Rezensiert von Eva Kimminich
Das in sechs Kapitel gegliederte Buch befasst sich mit einem bereits viel diskutierten Phänomen, mit den Techniken und Strategien des Marketings bzw. des dieses unterlaufenden Culture Jammings sowie ihren jeweiligen Auswirkungen auf den Konsum- kapitalismus. Der Autor stützt sich dazu einerseits auf die ersten kritischen Überlegungen von Guy Debord aus den 1950er Jahren, andererseits auf die sich ebenfalls auf Debord stützende und diese weiterführende Theorie von Douglas Kellner (2005). Dieser Ansatz der Cultural Studies wird mit semiotischen Fragestellungen verknüpft, die aus Umberto Ecos Überlegungen zur semiotischen Guerilla bzw. den Studien John Fisks abgeleitet werden. Ziel ist es, diese Ansätze zur Beleuchtung subkultureller Lebensweisen und konkreter Praktiken des Widerstands gegen den Konsumkapitalismus und deren Wirkungsmöglichkeiten heranzuziehen.Diese Formen des Widerstands sollen nicht nur als Symptom einer Ökonomisierung von Kultur betrachtet werden, wie Jeremy Rifkin (2000), Pierre Bourdieu (2001) und Benjamin Barber (2007) diagnostizierten. Sie sollen vielmehr auf der Ebene der Zeichensetzung als “Zirkulation von Bedeutungen” (Fisk) beleuchtet werden, die einerseits, wie Antonio Gramsci in 1930er Jahren prognostizierte, zu einer “kulturellen Hegemonie” wirtschaftlicher Unternehmungskonglomerate führte, wie wir sie heute haben. Andererseits bringt diese Kolonisation der Lebenswelt auch neue Kulturformen und neue Praktiken des Widerstands hervor (Kellner 2005). Sie manifestieren sich in subkulturellen Lebensweisen und in gezielten Aktionen des Widerstands, die Völlinger an ausgewählten Beispielen unter kommunikationswissenschaftlichen und zeichentheoretischen Aspekten diskutieren will.
In den ersten beiden Kapiteln werden, bisweilen etwas knapp, einerseits die wesentlichen Positionen der genannten und weiterer kulturkritikscher Theoretiker zur “semiotischen Kolonisation” durch eine gezielte Markenpolitik resümiert. Anderseits werden kommunikationstheoretische Grundlagen dargelegt, die diese Widerstandspraktiken semiotisch fassbar machen sollen. In beiden Kapiteln wird der Leser übersichtlich, aber teilweise etwas zu dicht, über die Entwicklung der dargelegten Überlegungen und Theorien orientiert, die mit gezielt gewählten Zitaten die Perspektive des Autors stützen. Völlingers Konzept ist an sich schlüssig. Man würde sich an einigen Stellen der zitierten Theorien bzw. der daraus gezogenen Schlussfolgerungen aber eine etwas ausführlichere Darlegung und Argumentation des Autors selbst wünschen.
Im 3. Kapitel widmet sich Völliger den Praktiken des Widerstands, die er nicht nur unter gesellschaftspolitischen Aspekten betrachtet, sondern auch unter semiotischen Gesichtspunkten, eine durchaus innovative Herangehensweise. Zur Darstellung subkulturelle Lebensweisen, die als “intentionale Gemeinschaften” betrachtet werden, wählt der Autor die bekanntesten bzw. aktuellsten aus. Exemplarisch vorgestellt und diskutiert werden der von Dick Hebdigde 1979 analysierte Stil der Punks, der von Jean Baudrillard 1978 diskutierte “Aufstand der Zeichen” durch Graffiti und das in jüngster Zeit ins Zentrum der Subkulturforschung gerückte Skateboarding als Rückereroberung des urbanen Raums durch körperliche Aktivität. Sie lässt den Skater “zu einer Art von personifiziertem Zeichen des Widerstands” (76) werden.
Das 4. Kapitel befasst sich mit dem von Kalle Lasn 2000 in Englisch erschienenen Buch zum Culture Jamming. Knapp aber informativ werden dessen Methoden (Camouflage, Fake, Umdeutung, etc.) vorgestellt sowie die durch dieses Buch angeregten bzw. durch die sogenannte a.f.r.i.k.a-Gruppe weiterentwickelten und angewandten Praktiken (z. B. Sniping, Subvertising, Cyberjamming oder Flashmobs); teilweise werden sie an einigen Bildbeispielen in ihrer Anwendung erläutert. Eine kritische Diskussion hätte darauf hinweisen müssen, dass nicht alle diese Praktiken ausschließlich Ausdruck bewussten und gezielten Widerstands sind, gerade beim Flashmobbing spielt auch der pure Fun-Faktor eine wichtige Rolle. Ergänzt wird diese Bestandsaufnahme durch die im 5. Kapitel kurz vorgestellten Assimilationsmethoden von Widerstandssymbolen durch die Wirtschaft, die zeigen, wie leicht dieser semiotische Widerstand selbst wieder dem System des Marketings einverleibt werden kann.
Insgesamt betrachtet eignet sich die deskriptiv-analytische Studie gut für den Einstieg in diese Thematik. Der Leser wird auf die ersten Theoretiker zur Kritik am Konsumkapitalismus aufmerksam gemacht und an die Weiterführung ihrer Ideen in den Cultural Studies herangeführt. Die Stärke des Buches besteht sicherlich nicht darin, deren Argumentationen ausführlich und kritisch zu diskutieren. Sie liegt vielmehr darin, verschiedene theoretische Positionen für den mit diesem Thema bereits vertrauten Leser zusammenzubringen und sie zur Betrachtung exemplarisch ausgewählter subkultureller Lebensstile und konkreter Widerstandspraktiken anzuwenden, die sich in den letzten 50 Jahren entfaltet haben bzw. dabei sind, sich zu entwickeln. In dieser Hinsicht wird dem Leser vor Augen geführt, wie bunt die Vielfalt widerständiger Aktionen ist und in welchem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang ihr Spiel mit Zeichen und Bedeutungen zu sehen und gedeutet werden kann.
Etwas zu optimistisch fällt der Ausblick aus. Eine Einschränkung des in sämtliche, auch die intimsten, Lebensbereiche des Individuums eindringenden Konsumkapitalismus wünschen sich seit Debord und Lasn sicherlich viele kritische Köpfe. Aber gegen den anhaltenden, zunehmend geförderten und eher steigenden Konsumrausch konnten offensichtlich bisher auch die hartnäckigsten Guerilleros mit ihren kreativen und originellen subversiven Praktiken nicht ankommen, so gerne man das auch sehen würde. Immerhin sind sie selbst lebende und handelnde Zeichen dafür, dass es noch Menschen gibt, die nicht nur nachdenken, sondern auch handeln. Darauf macht Völlingers Buch aufmerksam und das mag zwar nicht zur Massenaufklärung führen, aber die Anzahl der Konsumrebellen zumindest konstant halten. Alles in allem also ein lesenswertes Buch.
Links:
- Verlagsinformationen zum Buch
- Webpräsenz von Eva Kimminich an der Universität Potsdam