“Journalismus als Beruf – im Wandel”: Pre-Conference der 56. DG PuK-Jahrestagung

7162 Aufrufe

von Gesa Schölgens

Der Journalistenberuf befindet sich in einer Phase grundlegenden Wandels. Eine Ursache dafür ist der digitale Medienumbruch, mit dem sinkende Auflagen und schrumpfende Anzeigenerlöse bei Printmedien einhergehen. Medienexperten befürchten eine zunehmende Deprofessionalisierung des Journalismus, Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg verkündete bereits im vergangenen Jahr: “Das Jahrhundert des Journalismus ist vorbei”. Doch was bedeuten der Medienumbruch und die Krise der Printmedien für den Beruf des Journalisten? Die Pre-Conference der diesjährigen DG PuK-Jahrestagung hat sich mit dieser Frage näher befasst. In ihren Vorträgen suchten Prof. Dr. Horst Pöttker (TU Dortmund), Dr. Thomas Birkner (WWU Münster), Prof. Dr. Susanne Kinnebrock (RWTH Aachen) und Prof. Dr. Frank Bösch (Universität Gießen) nach Antworten. Veranstaltet wurde die Tagung vom Verein zur Förderung der Zeitungsforschung in Dortmund., moderiert von Prof. Dr. Hans Bohrmann.

“Was war, was kommt, was bleibt? Zur Zukunft des Journalismus nach der digitalen Revolution” lautete der Titel des Impulsreferats von Horst Pöttker. Der Journalistik-Professor und Soziologe blickt trotz Printmedien-Krise optimistisch in die Zukunft: “Der Journalismus wird die Krise überstehen, weil er sich einem fundamentalen Bedarf an Öffentlichkeit als Vorrausetzung gesellschaftlicher Selbstregulierung verdankt, den keine Medienentwicklung zum Verschwinden bringt.” Allerdings werde sich der Journalismus ändern und sein Professionalitätskonzept neuen Bedingungen anpassen müssen. Seine Funktion, dem Publikum Neuigkeiten zu vermitteln, gehe in der digitalen Medienwelt zurück. “Stattdessen”, so Pöttker, “wird die bisher sekundäre Orientierungsfunktion des Journalismus wichtiger werden.”

Revision des journalistischen Selbstverständnisses

Das traditionelle Selbstverständnis von Journalisten als unbeteiligte Beobachter von Ereignissen bedürfe einer Revision: “Es geht darum, den Journalimus als nolens volens immer beteiligten Faktor des Geschehens zu begreifen, über das berichtet wird. Anzustrebende journalistische Unabhängigkeit sollte nicht mehr mit Unbeteiligtsein gleichgesetzt werden”, sagte Pöttker. Im Wegbrechen von Anzeigeneinnahmen bei der Presse sieht der Medienwissenschaftler auch Chancen: “Für Journalisten besteht der Vorteil darin, dass sie sich weniger mit Erwartungen von Werbekunden auseinandersetzen müssen und sich besser auf die publizistische Qualität ihrer Produkte konzentrieren können.” Um bisher vernachlässigte Publikumssegmente wie ethnische Minderheiten besser erreichen zu können, sei eine Flexibilisierung traditioneller Professionalitätskriterien angezeigt: Dies bedeute die konsequente Orientierung an der Öffentlichkeitsaufgabe unter kulturell und historisch veränderten Bedingungen, und nicht, aus Standards wie der perfekten Sprachbeherrschung oder den Trennungsgeboten allgemeingültige Prinzipien zu machen.

Mit den positiven und problematischen Aspekten der Beziehung zwischen Medien und Wirtschaft beschäftigte sich der Vortrag von Thomas Birkner, Titel: “Hundert Jahre Zweisamkeit – Medien und Wirtschaft – die historische Formierung des finanziellen Fundaments für Journalismus und seine aktuelle Deformierung”. Birkner plädiert für das Beibehalten der Koexistenz von Anzeigengeschäft und Journalismus – und damit einer Unabhängigkeit des Journalismus vom Staat. In seinem Vortrag beschrieb der Medienwissenschaftler, wie die Zeitungen in drei Phasen (Genese, Formierung und Ausdifferenzierung) ökonomisiert wurden. Mit der Anzeigenschaltung begann Mitte des 19. Jahrhunderts die Popularisierung von Zeitungen – bis zum Durchbruch des modernen Journalismus. Dieses “Jahrhundert des Journalismus” beginnt Birkner zufolge zwischen 1900 und 1914. In dieser Phase war der Journalismus gekennzeichnet durch wirtschaftliche Unabhängigkeit der Zeitungen und ein – wenn auch prekäres – Gleichgewicht zwischen Medien und Markt.

