Rezensiert von Claudia Wegener
Der Hörfunk ist ein Medium, das in der Auseinandersetzung mit dem Medienhandeln von Kindern und Jugendlichen bislang kaum Beachtung fand. Nur wenige empirische Arbeiten widmen sich dem Themenfeld, meist sind diese zudem älteren Datums. Umso interessanter ist es, dass Anja Hartung das Radio in den Mittelpunkt ihrer Dissertation stellt. Mittels empirischer Studien will sie der Bedeutung von Humor im Hörfunk nachgehen und dessen Stellenwert im Kontext der Hörfunknutzung Heranwachsender aufzeigen. Dabei geht es der Autorin in ihrer medienpädagogisch motivierten Arbeit vor allem um die Gratwanderung zwischen Humor und Gewalt, um die Frage, wo und in welcher Weise Kinder und Jugendliche die Grenze zwischen Komik und Gewalt ziehen und wie sie diese in ihrem jeweiligen Zusammenhang definieren. Ganz explizit schließt sie damit an ein Forschungsprojekt der Universität Leipzig an, das sich mit auditiv vermittelter Gewalt und deren Wahrnehmung, Bewertung und Verarbeitung von Kindern auseinandergesetzt hat, und führt die hier durchgeführten Studien fort. Die Ergebnisse der Leipziger Studien, nach denen Gewalt als wesentliches Element der Komikgenerierung fungiert, waren für Hartung der Ausgangspunkt ihrer eigenen Arbeiten.Das Forschungsvorhaben insgesamt ist ambitioniert. Einer Aufarbeitung des theoretischen Bezugsrahmens folgt ein triangulatives Forschungsdesign. So betrachtet Hartung nicht nur die Aneignung von Humor im Hörfunk durch junge Rezipienten mit unterschiedlichen Methoden. Diesem Vorgehen stellt die Autorin eine Kommunikatorbefragung und eine Inhaltsanalyse voran, um unterschiedliche Aspekte der Humorvermittlung in die Arbeit einzubeziehen.
Die unterschiedlichen Erhebungen führen in ihrer Zusammenführung zu einer differenzierten Beschreibung von Dimensionen der Aneignung von Komik in den verschiedenen Altersstufen. Dabei zeigt Hartung die Bedeutung medialer und sozialer Erfahrungen für die Aneignung auf wie auch die der Kenntnisse und Erfahrungen, die sich sowohl auf das Medienwissen beziehen als auch auf die kognitiven und sprachlichen Kompetenzen Heranwachsender. Deutlich wird, dass Komik auch im Hörfunk für Heranwachsende ein wichtiges Experimentierfeld ist, das es erlaubt, sich einerseits von den Alltagsaufgaben zu befreien und gleichzeitig zu entlasten, in dem andererseits aber auch Verhaltensweisen und Spielregeln des alltäglichen Umgangs ausgehandelt werden. Die Vermittlung und Aushandlung sozialer Normen spielt dabei eine wesentliche Rolle. Gleichzeitig ist es die Exploration des Komischen, die sich Heranwachsende zu Nutze machen, um den eigenen Status in der Gruppe zu behaupten. Dass die Definition von Gewalt aus Sicht von Kindern und Jugendlichen auch beim Hörfunk mit der Empathie für das Opfer in Zusammenhang steht, macht Hartung in ihren empirischen Studien deutlich. Sympathisieren Heranwachsende mit denjenigen, die Zielscheibe von Spott sind, nehmen sie die damit vermeintlich verbundene Komik eher als Gewalt wahr.
Insgesamt legt Anja Hartung mit ihrer Arbeit eine thematisch, theoretisch und methodisch breite Auseinandersetzung mit dem dargelegten Thema vor. Eben diese Breite ist es auch, die den roten Faden der Darstellung und des Forschungsinteresses mitunter ein wenig aus dem Blick geraten lässt. Dennoch kann der Leser in den Ausführungen der Autorin zahlreiche interessante Ergebnisse zum Thema finden. Ihr Verdienst ist es nicht nur, sich einem bislang zu Unrecht vernachlässigten Gegenstand jugendlicher Mediennutzung zu widmen und dabei die Bedeutung der Medien in den Kontext der Humorforschung einzubeziehen. Darüber hinaus kann sie mit ihren Studien Ergebnisse generieren, die medienübergreifend relevant sind und die Bedeutung von Humor im Kindes- und Jugendalter nachzeichnen.
Links:
- Verlagsinformationen zum Buch
- Private Homepage von Anja Hartung
- Webpräsenz von Claudia Wegener an der Hochschule für Film und Fernsehen “Konrad Wolf” in Potsdam-Babelsberg