Rezensiert von York Kautt


Vor allem drängt sich im theoretischen Teil des Buches immer wieder die Frage auf, inwiefern, inwieweit und mit welchen Argumenten Rahmen als soziale (kulturelle, gesellschaftliche) und/oder mentale/kognitive Konstruktionen verstanden werden. Dies geschieht schon deshalb, weil die Autorin Frames zwar im Wesentlichen als kognitive Schemata auffasst, mit ihren Gegenständen (Bildern, Texten) aber Kommunikationen in den Mittelpunkt stellt – also soziale Tatbestände. Man hätte sich jedenfalls eine vertiefte Auseinandersetzung mit soziologischen Rahmen-Konzepten und deren Abgrenzung zu psychologischen Rahmenbegriffen gewünscht, um den Zugriff auf das Thema besser verstehen zu können.
Die kursorische Darstellung von Goffmans Rahmentheorie leistet dies nicht, indem sie Goffmans Konzept psychologisch umdeutet. Rahmen sind für Goffman ja gerade nicht “subjektive Situationsdefinitionen” (15), sondern soziale Konstruktionen, die als intersubjektive ‘Deutungsmuster’ nicht über Objekte (z. B. Dinge, Menschen), sondern über sozial typisierte Vorstellungen von Objekten definiert werden (vgl. Goffman 1974). Dass Vorstellungen von Alter, von Altern und von Alten im Sinne sozialer Rahmen einer sozial konstruierten Wirklichkeit (Kosmologie) zugehören, die kognitiven Frames prinzipiell vorausgeht bzw. an deren Ausbildung immer schon beteiligt ist, ließe sich mit Goffmans Rahmentheorie, die sich auch ausführlich mit Bildern und “Bilder-Rahmen” beschäftigt (vgl. Goffman 1977) gut darstellen. Demgegenüber setzen die Ausführungen von Ziegelmaier die kognitiven Frames, z. B. die der Journalisten, immer wieder an den Anfang der massenmedialen Thematisierung von Alter (vgl. z. B. 62), während die soziale Konstruktion von Alter zwar auf einigen Seiten abgehandelt, aber nicht theoretisch in das Rahmenkonzept integriert wird.
Im Bereich der empirischen Untersuchung ist zunächst die Gegenüberstellung einer Rahmenanalyse der Medienprodukte mit den Framing-Prozessen der Rezipienten positiv hervorzuheben (letztere werden mit dem kognitionspsychologischen Sorting Task-Verfahren fokussiert). Der empirischen Untersuchung liegen die Daten einer Vollerhebung der mit Alter befassten journalistischen Text- und Bildbeiträge der Jahre 2000-2005 der großen Publikumszeitschriften “Focus“, “Stern“, “Die Zeit” und der “Spiegel” zu Grunde – d. h. ein Materialkorpus, den man im Kontext Nachrichten und Berichte als durchaus repräsentativ für die aktuelle (deutsche) Medienlandschaft betrachten kann. Indem Ziegelmaier die Produkte im Rahmen eines qualitativen und quantitativen Forschungsdesigns untersucht, gewinnen ihre Befunde umso mehr an Relevanz. Auf der Ebene der Analyse der Medien-Inhalte und -Darstellungsformen überrascht ggf. das Ergebnis, dass positiv wertende Altersdarstellungen negative Beurteilungen deutlich überwiegen und das, obwohl die Themen Sozialpolitik und Pflege die mit dieser Altersklasse verknüpften Medienberichterstattungen quantitativ deutlich dominieren.
Auf der Ebene der Rezeptionsanalyse macht Ziegelmaier überzeugend deutlich, dass die Sinnkonstruktionen der (visuellen) Medientexte von den Bildbetrachtern durchaus im intentionierten Sinne wahrgenommen und emotional/kognitiv bewertet bzw. interpretiert werden, wobei sich die Einschätzungen der Befragten trotz großer Altersunterschiede (zusammengefasst werden die Gruppen der 29- bis 49-Jährigen und 65+-Jährigen) hinsichtlich der meisten (Bild-)Inszenierungen weitgehend entsprechen. Das Vorurteil bzw. die alltagstheoretische Annahme, dass Alter (auch) in den journalistischen Formaten vorwiegend negativ thematisiert wird – eine Einschätzung, die nicht zuletzt in der Medienberichterstattung selbst wiederholt formuliert wird – kann von der Autorin auf einer soliden Datenbasis entkräftet und durch ein differenziertes Bild des Medienthemas Alter auf der Seite der Produktion wie auf der Seite der Rezeption ersetzt werden.
Den mit Alter befassten und an empirischen Analysen im Kontext der journalistischen Berichterstattung interessierten Medien-, Kommunikations- und SozialwissenschaftlerInnen kann Ziegelmaiers Buch empfohlen werden, weil es einen guten Überblick über die gegenwärtigen Inszenierungs- und Rezeptionsformen zu diesem Zusammenhang gibt.
Literatur:
- Goffman, E.: Frame-Analysis. An Essay on the Organisation of Experience. New York 1974.
- Goffman, E.: Gender Advertisements. New York 1977.
Links:
- Verlagsinformationen zum Buch
- Webpräsenz von York Kautt an der Universität Gießen