Gesellschaftliche Funktion dank Ökonomisierung

Birkners Fazit: “Die Phasen der Ökonomisierung haben sich als durchaus funktional erwiesen. Die Ökonomisierung der Medien am Beginn des 20. Jahrhunderts gab dem modernen Journalismus erst jene Struktur, die ihn in die Lage versetzte, seine Funktion für die Gesellschaft zu erfüllen.” Am Ende des 20. Jahrhunderts sieht Birkner allerdings die Strukturen des Journalismus durch Kolonialisierung bzw. Entdifferenzierung deformiert: Die Medien seien zunehmend der ökonomischen Marktlogik unterworfen. Aufgrund der Erosion des Anzeigengeschäfts und der Hyperprofessionalisierung des Journalistenberufs (Stichwort “Eierlegendewollmilchsau”) drohe eine massive Deprofessionalisierung.  Dennoch mahnte Birkner, geduldiger zu sein, was das Internet als neue Einnahmequelle für Verlage betreffe.

Einen ebenfalls historischen Ansatz verfolgte der Vortrag “Nur Randerscheinungen? Frauen im Journalismus anno 1900” von Susanne Kinnebrock. Über die Frauen im Journalismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts, ihre Berufsrolle, ihre Motivation und ihre Sozialität war bislang wenig bekannt. Kinnebrock schloss diese Forschungslücke mit einer Auswertung des 1898 erschienenen Lexikons “Frauen der Feder”, einer (versuchten) Vollerhebung aller damals aktiven deutschsprachigen Autorinnen. Das Lexikon umfasste 4.547 Autorinnen, davon 1.133 aktive Journalistinnen, die hauptberuflich, nebenberuflich oder gelegentlich als Autorinnen für Periodika tätig waren.

Bunte Palette an Genres und Themen

Im Resümee ihrer Studie stellte Kinnebrock fest, dass Journalistinnen um 1900 wie ihre männlichen Kollegen überwiegend aus dem bildungsbürgerlichen Milieu stammten (79 Prozent). “Die meisten arbeiteten in Großstädten und Metropolen wie Berlin und Wien”, so die Kommunikationswissenschaftlerin. Der Großteil der Journalistinnen war der Inhaltsanalyse zufolge als Feuilletonistinnen tätig, sie belieferten also Periodika mit literarischen Produkten. Bezüglich der bevorzugten Genres und Publikationsmedien zeigte sich Kinnebrock zufolge, dass die Frauen eine bunte Palette an Genres und Themen in unterschiedlichsten Medien bearbeiteten. Etwa ein Drittel der Journalistinnen befasste sich mit überwiegend frauenaffinen Sachthemen, dabei ging es sowohl um Themen wie Mode und Haushalt, aber auch um die Frau in der öffentlichen Sphäre.  Eine Kontinuität sah Kinnebrock darin, dass Frauen im Journalismus damals wie heute überproportional als freie Mitarbeiterinnen und in Teilzeit arbeiten, in Führungspositionen unterrepräsentiert und stärker in der Unterhaltungssparte vertreten sind.

Zum Abschluss der Pre-Conference widmete sich Frank Bösch dem Thema “Missionarische Spürhunde. Zur Entstehung des investigativen Journalismus in den USA, Großbritannien und Deutschland”. Bösch beschrieb darin die (vermeintlichen) Unterschiede zwischen dem angelsächsischen und dem deutschen Journalimus. Während dieser in Großbritannien und den USA auch in seiner geschichtlichen Entwicklung als eher investigativ und unparteiisch gilt, wird dem deutschen Journalimus stets eine stärkere Nähe zu Parteien attestiert (Spürhunde vs. Missionare). Schon um 1900 gab es dem Historiker zufolge auch in angelsächsischen Ländern Mischformen – somit seien solche Zuschreibungen nicht haltbar. Bösch zeigte dies anhand einiger Biographien von investigativen US-Journalisten und “Muckrakern” wie Upton Sinclair, Elizabeth Cochrane alias Nellie Bly und Ida Tarbell, W. T. Stead, dem britischen Vater des investigativen Journalismus’, sowie Maximilian Harden, einem der ersten deutschen investigativen Journalisten, der trotz konservativer Einstellung im Kaiserreich mit seinen kritischen Artikeln für Aufsehen sorgte.

Entwicklung aus missionarischen Motiven heraus

Einen Gesinnungsjournalimus konnte man Bösch zufolge durchaus auch in Großbritannien festmachen, hier traten es bereits Ende des 19. Jahrhunderts Phänomene wie Lobby- und Kampagnenjournalismus auf. Als ein Beispiel für die politische Positionierung britischer Zeitungen nannte Bösch die Berichterstattung des Guardian über die Concentration Camps im Burenkrieg sowie den Marconi-Skandal. Das Fazit des Historikers: Der investigative Journalismus habe sich auch in den angelsächsischen Ländern aus missionarischen Motiven heraus entwickelt (aus den “views” wurden “news”). Für seine Prägung sei die herrschende politische Kultur entscheidend.

Links:

Rezensierte Bücher zum Thema “Journalismus als Beruf”:

Veröffentlicht unter Aus der Redaktion