Leonard Reinecke, Sabine Trepte (Hrsg.): Unterhaltung in neuen Medien

Einzelrezension
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Rezensiert von Kathleen Arendt

Einzelrezension
Sammelbänden widmet man sich oft mit gemischten Gefühlen. Die Lektüre lässt einen mitunter mit dem ernüchterten Gefühl zurück, eine Sammlung von Beiträgen mit stark unterschiedlicher Qualität und einer mehr, aber wahrscheinlich eher minder großen Nähe zum eigentlichen Thema rezipiert zu haben. Oder aber es stellt sich, wie in diesem Fall, das zufriedene Gefühl ein, eine in sich stimmige, qualitativ hochwertige Zusammenstellung von Beiträgen gelesen zu haben, die eine differenzierte Auseinandersetzung mit einem aktuellen Thema bietet. Bei einem am Reißbrett entworfenen Konzeptband wie diesem ist der richtungsweisende Einfluss der Herausgeber(innen) deutlich prägender als beispielsweise bei einem Tagungsband – damit allerdings auch der Anspruch des Lesers.

Der Sammelband Unterhaltung in neuen Medien, herausgegeben von Leonard Reinecke und Sabine Trepte und veröffentlicht in der Reihe Unterhaltungsforschung im Herbert von Halem Verlag, wird den hohen Ansprüchen ohne Zweifel gerecht. Auf den für einen Sammelband recht umfangreichen 405 Seiten erwarten den Leser 22 Beiträge, die sich der übergeordneten Frage widmen, welchen Herausforderungen sich die Unterhaltungsforschung mit Blick auf neue Medien und Medienangebote stellen muss. Dabei setzen die Herausgeber(innen) zwei Stellschrauben an: Zum einen geht es um die Rezeption und Wirkung neuer Medien, wobei dies sowohl Online-Medien als auch interaktive Formate einschließt und damit der Gefahr begegnet, beispielsweise ausschließlich Computerspielen als das ‘klassische’ neue Unterhaltungsmedium zu thematisieren. Zum anderen scharen sie die Vielfalt an Perspektiven und neuen medialen Angeboten um das Konzept der Unterhaltung als einendes Moment.

Die Beiträge des Bandes werden in drei große Themenkomplexe strukturiert, die sich an die klassischen Ankerpunkte des Forschungs- bzw. Rezeptionsprozesses anlehnen: Der erste Teilbereich widmet sich in neun Beiträgen den theoretischen Grundlagen. Aus vornehmlich medienpsychologischer und kommunikationswissenschaftlicher Sicht werden etablierte wie neuere Theorien z. B. Zwei-Prozess-Modelle des Unterhaltungserlebens (Vorderer & Reinecke), Triadisch-dynamische Unterhaltungstheorie (Früh) und Konzepte der Unterhaltung wie zum Beispiel Präsenzerleben und Involvement (Wirth) oder Interaktivität (Quiring & Ziegele) mit Blick auf die Besonderheiten und Eigenheiten neuer Medien diskutiert. Dabei dürfte dies wohl der interessanteste der drei Teilbereiche des Bandes sein, zeigt er doch auf eindrückliche Art und Weise, dass die Auseinandersetzung mit neuen Medienentwicklungen eine Adaption von Theorien und Konzepten notwendig macht. Dass viele dieser Beiträge mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben, ist eher Inspiration als Frustration.1

Der zweite Teilbereich betrachtet die Angebotsstruktur sowie die Nutzungs- und Gratifikationsdomain neuer Medien. In sechs Beiträge erhält der Leser sowohl einen Überblick über neue Angebotsformen (Bartsch & Kalch) als auch eine jeweils differenzierte Auseinandersetzung mit einzelnen Angebotsformen wie z. B. Social Web (Taddicken) oder mobilen Unterhaltungsangeboten (von Pape). Orientiert am Kommunikationsprozess schließt sich im dritten Teil die Auseinandersetzung mit den Wirkungen der Nutzung von Unterhaltungsangeboten in neuen Medien. Hier werden in sieben Beiträgen die prominent diskutierten und vermeintlich negativen Wirkungen von Computerspielen (Krahé & Möller und Wimmer), wie auch das positive Wirkungspotenzial von Unterhaltungsmedien für individuelle Gesundheit (Reinecke) oder prosoziales Verhalten (Rothmund & Gollwitzer) betrachtet.

Mit diesem Konzeptband ist es den Herausgeber(inne)n und Autor(inn)en gelungen, ein aktuelles Thema mit dem richtigen Maß an Differenziertheit und Kohärenz zu verhandeln und die Beiträge so inhaltlich und strukturell zu einem Gesamtbild zusammenzuführen. Neue Medien sind dabei eben nicht nur die vieldiskutierten Computerspiele, sondern ein vielfältiges und facettenreiches Angebot, das differenziert und umfänglich dargestellt und in der Unterhaltungsforschung verankert wird. Kohärenz entsteht allerdings auch dadurch, dass gerade die im ersten Teil des Buches verhandelten Theorien, Konzepte und Ansätze (z. B. Interaktivität) in den folgenden Beiträgen wiederholt aufgegriffen, integriert und am jeweiligen konkreten Gegenstand elaboriert werden. Diese Verzahnung verbindet nicht nur die einzelnen Buchteile, sondern trägt auch zu einem tieferen Verständnis der Materie bei.

Die meisten Beiträge bieten als Ausgangspunkt eine informative Aufarbeitung des jeweiligen aktuellen Forschungsstandes und sind damit hilfreiche Grundlage für die weiterführende Auseinandersetzung mit neuen Unterhaltungsformaten über diesen Band hinaus. Unter anderem aus diesem Grund dürfte das Buch ein breites Publikum aus wissenschaftlichen Anfängern und Fortgeschrittenen ansprechen, da es die einen fokussiert und umfassend in die aktuelle wissenschaftliche Debatte einführt und den anderen Perspektiven für die eigene Forschung aufzeigt.

 Literatur:

  • Jandura, O.; Fahr, A.; Brosius, H.-B. (Hrsg.): Theorieanpassungen in der digitalen Medienwelt. Baden-Baden [Nomos] 2013

Links:

  • Verlagsinformationen zum Buch
  • Webpräsenz von Dr. Leonard Reinecke an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • Webpräsenz von Prof. Sabine Trepte an der Hamburg Media School
  • Webpräsenz von Kathleen Arendt an der Universität Erfurt
  1. Zur Vertiefung der Theorieperspektive sei dem interessierten Leser der Sammelband Theorieanpassungen in der digitalen Medienwelt (Jandura, Fahr & Brosius 2013) empfohlen.
Über das BuchLeonard Reinecke, Sabine Trepte (Hrsg.): Unterhaltung in neuen Medien. Perspektiven zur Rezeption und Wirkung von Online-Medien und interaktiven Unterhaltungsformen. Reihe: Unterhaltungsforschung, Band 7. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2012, 424 Seiten, 30,- Euro.Empfohlene ZitierweiseLeonard Reinecke, Sabine Trepte (Hrsg.): Unterhaltung in neuen Medien. von Arendt, Kathleen in rezensionen:kommunikation:medien, 22. Februar 2013, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/11772
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