Johanna Haberer, Friedrich Kraft (Hrsg.): Kompendium Christliche Publizistik

Einzelrezension, Rezensionen
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Rezensiert von Christoph Bultmann

Einzelrezension
Gemäß dem Vorwort soll der Band in die Lehr- und Forschungsbereiche an der Professur Christliche Publizistik im Fachbereich Theologie der Universität Erlangen einführen, die die Mitherausgeberin J. Haberer seit 2001 innehat. Der Band ersetzt einen Vorgängerband von 2004, der als “Lesebuch Christliche Publizistik” erschienen war. Da die Abteilung Christliche Publizistik ein MA-Programm “Christliche Medienkommunikation” für Studierende mit abgeschlossenem Theologiestudium sowie ein MA-Programm “Medien-Ethik-Religion” für Studierende verschiedener Studienrichtungen mit einem BA-Abschluss, die im Medienbereich tätig sein wollen, anbietet, soll das Kompendium zugleich die Lehrenden vorstellen und Informationen für Studieninteressierte bieten. Der griffige Band enthält vier Beiträge von J. Haberer, je zwei Beiträge von D. Meier und von H. J. Luibl, und je einen Beitrag von S. Brown, J. Helmke, H. Joisten, F. Kraft, S. Krückeberg, P. Lee, I. Pavlovic, J. Uden und T. Zeilinger, wobei der letztgenannte als Co-autor an zwei weiteren Beiträgen gemeinsam mit M. Feldrapp bzw. I. Stapf beteiligt ist.

Das Themenspektrum schließt Fernsehen, Radio, Internet, Social Media, die Filmpublizistik und die Buchbranche mit ein, auch historische Themen, auch medienethische Themen, und lässt das Spannungsfeld zwischen der “publizistischen Selbstdarstellung” und der “journalistischen Wahrnehmung” der Kirche erkennbar werden. Der einleitende Beitrag stellt die „Handlungsfelder Christlicher Publizistik“ vor (J. Haberer), der abschließende Beitrag stellt die “Christliche Publizistik als interdisziplinäre Wissenschaft” zwischen Theologie und Medienwelt vor (R. Uden). Die Frage, ob diese interdisziplinäre Spannung der Publizistik glaubhaft aufgelöst ist, wenn es im Beitrag “Religion und nachmoderne Unterhaltungskultur” (H. J. Luibl) heißt: “Am Ende sagt es vermutlich doch der liebe Gott im Himmel: We love to entertain you. Und eine himmlische Leichtigkeit breitet sich aus” (212), mag die Motivation von Studieninteressenten fördern.

Die Medien als Kommunikationsmittel der Kirche neben die eher internen Formen von Liturgie, Predigt, Katechese und Diakonie zu stellen, reicht nicht aus. Wie Haberer darlegt, erkennt die Kirche für sich auch ein “Mandat” darin, die Freiheit der Medien im Interesse des Ganzen der Gesellschaft zu verteidigen (16f.). Die zentralen Arbeitsbereiche der evangelischen Publizistik beziehen sich dennoch auf direkte kirchliche Öffentlichkeitsarbeit, direkte kirchliche Mitgliederbetreuung (Gemeindebriefe und Kirchenzeitungen), direkte kirchliche Verkündigungssendungen, eine Filmproduktion, bei der ein “christliches Menschenbild” zugrundeliegt (vgl. 27), oder ein Magazin wie Chrismon, das hier mit der schönen Chiffre “eine Art GEO für die Seele” vorgestellt wird (60f., vgl. 68) und trotz ästhetischen Mindermaßes wegen seiner Millionenauflage (vgl. 26 bzw. 60) nicht unterschätzt werden darf – für die “gesellschaftspolitisch, kirchlich und theologisch engagierte” Zeitschrift Publik-Forum wird dagegen eine Auflage von 40.000 genannt (62), die Monatszeitschrift zeitzeichen bleibt unerwähnt. Dass das postulierte besondere gesellschaftliche “Mandat” der Kirche erfolgreich wahrgenommen wird, wenn epd-Medien als “Fachdienst für Medienschaffende” die “medienethische […] Verfasstheit des Mediensystems” beobachtet und kommentiert (22, 67), dürfte weniger evident sein als zu wünschen wäre.

