Sonja Ganguin, Dorothee Meister (Hrsg.): Digital native oder digital naiv?

Einzelrezension
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Rezensiert von Petra Grell

Einzelrezension
Generationsübergreifende Medienarbeit und der Dialog der Generationen über Medien sind aufstrebende Themen der Medienpädagogik. Der von Ganguin und Meister herausgegebene Sammelband knüpft an Beiträge an, die im Rahmen des GMK-Forums Kommunikationskultur präsentiert wurden. Anders als im Haupttitel formuliert, so gilt es zunächst zu markieren, widmen sich die Beiträge keineswegs ausschließlich digitalen Medien, und auch die “digital natives” stehen nicht im Mittelpunkt aller Beiträge. Geboten wird jedoch eine anregende Mischung unterschiedlicher Beiträge, die sich, wie die Herausgeberinnen formulieren, “um das Thema Generationen, Altersspezifik und die Nutzung von Medien ranken” (12). Fünfzehn Beiträge sind drei Hauptabschnitten zugeordnet: (1) Theoretische Annäherungen, (2) Empirische Zugänge, (3.) Best-Practice-Beispiele.

In den fünf Beiträgen der theoretischen Annäherungen akzentuieren Michael Jäckel, Burkhardt Schäffer, Lothar Mikos, Franz Josef Röll und Klaus-Jürgen Buchholz mit Helmut Volpers mit durchaus unterschiedlichen Schwerpunkten die Thematisierung von Mediengenerationen. Schäffer beleuchtet in seinem Beitrag kritisch die oftmals “essayistischen Generationenkonzepte”, räumt mit einigen Missverständnissen auf und erläutert sein – nicht nur theoretisch sondern auch empirisch unterlegtes – Konzept generationenspezifischer Medienpraxiskulturen. Medienpraxiskulturen, so Schäffer, bildeten sich in einer komplexen Gemengelage aus Technikentwicklung, (Bildungs-)Milieu, Geschlechts- und Generationenzugehörigkeit.

Im Anschluss an die theoretische Klärung weist Schäffer auf ein Problem mit sogenannten intergenerativen Veranstaltungen hin: Durch eine solche Rahmung würden die Personen unmittelbar mit altersstereotypen Zuschreibungen belegt, welche die Potenziale medienpädagogischer Arbeit durchaus belasteten. Mikos verdeutlicht in seinem Beitrag wie Mediennutzung und Biografie ineinander verwoben sind und wie unterschiedliche (Medien-)Generationen andere Zugänge zur Welt und Wirklichkeit entwickelt hätten. Diese Unterschiede sollten bei der Konzeption von Medienforschung und Medienbildung berücksichtigt werden, folgert er.

Empirische Zugänge werden von Maya Götz, Nicole Gonser, Anja Hartung sowie Anna-Maria Kamin zusammen mit den beiden Herausgeberinnen vorgestellt. Maya Götz präsentiert Ergebnisse ihrer Untersuchung zu “Fantasien und Fernsehen im Generationenvergleich”, die sich großen Tagträumen und den darin enthaltenen Medienspuren widmen. Kamin, Meister und Ganguin beleuchten mediale Lerngewohnheiten älterer Berufstätiger. Anja Hartung thematisiert intergenerationale medienpädagogische Praxis und markiert mit klaren theoretischen Bezügen Voraussetzungen, damit sich innerhalb dieser Bildungsprozesse vollziehen können.

Im dritten Teil des Buches werden fünf Best-Practice-Beispiele vorgestellt, davon widmen sich zwei intergenerationale Projekte interessanterweise Computerspielen. Die Beiträge sind intensiver mit Bildmaterial ergänzt. Konzeptionelle Darstellungen und erfahrungsbezogen Schilderungen geben einen lebendigen Einblick in die Herausforderungen, die mit intergenerationalen medienpädagogischen Projekten verbunden sind.

Das interessante und gelegentlich auch irritierende an Sammelbänden ist, dass sie oftmals eine breitgestreute Mischung von Beiträgen anbieten. Auch in diesem Band ranken sich einige Artikel eher locker um das Themenfeld “Medienpädagogik und Generationen”, sie sind aber durch die Zuteilung zu drei Bereichen “theoretische Annäherung – empirische Zugänge – Best-Praxis” erkennbar einzuordnen. Die Vielfalt der Zugänge zum Thema generationenübergreifende Medienpädagogik kann durchaus als Bereicherung erfahren werden, sofern man bereit ist, sich von dem Zwang eines stringenten roten Fadens zu befreien und sich auf einen verschlungenen Erkundungspfad begeben mag. Nicht jede Leserin oder jeder Leser wird von allen Aufsätzen gleichermaßen angesprochen sein. Als Wissenschaftlerin wäre ich insbesondere im Bereich der theoretischen Annäherungen, aber teils auch im Bereich der empirischen Zugänge neugierig gewesen auf etwas ausführlichere Beiträge, mit denen es möglich gewesen wäre, die Positionen differenzierter zu entfalten oder die empirischen Ergebnisse der Studien umfassender darzustellen. Manche Beiträge wirken wie “Appetizer”, die Lust auf mehr Informationen machen.

Zusammenfassend erscheint mir der Sammelband ausgesprochen nützlich, um sich in knapper Form einen Einblick in die aktuelle medienpädagogische Diskussion um intergenerative oder generationenübergreifende Medienarbeit zu erarbeiten. Anmerken möchte ich, dass das im Haupttitel geführte Schlagwort “digital native” in die Irre führt. Zur Ausgestaltung einer “Medienpädagogik der Generationen” werden Hintergründe, empirische Erkenntnisse und konzeptionelle Überlegungen vorgestellt und diskutiert. Für Medienpädagoginnen und Medienpädagogen mit einem Interesse an der fruchtbaren Verbindung von Theorie, Forschung und Praxis bietet es viele interessante Anregungen.

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Über das BuchSonja Ganguin; Dorothee Meister (Hrsg.): Digital native oder digital naiv? Medienpädagogik der Generationen. Reihe: Schriften zur Medienpädagogik, Band 45. München [kopaed] 2012, 230 Seiten, 16,- Euro.Empfohlene ZitierweiseSonja Ganguin, Dorothee Meister (Hrsg.): Digital native oder digital naiv?. von Grell, Petra in rezensionen:kommunikation:medien, 1. Dezember 2012, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/10640
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