Kirsten Rautenberg: Medienwandel durch Crossmedia

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Rezensiert von Lars Rinsdorf

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Kirsten Rautenberg veröffentlicht mit Medienwandel durch Crossmedia ihre Dissertation, die 2012 von der Universität Köln angenommen wurde. Sie setzt sich in ihrer Fallstudie damit auseinander, wie die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt Radio Bremen neue redaktionelle Strukturen schafft, um auf stark durch Webangebote geprägte Nutzungsgewohnheiten angemessen zu reagieren. Im konkreten Fall geht es um eine engere Verschränkung von Online-, TV- und Radioredakteuren zur kanalübergreifenden Aufbereitung aktueller Themen. Dazu befragte sie im Bremer Funkhaus quantitativ Redakteure, führte Experteninterviews mit Führungskräften und beobachtete redaktionelle Abläufe bei der verschränkten Produktion von Inhalten für Radio, Fernsehen und die Web-Angebote des Senders.

Rund vier Jahre liegen zwischen Abgabe und Veröffentlichung der Dissertation; die Marktanalyse berücksichtigt Daten bis 2009, die Beobachtung fand ebenfalls im Jahr 2009 statt, die Literaturanalyse ist auf dem Stand von 2011. Seitdem hat sich die Medienwelt erheblich weiterentwickelt, etwa hinsichtlich der Bedeutung sozialer Netzwerke für die Nachrichtennutzung oder der Virtualisierung redaktioneller Strukturen. Damit stellt sich die Frage nach den nachhaltigen Ergebnissen der Arbeit, die diese Aktualitätslücke überdauern.

Diese können zwangsläufig kaum in der Darstellung des Forschungsstandes liegen. Der wissenschaftliche Diskurs über crossmediales Arbeiten bis 2010 wird breit aufbereitet, aber seitdem sind neue Themen (wie etwa Datifizierung des Journalismus) und neue theoretische Ansätze (wie z. B. Akteur-Netzwerk-Theorien) hinzugekommen, die das Ineinandergreifen von Technologie und professionellen Akteuren in Redaktionen beschreiben. Dies kann man kaum vorhersehen. Aber vor diesem Hintergrund wird umso deutlicher, dass die Autorin weitgehend darauf verzichtet, die Erkenntnisse ihrer Literaturarbeit und ihrer empirischen Befunde in einen theoretischen Rahmen einzuordnen, der robuster gegenüber der Dynamik des journalistischen Feldes ist, wie etwa strukturationstheoretische Ansätze, die in der deutschsprachigen Journalismusforschung weit verbreitet sind und den Wandel im Journalismus als Zusammenwirken von institutionellen Rahmenbedingungen und deren Anwendung und Interpretation durch journalistische Akteure beschreiben.

Trendresistent könnten dagegen Methodeninnovationen sein, aber auch damit kann die Studie nicht dienen. Das empirische Design aus Experteninterview, Befragung und Beobachtung ist solide und der Fragestellung absolut angemessen. Und zweifellos stellt jede Erlaubnis, eine Redaktion beobachten zu können, immer eine großartige Gelegenheit dar, wertvolle Daten über den Wandel im Journalismus zu bekommen. Auf der anderen Seite fehlt jedoch eine systematische Darstellung der Operationalisierung, von dem man beim Design von Nachfolgestudien profitieren könnte.

Auch in der Auswertung der Befunde wird das Potenzial des empirischen Ansatzes nicht umgesetzt. Überwiegend werden Ergebnisse aus den drei empirischen Zugängen einzeln deskriptiv dargestellt, mit einem klaren Schwerpunkt auf der quantitativen Redakteursbefragung. Nur anschnittsweise bezieht die Arbeit allerdings Feststellungen aus Befragung, Beobachtung und Experteninterviews systematisch aufeinander, um zentrale Forschungsfragen zu beantworten.

Was aber ist der wissenschaftliche Ertrag der Arbeit? Auch Rautenbergs Studie liefert einerseits überzeugende Belege dafür, dass ein Haupthindernis für die Anpassung redaktioneller Arbeit an eine digitalisierte Medienumwelt in den Schwierigkeiten von Journalisten liegt, sich von Arbeitsroutinen zu trennen, die mit einem einzigen Ausspielkanal verbunden sind. Andererseits wird erneut erkennbar, wie stark der Erfolg redaktionellen Strukturwandels auch davon abhängt, dass ein Medienunternehmen die notwendigen personellen, technischen und finanziellen Ressourcen dafür bereitstellt.

Im Spannungsfeld dieser zentralen Resultate zeigen sich allerdings auch die spezifischen Begrenzungen der Fallstudie über Radio Bremen, denn in den ermittelten Befunden zeichnen sich immer auch die Besonderheiten einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ab wie etwa einer stark kanalorientierten Redaktionskultur, einer nachdrücklichen Formalisierung von Reformprozessen und einem von rundfunkpolitischen Vorgaben geprägten Diskussion um digitalen Wandel. Daher lohnt sich ein Blick in die Untersuchung vor allem auch für diejenigen Wissenschaftler, die besonders an der Transformation des gebührenfinanzierten Journalismus in Deutschland interessiert sind.

Auch diese Zielgruppe muss sich allerdings auf die ungewöhnliche Gliederung der Arbeit in die Kapitelthemen Die Rahmenbedingungen von Radio Bremen, Und täglich grüßt das Internet, Crossmedia im journalistischen Alltag, Medien im Web 2.0 sowie Der ökonomische Einfluss auf die Rundfunkanstalten einlassen, in der empirische Befunde und Ergebnisse der Literaturarbeit gleichzeitig dargestellt werden. Diese Gliederung erleichtert die Einordnung der Daten aus der Fallstudie in der jeweiligen Dimension, erschwert allerdings den Blick auf das Zusammenwirken der unterschiedlichen Trends und deren Folgen für redaktionelles Arbeiten.

Dies leistet auch das Fazit nur eingeschränkt. Hier werden zunächst stichwortartig zentrale Feststellungen zusammengefasst. Anschließend werden griffige Thesen zur Zukunft des Journalismus formuliert und der weitere Forschungsbedarf skizziert. Diese Abschnitte stehen jedoch relativ unverbunden nebeneinander, sodass es dem Leser überlassen bleibt, die ermittelten Resultate und die Schlussfolgerungen daraus miteinander zu verbinden.

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Über das BuchKirsten Rautenberg: Medienwandel durch Crossmedia. Konstanz/München [UVK] 2015, 250 Seiten, 39,- Euro.Empfohlene ZitierweiseKirsten Rautenberg: Medienwandel durch Crossmedia. von Rinsdorf, Lars in rezensionen:kommunikation:medien, 7. Juni 2016, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/19180
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