Rezensiert von Horst Avenarius
Was ist Moral in einem Unternehmen? Was bezeichnet man mit dem Begriff Ethik? Man muss bis zu den letzten 20 des über 400 Seiten starken Buches vordringen, um gesprächsweise darüber informiert zu werden. Dieses Gespräch führten fünf kluge Experten in Wien. Es waren keine Wissenschaftler, aber sie stellten zuletzt fünf einleuchtende Thesen zur Moral als innerbetriebliches Steuerungssystem, als Mittel zur Personalführung, zur Komplexreduktion und gegen dysfunktionalen Egoismus auf. So hätte ein Buch durchaus beginnen können, das sich mit Moral in der Wirtschaft befasst. Ein Buch über die Moral der Unternehmenskommunikation hätte auch mit Erörterungen über primäre moralische Verfehlungen wie Täuschungen jeglicher Art oder Bestechungen in beträchtlichem Umfang oder auf vermeintlicher Macht beruhende Drohungen gegenüber den Medien beginnen können. Obwohl solche Vorfälle durchaus nicht selten sind und von den freiwilligen Selbstkontrollorganen der Kommunikationsberufe hin und wieder auch gerügt und veröffentlicht werden, spielen sie in der hier vorgelegten Publikation keine Rolle.Den Herausgebern geht es ausschließlich um das Thema der “Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung auf Unternehmensebene”. Corporate Social Responsibility (CSR) ist daher der für alle Beiträge vorgegebene Begriff und hätte auch für den Buchtitel besser gepasst. Natürlich hat diese Verantwortung eine moralische Konnotation, zumal, wenn darüber kommuniziert wird. Fast wichtiger aber erscheint Herausgebern und Autoren die ökonomische Frage, die auch im Untertitel steht: “Lohnt es sich, gut zu sein?”
Die meisten beantworten diese Frage affirmativ, und die Herausgeber folgern daraus, dass Markt und Moral zusammengehören, “aus ökonomischen wie aus moralischen Gründen” (19), was einer der beiden später allerdings eine “zu pauschale” Feststellung nennt (Tropp: 249). Trotz des herausgestellten und auf erste Sicht beeindruckenden Perspektivenreichtums des Buches ist es daher zu den auch von den Herausgebern zugegebenen “gelegentlichen inhaltlichen Überschneidungen” gekommen. Sie gewinnen ihnen den positiven Aspekt ab, dass sich in dem noch jungen Diskurs über Moral und Unternehmenskommunikation ein Konsens herausgebildet habe. Man könnte aus diesem Schluss allerdings auch folgern, dass ein Teil der Buchbeiträge überflüssig ist. Lektüreballast.
Das liegt zum Teil an einer merkwürdigen Autorenauswahl. Neben der Scientific Community finden sich darunter ein paar Unternehmens- und Kommunikationsberater und sehr viele Werber (“Wir von Leo Burnett”, mit Selbstpreisungen: “Die Idee dahinter ist so einfach wie genial”; 301) einschließlich ihrer Verbandsspitze. Aber kein einziger für die CSR seines Unternehmens verantwortlicher aktiver Kommunikationschef kommt zu Wort. Vielleicht fehlt auch deshalb der Komplex der Public Private Partnerships. Die im Klappentext angekündigte Praxisbezogenheit hat ihre Grenzen.
Nicht zu den Ballaststoffen rechnet der Rezensent etliche Beiträge, die das gestellte Thema informativ und ergebnisoffen schildern: Söllner/Mirkovic behandeln CSR umfassend (unter einem merkwürdig verfremdenden Titel), Manfred Bruhn dito das Sozio- und Umweltsponsoring. Es erweist sich, dass beide Aktivitäten nahezu deckungsgleich sind; beide Autoren kommen auch zu demselben Schluss, der in Bruhns Worten lautet: “Eine hohe Akzeptanzbereitschaft [in der Öffentlichkeit; H.A.] ist nur gegeben, wenn Unternehmensverhalten und -kommunikation eine glaubhafte Begründung für das jeweilige Engagement geben und dem Sponsoring nicht etwa eine Alibifunktion zugesprochen wird” (115). Dieses Monitum zieht sich durch das ganze Buch.
