Etrit Asllani: What the Fake!

Einzelrezension, Rezensionen
507 Aufrufe

Rezensiert von Guido Keel

Einzelrezension

Das Anliegen des Autors ist ein äußerst löbliches: Etrit Asllani will jungen Menschen helfen, mit Informationen auf sozialen Medien verantwortungsvoll umzugehen, indem er ihnen erklärt, was Falschmeldungen sind, wie man sie erkennt und weshalb es wichtig ist, dass man sie nicht einfach weiterverbreitet.

Weshalb genau er die richtige Person dafür sein soll, ist schon weniger klar. Asllani arbeitet als “Product Owner” bei einer Großbank, für die er innovative digitale Produkte entwickelt. Vorher hat er Psychologie studiert und, noch wichtiger, er ist – zumindest laut Selbstaussage – ausgesprochen gut darin, komplexe Dinge verständlich und zielgruppengerecht zu vermitteln. Zudem verzeichnete ein von ihm produziertes TikTok-Video in kürzester Zeit 900.000 Views, was ihn einerseits faszinierte und andererseits veranlasste, sich die Prozesse und Wirkungen dieser neuen Kommunikationswelt genauer anzuschauen. Mittlerweile haben laut Verlagsseite etwa 700.000 Menschen seinen Kanal KeinFakeNews abonniert.

Warum er sich dann dafür entscheidet, Ziel und Zielgruppe – junge Menschen, die sich auf Social Media tummeln – mit einem gut 200-seitigen Buch anzuvisieren, bleibt unklar. Dass dieses Medium dafür möglicherweise nicht ideal ist, merkt der Autor zu Beginn auch selbst an. Möglicherweise ist die Website keinfakenews.de, die er ebenfalls betreibt, näher am Mediennutzungsverhalten seiner Zielgruppe. Allerdings enthält diese Seite wenig Informationen und Interaktionsmöglichkeiten, sondern bietet vor allem eine Präsentation des Autors selbst.

Wenn sich aber junge Menschen auf das Buch von Asllani einlassen, finden sie darin vielfältige Informationen zum Thema Fake News. Das beginnt mit der Geschichte von Fake News, die es schon bei den alten Griechen und Römern gab, wie der Autor an Beispielen zeigt. Und es gibt sie in vielfältigen Formen, von kruder Propaganda über Hoaxes bis zur Satire.

Diese einführenden Kapitel bieten, was man als interessierter Zeitgenosse auch schon anderswo gelesen hat. Die Vermittlung gelingt teilweise gut anhand von präsentierten Beispielen, teilweise bleibt sie auf der Ebene der allgemeinen Beschreibung. Hier wünschte man sich – vermutlich vor allem als junger Leser – etwas mehr Anschaulichkeit, um eine genauere Vorstellung davon zu bekommen, was sich beispielsweise hinter dem Begriff “Doctored Content” (62) verbirgt. Stattdessen bleibt es bei der recht allgemeinen Aussage, dass “…diese Art von Content schwerwiegende Auswirkungen haben kann, da er die Fähigkeit der Menschen, die Wahrheit zu erkennen und zu verstehen, beeinträchtigt” (62).

Teilweise sind die Erklärungen etwas sehr knapp geraten. So beschreibt der Autor das Vorgehen bei gesponserten Inhalten wie folgt: “Man schaltet Werbung und kann somit eine spezifische Zielgruppe auswählen” (69). Zu bemängeln ist zudem, dass es der Autor nicht immer genau nimmt mit seinen Quellenangaben. Auch wenn man sein junges Publikum nicht mit langen Quellenverweisen langweilen möchte, wäre es doch zumindest fair – beispielsweise bei den Beispielen zu Scheinkorrelationen (vgl. 74) – anzugeben, woher diese stammen.

Im folgenden Kapitel übernimmt der Psychologe Asllani das Steuer: Hier beschreibt er, weshalb Menschen eigentlich lügen. So interessant dieser Exkurs sein mag, mit ihm verliert das Buch seinen roten Faden. Auch Ausführungen zur Körpersprache von Lügenden oder der Funktionsweise von Lügendetektoren schweifen vom zentralen Thema ab. Dies ist auch im weiteren Verlauf des Buches immer wieder der Fall: Beispielsweise, wenn der Autor im Kapitel acht zur Frage, wie man Fake News erkennt, über vier Seiten das Vorgehen bei empirischen Forschungsarbeiten erklärt, inklusive Erklärung der Logik von Nullhypothesen (vgl. 186-189). Eine Erklärung von False Balance (mit einer ganzseitigen Illustration), die daran anschließt, gefolgt von zwei Seiten zu Recherchefunktionen bei Suchmaschinen, lassen den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit nur schwer unterdrücken.

