Mark Carrigan: Social Media for Academics

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Rezensiert von Ralf Spiller

Einzelrezension

Die Nutzung von Social Media ist für die meisten Menschen in wohlhabenden Gesellschaften mittlerweile selbstverständlich. Doch gilt das auch für Wissenschaftler, die Social Media beruflich nutzen? Früher mussten sich Wissenschaftler noch rechtfertigen, wenn sie auf Social Media über ihre Forschung berichteten, glaubt Mark Carrigan. Mittlerweile sei es jedoch eher so, dass Forscher sich rechtfertigen müssen, wenn sie nicht auf sozialen Netzwerken unterwegs seien (vgl. 240).

Sein Buch, so der Autor, solle ein Praxisleitfaden (“practical guidebook”, S. 9) für Wissenschaftler sein. Es soll ihnen dabei helfen abzuwägen, was gut und was schlecht für sie ist hinsichtlich der Nutzung von Social Media. Er bearbeitet das Thema auf rund 240 Seiten und in zehn Kapiteln: 1. Social media and digital scholarship, 2. Using Social media to publicise your work, 3. Using social media to build your network, 4. Using social media to manage information, 5. Using social media for public engagement, 6. The dark side of social media, 7. Professional identity in an age of social media, 8. Communicating effectively online, 9. Finding the time for social media, 10. Social media and the future of university.

Der Autor ist überzeugt, dass Social Media Wissenschaftlern wertvolle Dienste leisten kann: Das berufliche Netzwerk kann erweitert und andere Wissenschaftler dazu ermuntert werden, die eigenen Publikationen zu lesen. Darüber hinaus könne auf diese Weise auch ein Netzwerk außerhalb der Wissenschaft aufgebaut und ein breiteres Spektrum an Stimmen gehört werden (vgl. 6). “[Social Media] offers ways to involve more voices, more perspectives and more ideas in the research process” (89). Rein praktisch bringt er das Thema so auf den Punkt: “So let people know when you have a new publication. Explain what it is, where it´s been published, and how they can access it. […] There’s absolutely nothing wrong with circulating this information more than once” (31).

Die “trübe Welt des viralen Selbstmarketings” (30) spart Carrigan in seiner Analyse nicht aus. Letztlich lautet sein Credo jedoch, dass jeder seine eigene Balance bei dem Thema finden müsse. Es gebe für Wissenschaftler kein “richtig” oder “falsch” bei der beruflichen Nutzung von Social Media (vgl. 90). Entsprechend befürwortet er wissenschaftliche Netzwerke wie researchgate, academics.edu, google scholar genauso wie institutionelle Depositories und persönliche Websites. Dabei empfiehlt er, die eigenen Social Media Aktivitäten organisch in den eigenen Workflow einzubinden und nicht einen eigenen komplizierten Prozess dafür aufzusetzen (vgl. 75).

Carrigan thematisiert die fragwürdige Funktionsweise von Social Media: Letztlich sind alle Social Media Plattformen darauf ausgerichtet, möglichst viele Interaktionen auszulösen. Diese Daten werden gesammelt und an die Werbeindustrie verkauft. Je aktiver also ein Nutzer auf einem sozialen Netzwerk ist, desto wertvoller ist er für dieses. Carrigan führt in dem Zusammenhang Cal Newport (2017) an, der in einem TEDx talk argumentierte “…people tend to gain little and lose lots through their use of social media” (129). Carrigan glaubt jedoch, dieses grundlegende Problem beherrschen zu können, indem man die Social Media Technologie kompetent verwende. Es gehe um “…using it, rather than being used by it, even when its design works against us…” (207).

Er spricht auch an, dass die Funktionsweise des social webs eine Gefahr für das conversational web darstelle. Plattformen würden nach dem Popularitätsprinzip (van Dijck 2013) funktionieren: Je mehr Kontakte man habe und knüpfe, umso wertvoller werde man, alleine weil andere denken, man sei populär und sich daher mit einem verbinden wollen. Die Popularität auf sozialen Netzwerken sei mittlerweile zu einer messbaren (Handels-)Ware geworden (“quantifiable commodity”, S. 133), die vermarktet und monetarisiert werden könne. Dabei gelte: Je häufiger und provokativer Social Media Posts ausfallen, desto eher wächst das eigene Netzwerk. Hier stelle sich die Frage, ob Wissenschaftler in diese Arena der Aufmerksamkeitsökonomie einsteigen sollten; eine Arena, geprägt von einem fragwürdigen Popularitätsprinzip, bei dem es nicht um Qualität sondern um die Quantität an Interaktionen geht.

Das Buch ist eher langatmig geschrieben, wenig auf den Punkt kommend, mit längeren soziologischen Gedankengängen. Andererseits beinhaltet es eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Thema. Jedes Kapitel enthält eine Reihe weiterführender Literaturhinweise.

Das Buch dürfte Ende 2018 verfasst worden sein, insofern gibt es nicht mehr den aktuellen Stand der sozialen Netzwerke wieder. An den grundlegenden Fragen, die sich jeder Wissenschaftler stellen muss, hat sich indes nichts geändert. Und auch an seiner Empfehlung dürfte Carrigan weiter festhalten: “Find your own right balance!”

Literatur:

  • Van Dijck, José: The Culture of Connectivity. A Critical History of Social Media. Oxford [Oxford University Press] 2013
  • Newport, Cal: “Quit Social Media”. TEDx Talks/TedXTysons (2017) www.youtube.com/watch?v=3E7hkPZ-HTk (letzter Zugriff 9.10.2023)

Links:

Über das BuchMark Carrigan: Social Media for Academics. 2. Aufl. London [Sage] 2020, 288 Seiten, ca. 30,- EuroEmpfohlene ZitierweiseMark Carrigan: Social Media for Academics. von Spiller, Ralf in rezensionen:kommunikation:medien, 11. Oktober 2023, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/24047
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