Bei Bruhn findet sich der Hinweis, dass Kultur-, Sozio- und Umweltsponsoring anders als für den Sport in der Regel den PR-Abteilungen zugeordnet sind. Dieser Zuordnung entsprechend erörtern Hirsan/Siegert ebenso erschöpfend die Anforderungen an ein professionelles Kommunikationsmanagement. Einer der wichtigsten Schlüssel zum Erfolg von CSR liege darin, dass Rolle und Einsatz der Kommunikationsexperten vom Unternehmen verstanden werden. Fieseler/Meckel erweitern diese Anforderungen auf das Web 2.0, hier CSR 2.0 genannt. Sie setzen so stark auf die diffusen Dialoge im Netz, dass sie sich zu der Aufforderung versteigen, “den Mittelsmann zu feuern” (134), sprich die durchweg alternden NGOs.
Gregor Schönborns Beitrag befasst sich mit den Binnenproblemen eines CSR-betreibenden Unternehmens (auch er allerdings ein Außenstehender): mit Erfolgsfaktoren, -treibern und -bremsen. Er erläutert eine eigene, breit fundierte Untersuchung aus dem Jahr 2008 über den Zusammenhang zwischen gelebten Wertekulturen in Unternehmen und ihrem wirtschaftlichen Erfolg: Ein Viertel dieses Erfolgs lasse sich damit erklären. Unternehmen müssen sich daher mit der “Moral im Unternehmen” befassen. “Nicht ohne Grund sind viele der Ethikthemen der Kommunikation und auch viele Nachhaltigkeitskampagnen nach innen gerichtet” (226).
Schließlich Adrian Teetz, ehemals DRK, der den Spendern und Sponsoren und Verantwortungskommunikatoren den Spiegel vorhält; einer der aufschlussreichsten Beiträge des Buches. Seine Situation: Durchstrukturierte Vertriebe treffen auf Selbsthilfegruppen (“non profit organizations”, NPOs). Das funktioniere sogar immer besser, vor allem bei klein- und mittelständischen Unternehmen. Teetz warnt die größeren Geldgeber davor, “eine Spende an sehr differenzierte Verwendungszwecke und höchst aufwendige Berichtspflichten zu koppeln” (234). “Wenn die Kommunikationsstrategie einer CSR-Kooperation bedeutet, Hilfsbedürftige nach Popularität zu hierarchisieren, muss eine NPO das ablehnen” (240).
Für viele Beiträge genügen Querschnittbetrachtungen. Dabei geht es uns zunächst um definitorische Klarstellungen. “Moral” und “Ethik” wird, wie beschrieben, nur beiläufig definiert und unterschieden, “Kommunikation” gar nicht, wohl aber “Unternehmen” (im Beitrag von Siegfried Schmidt) und “CSR” (von etlichen Autoren, am prägnantesten von Hirsan/Siegert). Alexander Demuth weist auf die Unschärfen des Begriffs Corporate Social Responsibility hin, in dem jedes der drei Worte eine Bandbreite von Deutungen zulasse. Das habe Folgen: Es sei keineswegs von untergeordneter Bedeutung, ob ein Unternehmen CSR als “soziale Haftung” oder als “gesellschaftliche Zuständigkeit begreift” (21). Hilfreich ist da die Definition der EU in ihrem Grünbuch von 2001, die Jörg Tropp wiedergibt (246).
Röttger/Schmitt und Mast/Stehle befassen sich mit den Stichworten “Verantwortung” und “Verantwortungskommunikation”. Röttger hebt – und damit wechseln wir von den Definitionen zu den Problemen der CSR – neben den Chancen des Reputationsgewinns durch kommunizierte CSR auf die nicht unbeträchtlichen Risiken bei offensichtlich davon abweichendem unternehmerischen Handeln ab. Und obendrein und im Widerspruch zum Gesamtergebnis: “Eine eindeutige und direkte Beziehung zwischen CSR und Profitmaximierung ist nicht festzustellen” (53). Weshalb übernehmen dann Firmen moralisch motivierte Verantwortungen? Plausibel sei das nicht. Röttger sieht hier Forschungsbedarf.
Wo aber solche Übernahmen geschehen, kommt es nach Mast/Stehle auf eine “strategische und proaktive Verantwortungskommunikation” an. Sie sei im Gegensatz zu einer “reaktiven Kommunikation”, der es nur um Risikoabsicherungen gehe, auf identifizierte Anspruchsgruppen mit hohem Einfluss- und Aktivierungspotenzial ausgerichtet und orientiere sich an deren Grad der Betroffenheit und Sensibilisierung. Die Autorinnen setzen hierzu auf die direkte dialogische Kommunikation der Geschäftsführung mit NGOs, weniger auf die von PR-Experten. Sie werden allerdings wissen, dass sich kaum ein Geschäftsführer ohne das CSR-Konzept seines Kommunikationschefs auf solche Gespräche einlässt.