Zwischendurch liefert der Autor Kapitel, die thematisch schwer zu fassen sind, weil sie ganz unterschiedliches Wissen zu Fake News zusammentragen. So steht beispielsweise das Kapitel 5 unter dem Titel “Nur die Spitze des Eisbergs”. Auf den folgenden Seiten wird dann beschrieben, wie Social Media die mediale Kommunikation verändert haben, wie mit KI Text generiert wird, wie der Presserat kontrolliert, dass journalistische Medien Grundregeln beachten, wie ein Content-Creator-Kodex aussehen könnte, was Algorithmen und was Filterblasen sind, was am 6. Januar 2021 in Washington D.C. geschah, was die Reichsbürger in Deutschland planten, wie groß der finanzielle Schaden ist, den Fake News anrichten (“In den USA werden 400 Millionen US-Dollar für Fake News ausgegeben.”), wie Fake News zu Corona Menschen töteten, was Deep Fakes sind, wie das Vertrauen in die Medien verloren gegangen ist, und dass es durchaus auch positive Nachrichten zu vermelden gäbe.

Diese Breite an Themen in einem Kapitel von knapp dreißig Seiten hat zur Folge, dass einiges davon nur oberflächlich angesprochen werden kann. So wird das Thema Filterblasen auf einer halben Seite (vgl. 112) abgehandelt, auf der zudem zwei Mal die Formulierung “…kann dazu führen…” zu finden ist (“Echokammern können dazu führen, dass sich Gruppierungen bilden, die gemeinsam ihre Meinung so verstärken, dass es zu einer Radikalisierung kommt.”). Auf den Diskurs um die wahre Relevanz von Filterblasen und die widersprüchlichen Erkenntnisse dazu geht das Buch nicht ein. Spätestens in diesem Kapitel wünschte man sich etwas mehr Fokus und Tiefe, statt eine einigermaßen unstrukturierte Auslegeordnung von allem, was es zum Thema auch noch zu sagen gibt.

Dieses Gefühl stellt sich auch in Kapitel sechs ein, in dem sich der Autor wieder der Psychologie widmet und das in zwei Seiten gipfelt, auf denen nicht weniger als 13 psychologische Theorien oder Modelle aufgezählt werden, die “…bei der Verbreitung von Fake News eine Rolle spielen können” (142). Kapitel sieben schließlich nimmt sich dem Thema Verschwörungstheorien an, ohne dass klar wird, weshalb dieser Form von Fake News ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Bei der Aufzählung von verschiedenen Verschwörungstheorien stellt sich zudem die Frage, inwiefern es sich bei den gewählten Beispielen wirklich um solche handelt. So bemüht der Autor unter anderem nochmals die Reichsbürger, stellt sie als Verschwörungstheorie dar und verwechselt dabei wahrscheinlich Verschwörung mit Verschwörungstheorie.

Das bereits erwähnte Kapitel acht verspricht zu erklären, was der Titel für das ganze Buch versprach: zu erklären, wie man Wahrheit von Falschmeldungen unterscheidet. Dieses Kapitel fällt dann allerdings etwas knapp aus, und gemessen am eigenen Anspruch, komplexe Dinge besonders zielgruppengerecht und verständlich zu vermitteln, auch einigermaßen monoton in der Form von viel Lauftext.

So stellt sich zum Schluss die Frage, ob das Buch wirklich zu leisten vermag, was es sich vorgenommen hat, nämlich junge Menschen für das Thema Fake News zu sensibilisieren. Zu gönnen ist es den Leser:innen, dem Autor und der Gesellschaft.  

Links:

Über das BuchEtrit Asllani: What the Fake! Wie du die Wahrheit von Falschmeldungen unterscheidest. Berlin [Ullstein] 2023, 240 Seiten, 12,99 EuroEmpfohlene ZitierweiseEtrit Asllani: What the Fake!. von Keel, Guido in rezensionen:kommunikation:medien, 10. Januar 2024, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/24096
Veröffentlicht unter Einzelrezension, Rezensionen