Rezensiert von Beatrice Dernbach
Der Band von Marcus Maurer ist das dritte Buch, das in der Reihe Konzepte. Ansätze der Medien-und Kommunikationswissenschaft erschienen ist, die seit 2010 von Patrick Rössler und Hans-Bernd Brosius herausgegeben wird. Acht Bände sind bereits veröffentlicht, drei weitere für dieses Jahr geplant, 25 sollen es insgesamt werden. Konzept der Reihen-Herausgeber ist, die “Lücke zwischen den großen Überblickswerken auf der einen Seite […] und andererseits den Einträgen in Handbüchern und Lexika” zu schließen. Nur in diesem Kontext erhält der Band von Marcus Maurer seine Berechtigung und Wertigkeit.Inhalt der Lehrbuchreihe sind einzelne Ansätze der Mediennutzungs- und Wirkungsforschung; hauptsächliche Zielgruppe sind Studierende, die sich mit einzelnen Theorien mittlerer Reichweite beschäftigen. Gerechtfertigt ist die Bezeichnung Lehrbuch deshalb, weil alle Bände der Reihe einem einheitlichen Aufbau folgen, d. h. sie skizzieren die historische Entwicklung des Ansatzes, liefern grundlegende Definitionen, nehmen theoretische Differenzierung vor, stellen empirische Befunde zusammen und zeigen Kontroversen und Weiterentwicklungen. Didaktisch ist das Ganze aufbereitet in Form von Kernsätzen, Anekdoten, Definitionen, Kurzbiografien der einschlägigen Autoren sowie kommentierten Literaturempfehlungen. Soweit die Idee.
Marcus Maurer setzt diese in dem Band Agenda-Setting durchaus pragmatisch um. Im ersten Kapitel geht es um die Grundzüge der Theorie, im zweiten um die Entwicklungsgeschichte des Ansatzes, das dritte ist betitelt mit “Forschungslogik der Methode”, in Abschnitt 4 folgen empirische Befunde, im fünften Kapitel geht es um Kritik und Weiterentwicklung, im sechsten um verwandte und konkurrierende Ansätze, bevor im siebten Kapitel die gesellschaftliche Relevanz des Agenda-Setting-Effekts abschließend diskutiert wird. Unter 8. sind die “Top Ten” der Forschungsliteratur zu finden.
Vertieft sich der bereits etwas vorgebildete Leser in die Texte, summiert sich die Zahl der Frage- und Ausrufezeichen sowie der Anmerkungen am Rande (selbstverständlich im persönlichen Exemplar): Ist der Agenda-Setting-Ansatz eine Theorie, eine Methode, ein theoretisches Modell, eine Metapher? Maurer schreibt auf Seite 17: “dass man Agenda-Setting als Spezialfall der Lerntheorie betrachten kann, der sich nur in seinem Gegenstand von anderen Ansätzen in der Medienwirkungsforschung unterscheidet”. Also doch eine Theorie? Maurer “vermeidet” im Folgenden den Begriff “Theorie” bewusst. In anderer Grundlagenliteratur ist konsequent die Rede vom Agenda-Setting-‘Ansatz‘, der darüber hinaus maßgeblich für den Perspektivenwechsel der Medienwirkungsforschung steht – weg von der Frage, was machen die Medien mit den Menschen und hin zur Perspektive, was die Menschen mit den Medien machen.
Bisweilen geraten Behauptungen und Aussagen in dem Band etwas trivial, missverständlich oder gar falsch. Um ein Beispiel zu geben: “Im Grunde müssten die Menschen allen Themen gleichermaßen ihre Aufmerksamkeit widmen. Folgt man dem Agenda-Setting-Ansatz, ist dies aber nicht der Fall.” (14) Schon der erste zitierte Satz ist zu hinterfragen. Warum müssten die Menschen allen Themen Aufmerksamkeit schenken? Eine Auseinandersetzung mit dem Kernbegriff ‘Thema’ hätte dem Text insgesamt sehr gut getan. Und nicht der Agenda-Setting-Ansatz erklärt, dass die menschliche Aufmerksamkeitskapazität beschränkt ist, sondern er zeigt, wie die Medien und das Publikum mit der Aufmerksamkeitsökonomie umgehen und nach welchen Kriterien sich eine Medien- und eine Publikumsagenda bilden bzw. diese sich einander (an-)gleichen.
Im vierten Kapitel werden zu Recht die Schlüsselstudien von McCombs und Shaw (1972) sowie Funkhouser (1973) dargestellt. Die Erwähnung neuerer, aktueller Studien fokussiert sehr stark auf den Output aus dem Mainzer Institut für Publizistik. Sehr hilfreich gerade mit Blick auf die Leserschaft der Studierenden wäre gewesen, einzelne Studien nicht nur zu skizzieren, sondern ein Forschungsprojekt unter dem Agenda-Setting-Ansatz einmal von A bis Z durchzudeklinieren.
Fazit: Für Einsteiger geeignet; dieser Band darf aber nicht die wesentliche Quelle zum Agenda-Setting in einer Hausarbeit sein.
Links:
- Verlagsinformationen zum Buch
- Webpräsenz von Prof. Dr. Marcus Maurer an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
- Webpräsenz von Prof. Dr. Beatrice Dernbach an der Hochschule Bremen