Rezensiert von Marina Liakova
In seinem Buch befasst sich Fabian Wahl mit der Darstellung des Islam in den Medien. Ein Thema, das zwar nicht neu, aber weiterhin aktuell ist. Wahls Vorgehen ist explorativ, denn im Zentrum seiner Arbeit steht nicht der Islam und die Komplexität des Bildes der Muslime in den Medien, sondern die Frage nach der journalistischen Güte. Der Autor stellt sich die anspruchsvolle Aufgabe, durch die Art der Präsentation des Islam in bestimmten Medien, Schlüsse über ihre Qualität zu ziehen: Die Darstellung des Islam soll das journalistische Niveau der Medien indizieren. So werden zwei Themen, die in den Sozialwis- senschaften zum größten Teil bisher abgekoppelt voneinander analysiert wurden – die journalistische Qualität wird vor allem in der Medienforschung und das Islambild eher in der Islamwissenschaft oder aber in der Migrations- und Integrationsforschung problematisiert – in der Arbeit von Wahl synthetisch behandelt.Das Buch ist in fünf Teile gegliedert. Im ersten Teil wird der theoretische Hintergrund der Untersuchung dargestellt. Zum Einstieg wird den Lesern ein Überblick über die bislang durchgeführten Studien zur Berichterstattung über den Islam angeboten. Im Weiteren wird der Begriff “journalistische Qualität” definiert; die unterschiedlichen Modelle der Messung der journalistischen Qualität werden detailliert besprochen.
Im zweiten Teil erfolgt die Darstellung der empirischen Studie, die vom Autor konzipiert und durchgeführt wurde. Die Forschungsfragen werden formuliert, die Auswahl der empirischen Methode – die quantitative Inhaltsanalyse – wird begründet, die Erarbeitung des Kategoriensystems und die praktische Umsetzung werden umfangreich beschrieben. Analysiert werden drei Tageszeitungen, wobei die Auswahl auf eine Boulevardzeitung (die BILD-Zeitung), auf eine “überregionale Qualitätszeitung” (die Süddeutsche Zeitung) und auf eine “Regionalzeitung” (der General-Anzeiger Bonn) fiel. Die Fokussierung auf die Printmedien wird vom Autor ausführlich mit ihrer Bedeutung bei der “öffentlichen Meinungsbildung” (71) erklärt. Der Untersuchungszeitraum orientiert sich am sogenannten Mohammed-Karikaturenstreit und umfasst 33 Untersuchungstage – vom 27. Januar bis zum 6. März 2006.
In Teil drei werden die Ergebnisse der empirischen Studie dargestellt; sie werden bezüglich der im theoretischen Teil begründeten Qualitätskriterien Vielfalt, Unparteilichkeit, Richtigkeit, Transparenz und Verständlichkeit interpretiert. Im vierten Teil resümiert der Autor die Befunde seiner Arbeit und bietet den Lesern einen kurzen Ausblick. Im umfangreichen fünften Teil befinden sich das Literaturverzeichnis, der tabellarische Anhang und der Codebogen, die einen Blick ins Instrumentarium des Forschenden ermöglichen.
Die Ergebnisse der Untersuchung fallen nicht überraschend aus: Die Süddeutsche Zeitung erfüllt am besten die vom Autor definierten Qualitätskriterien. Der General Anzeiger bildete nach Fabian Wahl “das Mittel zwischen der Süddeutschen Zeitung und der BILD-Zeitung” (124). Die meisten Artikel und auch die meisten Abbildungen zum Thema Islam wurden in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht. Die meisten Beiträge wurden im Ressort Politik platziert.
Im Gesamtkonzept der Studie ist die Auswahl der Medien, die inhaltlich analysiert wurden, problematisch. Der Qualitätsvergleich zwischen der Süddeutschen Zeitung, dem General-Anzeiger und der BILD-Zeitung gestaltet sich schwierig, da diese Tageszeitungen unterschiedliche Ziele und Ansprüche haben und unterschiedliches Publikum ansprechen. Wäre nicht ein Vergleich beispielsweise zwischen der Frankfurter Allgemeinen und der Süddeutschen Zeitung, zwischen der WAZ und dem General Anzeiger und zwischen der BILD-Zeitung und dem Express aussagekräftiger gewesen?
Der Anfang des Buches (Kapitel 2.1.) ist holprig: Auf zwei Seiten die Konfliktlinien zwischen dem Islam und dem Westen und auf einer halben Seite die Problematik der Verankerung des Islam in Deutschland zu thematisieren, kann weder präzise genug, noch vollständig sein. Die auf den Seiten 22-23 präsentierte These von Bergmann, dass das Feindbild des Islam mit der Dauer des Zusammenlebens korreliert, lässt sich am Beispiel der Darstellung des Islam in den Medien in Südosteuropa nicht belegen. Generell stellt sich die Frage, ob man die Qualität der Medien an nur einem Thema erfassen kann oder ob man dafür mehrere Themen und einen längeren Zeitraum benötigt.
Trotz dieser Kritikpunkte ist die Fragestellung des Autors originell. Die theoretische Fundierung ist gut, die Vorgehensweise wurde korrekt begründet. Das Buch von Fabian Wahl ist eine interessante Lektüre, nicht nur für Studierende und Doktoranden der Sozial- und Medienwissenschaften, sondern auch für Forscher anderer Fachrichtungen, die dieses Thema bearbeiten.
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Über das BuchFabian Wahl: Der Islam in den Medien. Journalistische Qualität im Streit um die Mohammed-Karikaturen. Marburg [Tectum Verlag] 2011, 169 Seiten, 24,90 Euro.Empfohlene ZitierweiseFabian Wahl: Der Islam in den Medien. von Liakova, Marina in rezensionen:kommunikation:medien, 22. Mai 2012, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/9009