Rezensiert von Ralf Spiller
Wissenschaft im Elfenbeinturm passt kaum noch in die heutige Zeit. Vielmehr wird von den meisten Wissenschaftler*innen verlangt, mit ihren Forschungsergebnissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Dabei müssen bzw. können verschiedene Gruppen bedient werden: zum einen die “scientific community”, zum anderen aber auch Vertreter von Industrie und Zivilgesellschaft sowie weitere Stakeholder (Hochschulleitungen, Drittmittelgeber etc.). Doch wie geht man dabei am besten vor? Wie kann man den Aufwand geringhalten und dennoch sein Profil schärfen? Welche Vorteile bringt ein solches “Selbstmarketing”?
Georg Adlmaier-Herbst und Annette Mayer haben nun ein Buch vorgelegt, welches das Selbstmarketing von Wissenschaftler*innen in den Fokus nimmt. Dies passt zum gegenwärtigen Trend, dass Influencer auf sozialen Medien immer stärker an Bedeutung gewinnen. Das Buch grenzt sich dabei positiv von zahlreichen anderen Publikationen ab, die Wissenschaftskommunikation aus einer institutionellen oder gesellschaftspolitischen Perspektive behandeln.
Selbstmarketing für Wissenschaftler*innen bedeutet laut Adlmaier-Herbst und Mayer, sich bei wichtigen Bezugsgruppen bekannt zu machen und ein einzigartiges Vorstellungsbild der eigenen Person und Leistungen in den Köpfen dieser Bezugsgruppen langfristig zu gestalten. Ziel sei, dass wichtige Bezugsgruppen den Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin mit bestimmten Eigenschaften verbinden, die diese Person unverwechselbar und attraktiv machen. Dieses einzigartige Profil sorge dann dafür, dass die Person schnell und klar erkennbar sei (Identifizierung), sich von anderen abhebe (Differenzierung) und als attraktivste aller Alternativen wahrgenommen werde (Profilierung) (vgl. 1f.).
Das Werk ist ein klares Praxisbuch, es werden in den zwölf Kapiteln so gut wie keine Quellen im Fließtext genannt, lediglich einzelne Literaturtipps zur Vertiefung (vgl. bspw. 22). Es soll dazu dienen, sich mit sich selbst als Wissenschaftler*in stärker auseinanderzusetzen und daraus folgend ein individuelles Konzept für das Selbstmarketing zu entwickeln. Dazu werden am Schluss des Buches verschiedene Hilfestellungen in Form von Tabellen und Schemata gegeben.
Das Autorenteam behauptet, dass durch ein klareres Selbstbild, eine eindeutigere Positionierung und eine zielgerichtete Ausrichtung aller Aktivitäten mehr Unterstützung durch Bezugsgruppen erlangt werden könne: “Wichtige Bezugsgruppen, die das Handeln der Wissenschaftlerin bzw. des Wissenschaftlers unterstützen, werden sich aufgrund ihres Vorstellungsbildes vom Wissenschaftler*innen [sic] (Fremdbild) positiver verhalten als ohne dieses” (7).
Fraglich bleibt, ob es überhaupt möglich ist, ein derartig konsistentes Bild bei den relevanten Bezugsgruppen zu schaffen. Denn viele Wissenschaftler*innen forschen häufig an mehreren Themen und es dauert, bis sie neue relevante Ergebnisse vorzeigen können. D. h. ihre Frequenz für das Platzieren eigener Nachrichten ist eher gering. In unserer Mediengesellschaft mit ihrer schier unendlichen Flut an Meldungen und Geschichten wird es auf jeden Fall für die meisten Wissenschaftler*innen schwierig sein, sich in relevanten Köpfen dauerhaft zu verankern. Bezeichnenderweise führen die beiden Autoren als “Best practice”-Beispiele auch eher freiberuflich arbeitende Wissenschaftler*innen (z.B. Mark Benecke) bzw. Wissenschaftsjournalist*innen (z. B. Mai Thi Nguyen-Kim) und nicht institutionell fest verankerte Forscher*innen an (vgl. 99f.). Freilich gibt es auch solche (z. B. Christian Drosten), diese sind allerdings auch in geringerem Maß auf Selbstvermarktung angewiesen.
Vieles im Buch findet sich schon in zahlreichen anderen Publikationen, z. B. zu den Themen Wirkung von Bildern (vgl. 109ff.), Storytelling (vgl. 119) oder Störungen und Konflikte (vgl. 137ff.). Die Autor*innen haben dabei nicht den Anspruch, etwas Neues zu liefern, sondern vielmehr Bekanntes auf die Person des “Wissenschaftlers” anzuwenden. Dies gilt auch für die Tipps am Schluss für das Selbstmarketingkonzept, die in den meisten klassischen Büchern zu PR-Konzeption in sehr ähnlicher Form zu finden sind (vgl. 149ff.).
Fazit: Handfeste Belege dafür, dass ein systematisches Selbstmarketing von Wissenschaftler*innen den relativ hohen Aufwand rechtfertigt, bringen Adlmaier-Herbst und Mayer nicht. Der Aspekt, dass zu viel Selbstmarketing auch negative Begleiterscheinungen mit sich bringen kann, wird leider ausgeklammert. Insgesamt bietet das Buch jedoch wertvolle Impulse zur Selbstreflektion und Tipps zur besseren Vermarktung – wenn man es denn will.
Links:
Über das BuchD. Georg Adlmaier-Herbst, Annette Mayer: Selbstmarketing für Wissenschaftler*innen. Methoden, Modelle und Instrumente. Wiesbaden [Springer Gabler] 2021, 177 Seiten, 29,99 EuroEmpfohlene ZitierweiseD. Georg Adlmaier-Herbst, Annette Mayer: Selbstmarketing für Wissenschaftler*innen. von Spiller, Ralf in rezensionen:kommunikation:medien, 17. August 2022, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/23449