Jörg Tropp befasst sich eingehend mit dem “Dilemma der Moralisierungsunterstellung”, die bei einer solchen Verantwortungs-kommunikation vorliege. Allen Kommunikationsvorgängen liegen wechselseitige Unterstellungen der Kommunikationspartner zugrunde. Sie sind in der Regel kalkulierbar. Bei der CSR-Kommunikation kann jedoch eine “Störung” eintreten: “Das Unternehmen kann seinen Stakeholdern, besonders den Konsumenten, nämlich nicht zweifelsfrei unterstellen, dass sie seine Verantwortungskommunikation im intendierten Sinne verstehen, weil sie eine Instrumentalisierung von Moral (= Moralisierung) unterstellen könnten” (245). Die moderne CSR-Theorie sehe diese Problematik nicht. Sie berücksichtige nicht, dass die Dichotomie von Geld versus Moral gerade bei Konsumenten stark verwurzelt sei. Nehmen diese nicht deshalb überall nur “Greenwashing”-Effekte wahr?
Verantwortungskommunikation sei daher nur schwer kontrollierbar. Trotzdem gebe es Gründe, Moralisierungsunterstellungen zu “riskieren”. Tropp nennt an erster Stelle die wachsende Moralisierung der Märkte, mithin die Erwartungen der Stakeholder an die moralische Korrektheit der Unternehmer. Ihnen müsste ein, wie er sagt, “kommunikationsökologisches Managementmodell” entsprechen, angesiedelt auf gesamtunternehmerischer Kommunikationsebene. Wir werden an Mast/Stehle erinnert.
Etliche Autoren erwähnen, aber nur zwei befassen sich mit Standards, Verhaltenskodizes und Leitlinien, also mit ausformulierten Moralgrundsätzen. Sandra Mies konzentriert sich auf die gedruckte CSR-Berichterstattung von Unternehmen. Das bisherige “Nachhaltigkeitsreporting” der Firmen sei äußerst selektiv; einheitliche Bewertungskriterien fehlten; eine verbindliche Standardisierung sei allerdings “auf dem Vormarsch” (204). Mies betont den positiven Aspekt einer weiterhin freiwilligen Berichterstattung “auf der Basis von Mindeststandards”.
Klaus Merten wiederholt seine schon im vergangenen Jahr publizierte Philippika gegen die PR-Kodizes (die für das Thema CSR eigentlich wenig abgeben). Seine Kritik hatte unmittelbaren Widerspruch hervorgerufen. Diese Auseinandersetzung sprengt jedoch den Rahmen einer Buchbesprechung und ist daher als Exkurs beigefügt.
Wer Mertens Text wider den Strich liest, kann ihm zwei zielführende Gedanken entnehmen: Erstens intendiert alles Sprechen über Moral eine Eigen-PR des Sprechenden – und man sollte diese Feststellung nicht nur wie Merten abfällig auf die PR-Moralexegeten, sondern auf jegliche Form ethischen Kommunizierens beziehen. Zweitens reibt er sich an der “Tonalität” der Selbstverpflichtungen einer PR-Fachkraft, die an Initiationsriten bei Priesterweihen gemahnten. Wenn das so gesehen wird, wäre es das Schlechteste nicht. Schließlich hebt er selbst mit einer Feststellung an, die seiner folgenden Sprachkritik widerspricht: “Die Kommunikation einer Ethik ist von Anfang an stets ein feierlicher Akt gewesen.”
