zumindest nicht hervorgebracht hat – mit Ausnahme der Inhaltsanalyse (vgl. 17). Das Mäandrieren zwischen verschiedenen Disziplinen bringt es mit sich, dass unterschiedliche methodische Ansätze und deren methodologische Grundannahmen aufeinandertreffen. Damit ist die Kommunikationsforschung geradezu prädestiniert, um sich die Frage zu stellen: Wie lassen sich unterschiedliche Methoden kombinieren?

Der Band lässt sich in zwei Hauptteile gliedern. Der erste umfasst drei Aufsätze, die eben jenen methodischen und methodologischen Grundüberlegungen gewidmet sind. Im zweiten Teil stellen Autoren aus verschiedenen Feldern konkrete Untersuchungen vor und dabei die Frage nach der Kombination von Methoden ins Zentrum.

Im ersten Teil eröffnen Loosen/Scholl (vgl.  9ff.) mit “Grundfragen der Methodenkombination”, wobei das Kombinieren sehr weit gefasst wird. Anschließend greifen Baumann/Scherer (vgl. 26ff.) die Differenz zwischen qualitativ und quantitativ angelegten Untersuchungen auf und plädieren für eine Kombination der beiden epistemologisch unterschiedlichen Positionen unter einem pragmatischen Gesichtspunkt. Kurz: Man solle seine Aufmerksamkeit auf den Gegenstand und nicht auf methodologische Fragen richten. Als Ankerpunkt solle dabei das Erkenntnisinteresse der Kommunikationsforschung – Kommunikationsprozesse als Vermittlung von Bedeutung (vgl. 29) – dienen.

Zum Ende des ersten Teils stellen Christmann/Jandura (50ff.) den möglichen Nutzen einer Methodenkombination anhand eines konkreten Designs vor. Werden mehrere Methoden eingesetzt, so die Autoren, sollte dies nicht in einem kumulativen Sinne geschehen – mehr ist nicht automatisch besser – sondern eine Methoden-kombination sollte “mit dem Ziel eingesetzt werden, Divergenzen aufzuspüren” (63). Insgesamt überzeugt der erste Teil des Bandes dort, wo die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten systematisiert (vgl. u. a. 55) und diskutiert werden. Dabei gilt das Hauptinteresse aller Autoren der Art und Weise, wie sich kombinieren lässt.

Im zweiten Teil werden insgesamt siebzehn unterschiedliche Untersuchungen oder Ansätze vorgestellt. Die Kombination umfasst Inhaltsanalysen, Befragungen, Beobachtungen, Experimentaldesigns und viele weitere Vorgehensweisen, die jeweils qualitativ oder quantitativ und in Kombination mit mindestens einem anderen Ansatz angewandt werden. Da nicht auf alle Beiträge einzeln eingegangen werden kann, sollen an dieser Stelle drei in meinen Augen bemerkenswerte herausgegriffen werden.

Maurer (89ff.) diskutiert mit Blick auf die Medienwirkungsforschung den Einsatz der Befragung in Kombination mit einem inhalts-analytischen Vorgehen. Auf Individualebene eingesetzt, eigne sich diese Kombination wie keine zweite, um eine Kausalbeziehung zwischen Medieninhalt und –wirkung herstellen zu können. Quiring/Leiner (152ff.) stellen ihre Form der Kombination von Befragungen vor. Anhand mehrerer, teils qualitativen, teils quantitativen Befragungen konstruieren sie eine Skala zur Messung der wahrgenommenen Interaktivität von Medien. Interessant ist dieses Vorgehen in zweierlei Hinsicht: Einerseits liegt hier keine Kombination von lediglich zwei Erhebungen zu tun. Es wurden viele kleinere und größere Befragungen durchgeführt. Andererseits zeigen die Autoren einen Weg auf, wie ein Umgang mit den höheren Kosten gefunden werden kann, die durch eine Methodenkombination zwangsläufig anfallen. Sie nutzen das Internet als Quelle für Befragungsdaten. Haas/Scheufele (263ff.) greifen in ihrem Beitrag die Frage auf, wie sich Untersuchungen mit Fremddaten kombinieren lassen. Nicht nur amtliche Statistiken – falls greifbar –, sondern auch die zunehmende Anzahl an sozialwissenschaftlichen Datensätzen eignen sich für weiterführende Analysen unter kommunikations-wissenschaftlichen Gesichtspunkten. Auch auf diese Weise ließe sich der nötige finanzielle Mehraufwand durch Mehrmethodenkombination abfedern.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Loosen/Scholl geben mit ihrem Sammelband ein Panoptikum von denkbaren Methodenkombinationen für die Kommunikationswissenschaft heraus. Der Titel bündelt verschiedenste Ansätze. Dies ermöglicht es dem Leser, sich schnell mit unterschiedlichen Kombinationsweisen vertraut zu machen und informiert zugleich über die damit verbundenen Herausforderungen – eine gelungene Sammlung also.

Gleichzeitig handelt es sich in gewisser Weise jedoch eher um eine Ansammlung derselben Ansätze denn um eine Sammlung von Ansätzen: Zum Einstieg von fast allen Texten werden grundlegende Fragen der Methodenkombination wiederkehrend und in sehr ähnlicher Weise diskutiert. Die Argumente und Quellenbezüge wiederholen sich. Hier hätte etwas mehr Varianz dem Lesevergnügen nicht geschadet.

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Über das BuchWiebke Loosen; Armin Scholl (Hrsg.): Methodenkombinationen in der Kommunikationswissenschaft. Methodologische Herausforderungen und empirische Praxis. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2012, 400 Seiten, 28,- Euro.Empfohlene ZitierweiseWiebke Loosen, Armin Scholl (Hrsg.): Methodenkombinationen in der Kommunikationswissenschaft. von Tanner, Pascal in rezensionen:kommunikation:medien, 14. Dezember 2012, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/10858
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