Wer Informationen über die aktuellen Arbeitsbereiche der evangelischen Publizistik sucht, ist mit dem Band bestens beraten. In ihrem historischen Rückblick auf das 16. und das 19. Jahrhundert macht Haberer eine typisch zu verstehende Polarität zwischen Publizistik als einem “hierarchieunabhängigen und pluralen Forum der Kommunikation” und einem “konservativen, apologetischen, zugleich aber sozial engagierten” Projekt deutlich (vgl. 49 bzw. 52; 65f.). Die Produkte, von denen in den meisten anderen Beiträgen die Rede ist, ließen sich auf einer entsprechenden Skala einordnen. Dem hohen Grad an kirchlich-publizistischer Aktivität entspricht indessen noch kein theoretisches Modell des medialen Kommunikationsprozesses; Haberer spricht von der “theoretisch-theologischen Nichtbehandlung des Medienthemas” (64) und stellt die Frage, ob sich nicht “die Theologie um eine Disziplin erweitern solle” (78). Dabei bezieht sie energisch Stellung zugunsten eines kirchlichen Raums auch für “professionellen Journalismus mit seinen Grundsätzen von Unabhängigkeit und Kritik” (77).

Richtet sich diese Frage an die Theologie, an Kirchenleitungen und Kirchensynoden, so dürfen die Beiträge zur Medienethik allgemeinere Aufmerksamkeit beanspruchen. Ein Beitrag von I. Stapf und T. Zeilinger führt didaktisch sauber in Medienethik als eine “Frage von Freiheit und Verantwortung” ein (241-262), S. Brown bietet mit besonderem Bezug auf das Internet “thoughts on an international code of ethics in communication“ (263-286). F. Kraft schreibt knappe “ethische Hinweise zur journalistischen Sprache” (297-304), bei denen jedoch zu viele Probleme unberücksichtigt bleiben, z.B. das Problem abschätziger oder diffamierender Markierungen: Ist eine Muslimin, die die rituellen Gebetszeiten einhält und ein Kopftuch trägt, tatsächlich ein Opfer von “Gehirnwäsche”? Oder das Problem manipulativer Erschleichung von Autorität: Journalist A bezieht sich auf die Recherche von Journalist B, doch B ist der Mitarbeiter einer Parlamentsabgeordneten, der nur hin und wieder in einem parteinahen Organ schreibt – kann man ihn also einen “Journalisten” nennen? Studierende können sich in Erlangen auf interessante Lehrveranstaltungen freuen.

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Über das BuchJohanna Haberer, Friedrich Kraft (Hrsg.): Kompendium Christliche Publizistik. Erlangen [Christliche Publizistik Verlag] 2014, 324 Seiten, 25,- Euro.Empfohlene ZitierweiseJohanna Haberer, Friedrich Kraft (Hrsg.): Kompendium Christliche Publizistik. von Bultmann, Christoph in rezensionen:kommunikation:medien, 28. Januar 2015, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/17320
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Ein Kommentar auf “Johanna Haberer, Friedrich Kraft (Hrsg.): Kompendium Christliche Publizistik
  1. Prof. Friedrich Kraft sagt:

    Der Einwand des Rezensenten, mein Buchbeitrag zu ethischen Fragen der journalistischen Sprache lasse “zu viele Probleme unberücksichtigt”, erscheint mir angesichts der dann genannten Beispiele als absurd. Die verschwommen angedeuteten Fälle haben keinerlei Bezug zu meiner Themenstellung. Inzwischen hat sich ergeben, dass der Rezensent mit dieser vorgeblichen Mängelanzeige auf ein persönliches Engagement anspielt, bei dem es um ein aus seiner Sicht gefälschtes Zitat im “Spiegel” und diesbezügliche vergebliche Beschwerden beim Deutschen Presserat geht. Die Vorstellung, solche singulären Angelegenheiten hätten in meinem Text verhandelt müssen, entbehrt nicht der Komik.