Empirische Befunde beschließen das Buch. Bei den ersten geht es um die Frage, ob Kapitalanleger bei nachhaltigen Investments in ein Unternehmen das Kriterium SRI – Socially Responsible Investments – beachten. Schlussfolgerung: Die ökonomischen Kennzahlen dominieren nach wie vor (342). Die zweite Untersuchung betraf den Anteil werblicher CSR-Anzeigen in “Spiegel“, “Focus” und “Wirtschaftswoche” im Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2008: Es waren gerade einmal 5,4 Prozent, platziert vor allem von Unternehmen, die in Branchen mit hohem ökologischen Gefährdungspotenzial tätig sind (358). Sie tun es, obwohl, wie Tropp an anderer Stelle (252) festgestellt hat, Werbung mit der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung zwar die auffälligste CSR-Kommunikationsform ist, aber unter den 17 untersuchten CSR-Informationsquellen auch die unglaubwürdigste. Da erscheinen selbst 5,4 Prozent (= 759 Anzeigen) als sehr viel. Die dritte Untersuchung befasst sich mit dem in Deutschland noch wenig genutzten “cause related marketing”: Dem Käufer wird kommuniziert, dass ein Teil des Kauferlöses einem wohltätigen Zweck zugute komme. Interessant ist hier ein internationaler Vergleich der zugkräftigsten Zwecke: In den USA sind es mit 83 Prozent lokale Zwecke, in Deutschland nur 11,5 Prozent. Hierzulande unterstützen hingegen 46 Prozent einen internationalen Zweck, in den USA nur 28 Prozent.
Wie wird es mit der Moral weitergehen? Unter vielen vorgebrachten Schlaglichtern fällt eine leider nur kursorisch vorgetragene Behauptung von Siegfried Schmidt auf: “Eine Re-Moralisierung der Gesellschaft mit Betonung einer mundanen und pragmatischen anstelle der traditionellen religiösen Moral […] zielt ab auf eine Umsteuerung des Verständnisses von Wirtschaft” (69). Geht das gegen den Dekalog?
Exkurs über die Thesen Klaus Mertens:
Klaus Merten spricht, auf PR-Kodizes bezogen, von “vielen Unschärfen”. Der internationale Code d’Athenes definiere seinen Erkenntnisgegenstand nicht. “Es gibt also das Kuriosum einer definierten Norm für undefinierte Sachverhalte” (27). Offensichtlich hegt er das Vorurteil, dass Kodizes wissenschaftliche Abhandlungen sein müssen. Er wird aus dem deutschen Grundgesetz keine einzige Definition benennen können.
Merten befasst sich sodann mit den in Deutschland geltenden Selbstverpflichtungen der PR-Leute. Er zitiert die beiden ersten:
“Mit meiner Arbeit diene ich der Öffentlichkeit. Ich bin mir bewusst, dass ich nichts unternehmen darf, was die Öffentlichkeit zu irrigen Schlüssen und falschem Verhalten veranlasst. Ich habe wahrhaftig zu sein.”
In diesem Text sieht Merten “mehrfache Täuschungen” am Werk. Die erste bestehe in der “behaupteten Lauterkeit des Tuns, die im praktischen PR-Handeln, wie bereits angemerkt, kein adäquates Pendant findet”. Aber die Diktion einer Selbstverpflichtung (“pledge” im Englischen) ist nicht die einer Gebots- oder Verbotstafel. Den Text verstehe falsch, wer will.
Die zweite Täuschung liege in einer unzulässigen Verwendung des Begriffs “Öffentlichkeit”. Wollte man seinem Vorwurf folgen, wäre das Täuschungspotenzial des vorliegenden Buches groß. Merten selbst setzt Öffentlichkeit mit der Summe von Zielgruppen gleich, “die abgrenzbar und nach angebbaren Kriterien definiert sein sollen”. So urteilen vornehmlich das Marketing und ihm nahestehende PR-Praktiker.
Andere PR-Leute unterscheiden zwischen Zielgruppen – die anzusprechen eine strategische Auswahl voraussetzt (“abgrenzbar” etc.) –, Anspruchsgruppen, mit denen man konfrontiert ist, ob man mit ihnen kommunizieren mag oder nicht, und einer allgemeinen Öffentlichkeit. Letztere ist unbeteiligt, aber voller Wahrnehmungen. In diesem Sinne verwenden auch andere Autoren den Begriff Öffentlichkeit, in diesem Buch oder woanders, so vor allem Bernhard Peters. Gerade einer solchen Öffentlichkeit gegenüber postuliert die neuere PR-Schule eine “social responsibility” der Transparenz. Sie kann ein notwendig zu leistender Dienst genannt werden.
