Rezensiert von Sonja Kretzschmar
Projektteam Lokaljournalismus der Bundeszentrale für politische Bildung erstellt wurde. Mit dem gleichen Titel folgten 2009 der Band von Kretzschmar/Möhring/Timmermann und 2012 Lokales von Martin Welker und Daniel Ernst. Da ist es mehr als erfreulich, dass erneut ein Band erscheint, der sich dem Thema des Lokaljournalismus widmet.
Das verkannte Ressort – der Titel des Buches lässt an den Band Der missachtete Leser denken, in dem Peter Glotz und Wolfgang Langenbucher Ende der 60er Jahre für mehr Verantwortung im Journalismus und für eine bessere Aufklärung der Bürger plädierten. Obwohl das Buch den Finger in die Wunde legte – eine rege Debatte zwischen Wissenschaft und Praxis über den Lokaljournalismus, sein Potential und seine Relevanz konnte es nur begrenzt auslösen. Publikationen zum Lokaljournalismus gibt es weiterhin wenige; Lokale Publizistik von Norbert Jonscher ist zu nennen und der Band Lokaljournalismus, der Ende der 90er vomDer Sammelband ist ein Produkt des Projekts “Initiative Lokaljournalismus in Nordrhein-Westfalen” (INLOK), dessen Ziel es ist, über Weiterbildungsangebote die Qualität des Lokaljournalismus in NRW zu verbessern. Rund um das Thema des Lokalen sind aus der Perspektive von Wissenschaftlern und Praktikern einzelne Mosaiksteine zusammengefügt, die ganz unterschiedliche Bereiche des lokalen Journalismus darstellen. Die journalistische Aus- und Weiterbildung ist dabei nicht nur der Ausgangspunkt, sondern auch ein zentraler Bestandteil des Buches; eine erfolgreiche Bilanz für das bundesweite Programm der Bundeszentrale für politische Bildung ziehen beispielsweise Lutz Feierabend und Fritz Wolf. Anregungen für die Weiterbildung und den Redaktionsalltag liefern einzelne Kapitel, die die Praxis unterschiedlicher Ressorts des Lokaljournalismus thematisieren: Geschichtsthemen im Lokalen beispielsweise (Horst Pöttker), Kommunalrecht und Kommunalpolitik (Udo Branahl), Presserecht (Kurt Braun) oder Recherche (David Schraven).
Überraschungen für den Leser ergeben sich dann, wenn ganz unterschiedliche Mosaiksteine direkt nebeneinander liegen: Wiebke Möhring zieht eine wissenschaftliche Bilanz des Entwicklungsstandes des Lokaljournalismus in Deutschland und zeigt neue Entwicklungspotentiale auf. In direktem Anschluss plädiert Anke Vehmeier aus der Perspektive der Praxis für eine Professionalisierung des Personalmanagements im lokalen Journalismus, gefolgt von Annika Sehls Studie zur Partizipation im Lokalteil von Tageszeitungen.
Die Stärke des Bandes ist es sicherlich, dass es hier beispielsweise sehr gut gelingt, interessante und fundierte Impulse aus der Wissenschaft und aus der Praxis zu versammeln. Dies liegt womöglich auch darin begründet, dass die Herausgeber an dieser Stelle von ihrem Motto “alles zum Lokalen, made in NRW” abgewichen sind. Paradoxerweise hat der Band zum Lokalen also genau da seine Qualitäten, wo er über den lokalen Tellerrand von NRW hinausblickt und bundesweite Trends und Forschung in den Blick nimmt. Hier wären für den Leser sicher mehr Beiträge wünschenswert gewesen.
Ob abschließend noch eine Vielzahl an Testimonials des INLOK-Programms nötig gewesen sind – “unerwarteter Segen” (Stefan Aschauer-Hundt), “erfrischend praxisnah” (Volker Morgenland), “Erfahrungen eines INLOK-Teilnehmers” (Dirk Fahrland), sei dahingestellt. Dennoch bietet die Textsammlung einige spannende Anregungen, den Wert des Lokaljournalismus nicht zu ver-, sondern zu er-kennen.
Links:
Über das BuchHorst Pöttker, Anke Vehmeier (Hrsg.): Das verkannte Ressort. Probleme und Perspektiven des Lokaljournalismus. Wiesbaden [Springer VS] 2013, 280 Seiten, 39,99 Euro.Empfohlene ZitierweiseHorst Pöttker, Anke Vehmeier (Hrsg.): Das verkannte Ressort. von Kretzschmar, Sonja in rezensionen:kommunikation:medien, 10. Juni 2014, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/16452