Peter Brummund: Die Entwicklung des Funktionsrabatts im Presse-Grosso

Einzelrezension
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Rezensiert von Bernd Klammer

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Brummunds Fazit ist ebenso klar wie ernüchternd, zumindest aus Sicht kleiner und mittelständischer Verlage, die Auftraggeber der von ihm vorgelegten Studie sind: Das bestehende Vertriebssystem von Zeitungen und Zeitschriften über das Presse-Grosso wäre ohne die großen Verlage nicht zu finanzieren. Änderungen bei den Kriterien für die Festlegung des Funktionsrabatts sind entweder nicht praxistauglich oder gegen den Widerstand der anderen Handelspartner nicht durchzusetzen. Deshalb müssen die mittelständischen Verlage weiterhin wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen, um aus eigenem Interesse das Fortbestehen des letztlich allseits akzeptierten Vertriebssystems über den Absatzweg Groß- und Einzelhandel zu sichern.

Welche Nachteile das sind, dies arbeitet Brummund in seiner Analyse zur Entwicklung des Funktionsrabatts im Presse-Grosso im Auftrag des Arbeitskreises Mittelständischer Verlage (AMV), einem Zusammenschluss von Verlagen und Nationalvertrieben mittelauflagiger Zeitschriften, heraus. Anlass der Untersuchung waren die mit dem Auslaufen der bislang gültigen Rabattkonditionen zu Ende Februar 2009 anstehenden neuen Verhandlungsrunden zwischen Verlagen und Grosso als Handelspartnern. Die Studie sollte Antworten auf die Frage geben, welche Argumente die kleinen und mittelständischen Verlage in die Verhandlungen einbringen können, um sich zwischen den marktmächtigen Großverlagen auf der einen Seite und den nachfragestarken Großhändlern mit ihren Gebietsmonopolen auf der anderen Seite zu positionieren.

Brummund, ausgewiesener Vertriebsexperte mit langjähriger Berufserfahrung in diesem Feld, baut seine Untersuchung so auf, dass er sich zunächst theoretisch mit den Grundlagen des Funktionsrabatts und dessen Bedeutung speziell im Pressevertrieb beschäftigt. Anschließend stellt er detailliert dar, wie sich der Funktionsrabatt im Pressegroßhandel historisch entwickelt hat, von objektgruppenbezogenen und zum Teil auch je Grossisten individuell ausgehandelten Rabattkonditionen hin zu einer an der Verkaufsauflage und den Umsätzen der Einzelobjekte bemessenen Rabattierung einheitlich für alle Grossisten. Ausführlich werden die vielfältigen Anpassungen der Rabattkonditionen beschrieben, die zwischen den Handelspartnern u. a. auch durch geänderte Rahmenbedingungen wie die Einführung der Mehrwertsteuer 1968 verhandelt werden mussten. In einem weiteren Kapitel analysiert und bewertet der Autor die verschiedenen Regelungen und Gepflogenheiten in den Konditionenverhandlungen, die Einfluss auf das Ergebnis des Funktionsrabatts haben, insbesondere im Hinblick auf ihre Wirkungen für die kleinen und mittelständischen Verlage. Daraus leitet er schließlich alternative Rabattmodelle ab, deren Für und Wider er jeweils erörtert. Die Studie endet mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse, bei der er seine analyseleitenden Fragen nochmals explizit darstellt und sie auf die wesentlichen Erkenntnisse fokussiert beantwortet.

Neben der überschaubaren Zahl veröffentlichter Bücher und Rechtsgutachten zum Pressevertrieb greift Brummund bei seiner Analyse auch auf nicht veröffentlichte Quellen zurück, die ihm als Nicht-Insider sicherlich verschlossen geblieben wären. Es wäre allerdings wünschenswert gewesen, einige der zitierten zentralen Quellen, z. B. die Vereinbarung zum Koordinierten Vertriebs-Marketing, in einen Anhang mit aufzunehmen.

Aber auch so erlaubt Brummund selbst dem nicht sachkundigen Leser einen sehr guten Einblick sowohl in die Struktur des Vertriebssystems mit ihren Akteuren und gegenseitigen Abhängigkeiten als auch in die Gepflogenheiten der Branche. Da sind zum einen die Großverlage, allen voran Bauer und Springer, die sich immer wieder unzufrieden mit den Leistungen des Presse-Grossos zeigen. Vor dem Hintergrund, dass sie die umsatzstärksten Titel im Programm haben und mit diesen indirekt kleinere Objekte subventionieren, fordern sie vom Grosso, ihre Titel im Einzelhandel stärker zu berücksichtigen. Sie plädieren abgestimmt für Fusionen im Presse-Großhandel und drohen latent mit einem stärkeren Einstieg in den Zwischenhandel oder gar dem Aufbau einer eigenen Vertriebsorganisation. Dies fürchtet das verlagsunabhängige Presse-Grosso, das auf die umsatzstarken Titel angewiesen ist. Sein z. T. erzwungenes Entgegenkommen gegenüber den Forderungen der Großverlage nach einem größeren Anteil an der Wertschöpfung kompensiert es durch das Festhalten an den Rabattkonditionen für die kleineren Objekte und dem Hinweis auf mögliche Leistungskürzungen und Zusatzentgelte, von denen ebenfalls klein- und mittelauflagige Titel besonders betroffen wären. Die kleinen und mittelständischen Verlage schließlich, die auf einen diskriminierungsfreien Großhandel angewiesen sind, wünschen sich Kriterien für die Berechnung des Funktionsrabatts, die ihre Titel angemessen berücksichtigen.

Dieses Konfliktfeld bildet für Brummund den Rahmen bei den Verhandlungen über den Funktionsrabatt. Es ist daher nur stringent, dass er sie in seiner Analyse als einen horizontalen und vertikalen Verteilungskonflikt um die Anteile an der Wertschöpfungskette charakterisiert. Brummund schreibt seinen Auftraggebern durchaus kritisch ins Stammbuch, dass sie in der Vergangenheit keine eigene Position in die Verhandlungen eingebracht, sondern sich stattdessen darauf beschränkt hätten, die Ergebnisse der Großverlage zu übernehmen, in dem Glauben, deren Interessen deckten sich mit den eigenen bei den Objekten mit kleinen und mittleren Auflagen. Aus seiner Analyse, die nur einen geringen Verhandlungsspielraum für die kleinen und mittelständischen Verlage ergibt, leitet Brummund den Vorschlag ab, die Zahl der eingeschalteten Presseeinzelhändler als weiteres Kriterium für die Bemessung des Funktionsrabatts mit aufzunehmen. Damit würde ein die verlagsindividuellen Vertriebsziele betreffender Faktor berücksichtigt, der die Kosten unmittelbar beeinflusst.

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Über das BuchPeter Brummund: Die Entwicklung des Funktionsrabatts im Presse-Grosso. Reihe: Schriften zur Medienwirtschaft und zum Medienmanagement, Band 22. Baden-Baden [Nomos] 2009, 133 Seiten, 24,– Euro.Empfohlene ZitierweisePeter Brummund: Die Entwicklung des Funktionsrabatts im Presse-Grosso. von Klammer, Bernd in rezensionen:kommunikation:medien, 19. März 2010, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/491
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