Das Wort „dienen“ markiert für Merten aber eine “dritte, strikt wahrheitswidrig gewirkte täuschende Aussage” (32). Er spricht hier der PR, sein Vorbild Goffman vergessend, nur und ausschließlich eine Abhängigkeit von Aufträgen zu. “Im Alltagswissen versteht man ‘Dienen an der Öffentlichkeit’ aber ganz und gar nicht als Dienst für einen Auftraggeber, sondern als Dienen gegenüber dem öffentlichen Interesse oder gar gegenüber dem ‘Gemeinwohl'” (32). Just dieser Alltagsgebrauch ist in der ersten Selbstverpflichtung gemeint. Konkret bedeutet dies für die PR die allen Teilen der Öffentlichkeit geschuldete Aufmerksamkeit und Achtung.
Merten reibt sich sodann an dem Begriff Anwalt, der in der zweiten Selbstverpflichtung ebenfalls im Sinne des Alltagsgebrauchs benutzt wird:
“Mit meiner Arbeit stehe ich in den Diensten eines Auftrag- oder Arbeitgebers. Ich verpflichte mich, ein redlicher Anwalt seiner Interessen zu sein und ihn vor Schaden zu bewahren.”
Diese Funktion mit der von Rechts-Anwälten gleichzusetzen, stellt eine semantische Verkürzung dar. Aber sie veranlasst ihn zu einer merkwürdigen Vermutung: “Täuschung liegt schließlich auch in der Verwendung des Wortes ‘redlich’, das offenbar bestimmte Image-Facetten des Anwaltberufs konterkarieren soll.” (32)
Merten sieht schließlich massive logische Widersprüche und eine Täuschung, weil es sowohl im Code d’Athenes wie zwischen den ersten beiden Selbstverpflichtungen zu Zielkonflikten kommen kann. Doppelte Loyalitäten kennt auch der Code of Conduct der Pleon-Gruppe (und nutzt dabei den Begriff der Öffentlichkeit im oben beschriebenen offenen Sinn): “Wir vertreten die Interessen unserer Klienten in der Welt der Medien. Gleichzeitig verpflichten wir uns, die Interessen der Öffentlichkeit zu wahren.”
Von “dual obligations” sprach auch einmal der amerikanische PR-Kodex ausdrücklich (1988 in Art. 2). In der PR-Literatur werden sie seit Jahren erörtert. Schon die ersten Kommentare des Rezensenten zu den Selbstverpflichtungen haben darauf hingewiesen. Eine jüngere amerikanische Studie über “Responsible Advocacy” resümierte sie erst kürzlich als “one of the most perplexing and persistent dilemmas of public relations” (2006). Sie können zu Konflikten und daraus erwachsenden Gewissensentscheidungen führen; aber getäuscht wird dadurch niemand.
Unverständlich ist zuletzt die Unterstellung, der PR-Rat (DRPR) lege es darauf an, “alle Kommunikation aller deutscher Bürger (ab sechs Jahren?) der Sanktionsgewalt der deutschen Instanz für PR-Ethik zu unterwerfen” (34). Die Statuten des PR-Rats bestimmen dessen Zuständigkeit in Artikel II 3 seit 1995 recht präzise: “Der Rat wird sich auch mit beanstandeten PR-Vorgängen befassen, die von Nicht-Mitgliedern der Trägerorganisationen und Nichtfachleuten ausgelöst oder veranlasst wurden.” Beanstandete “PR-Vorgänge” sind etwas anderes als die (private) “Kommunikation aller deutscher Bürger”.
Diese seit langem fixierte Ratszuständigkeit wird jeder begreifen, der weiß, wie häufig gerade Nichtfachleute in verwerfliche PR-Aktionen involviert sind. Das Beispiel der üblen Nachrede eines Einzeltäters durch gezinkte Dossiers erweist, dass der Rat es im Extremfall sogar mit jedermann zu tun hat, “der sich einmal oder mehrmals in welcher Form auch immer an die Öffentlichkeit wendet”, wie es auf seiner Homepage heißt.
Links:
Über das BuchSiegfried J. Schmidt; Jörg Tropp (Hrgs.): Die Moral der Unternehmenskommunikation. Lohnt es sich, gut zu sein? Kön [Herbert von Halem Verlag] 2009, 408 Seiten, 28,- Euro.Empfohlene ZitierweiseGesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen aus mehr oder weniger moralischer Sicht. von Avenarius, Horst in rezensionen:kommunikation:medien, 15. September 2009, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/788
[…] “Die Moral der Unternehmenskommunikation” (Hg. Siegfried J. Schmidt, Jörg Tropp) (Rezension) […]