Rezensiert von Izabela A. Dahl
Die Geschichte der Presse bietet durch Gesamtdarstellungen sowie Analysen ihrer thematischen Teilaspekte einen transdisziplinären und lebhaft beforschten Untersuchungsgegenstand. Dieser wird durch aktualisierte Neubewertungen teilweise ergänzt, teilweise fortgeschrieben; er begründet eine akademische Disziplin und unterliegt einem ständigen Wandel. In Schweden werden seit den Veröffentlichungen von Otto Sylwan am Ende des 19. Jahrhunderts Versuche unternommen, die Presse in periodisierte Entwicklungsstränge einzuordnen und diese inhaltlich zu charakterisieren. Sylwans Studien können sicherlich als wichtige Pionierarbeit für eine Historisierung der schwedischen Presse bezeichnet werden. Sie bilden eine Basis für spätere Auseinandersetzungen mit der Entwicklung der Presselandschaft.Eine kontinuierliche kritische Auseinandersetzung mit der Presse- bzw. Medienlandschaft und stetige Versuche der Systematisierung sind selbstverständlich kein spezifisch schwedisches Phänomen. Um die Jahrtausendwende wurden in allen skandinavischen Ländern große Neubewertungsprojekte durchgeführt. 1988 erschien in Finnland eine große pressehistorische Studie, herausgegeben u.a. von Päiviö Tommilla: Suomen lehdistön historia. In Dänemark erschien 2001 die vierbändige Dansk mediehistorie redigiert von Klaus Bruhn Jensen. In Norwegen kamen gleich zwei Übersichtswerke auf den Markt: 2002 gaben Sune Ottosen, Lars Arve Røssland und Helge Østbye Norsk pressehistorie heraus, 2010 Hans Fredrik Dahl die zweibändige Norsk presses historie. In Schweden ist in den Jahren 2000 bis 2002 eine vierbändige Den svenska pressens historia im Fachbuchverlag Ekerlids erschienen, die 2003 um ein zusätzliches Registerband ergänzt wurde. Diese Publikation ist das Ergebnis einer Forschungsgruppe, deren Arbeit in einem umfangreichen Projekt der Reihe Sylwan bei Nordicom mit zwanzig weiteren Veröffentlichungen fortgesetzt wurde.
Diese Arbeiten stellen die wissenschaftliche Grundlage des hier besprochenen Buchs dar. Die vierbändige Pressegeschichte bildet dazu eine unmittelbare Vorlage. A History of the Press in Sweden ist die zwanzigste und letzte Publikation der Sylwan-Reihe. Am Nordischen Informationszentrum für Medien- und Kommunikationsforschung, unter dem Schirm der Pressehistorischen Vereinigung seit 1998 und unter der Leitung von Gustafsson und Rydén haben folgende Literaturwissenschaftler_innen und Historiker_innen gemeinsam daran gearbeitet: Claes-Göran Holmberg, Eric Johansson, Gunilla Lundström, Dag Nordmark, Ingemar Oscarsson, Lars-Åke Endblom, Sverker Jonsson, Birgit Petersson, Elisabeth Sandlund und Jarl Torbacke.
In der Einleitung geben Gustafsson und Rydén einen kurzen Einblick in die Entstehung des Buches und erklären, dass die meisten Beiträge der englischen Version zuvor bereits in der schwedischsprachigen Ausgabe erschienen sind. Das Ziel der Publikation ist also nicht, neueste Forschungsergebnisse zu präsentieren, sondern es besteht vielmehr darin, dem nicht-schwedischsprachigen Publikum eine kürzere, überblicksartige Zusammenfassung der schwedischen Pressegeschichte zu liefern. Welche der vorgängigen Analysen und in welchem Umfang sie Eingang in die englischsprachige Publikation gefunden haben, bleibt allerdings dem Expert_innenblick zur Beurteilung überlassen, da die Autoren zwar einen Namensindex und ein Verzeichnis der im Buch thematisierten Pressetitel beigefügt haben, aber gänzlich auf Referenzen und Literaturverzeichnis verzichten. Die Abwesenheit der schwedischen Referenzliteratur könnte zwar durch die Zielsetzung des Buchs erklärt werden, seine Inhalte einem breiteren, nicht-schwedischem Publikum zugänglich zu machen. Allerdings ist eine solche Vorgehensweise bei einer chronologisch gehaltenen und um Detail bemühten Darstellung jedoch eher als ungewöhnlich und nicht zufriedenstellend zu bezeichnen.
Gustafsson und Rydén stellen einen Zusammenhang her zwischen dem Publizieren leicht zugänglicher Inhalte und steigender Auflage. Ihre inhaltliche Auseinandersetzung mit der Presse in Schweden setzen die Autoren – anders als Sylwan – 1645 an; dem Jahr, in dem die Zeitung Ordinarie Post Tijdender erschien. Das Buches eröffnet somit ein Kapitel zur Periode des staatlichen Monopols, das einen Unterschied zur kontinentalen Entwicklung markiert. Die Autoren beschreiben den Einfluss des Könighauses und der Regierung auf die gesellschaftliche Etablierung von Zeitungen als eine “Kampagne zur Modernisierung Schwedens”. Zeitungen wurden hier erstmalig als ein Instrument erkannt, mit dem positive Stimmung in der Gesellschaft erzeugt werden konnte.
In weiteren fünfzehn Kapiteln gehen Gustafsson und Rydén der Entwicklung der Tageszeitungen nach: von der 1717 aufkommenden Provinzpresse über ihre Profilierung und Bedeutung gegenüber der Großstadtpresse, die Ausweitung des Informationsspektrums um Auslandsnachrichten, ihre Profilierung in der thematischen Ausrichtung bzw. Spezialisierung, die die Zeit des 19 Jh. charakterisierte, die am Anfang des 20 Jh. in die großen Zeitungen subsummiert wurde. Im dem siebzehnten Kapitel schließlich gehen sie auf die Wendepunkte nach 1990 ein und geben einen Ausblick auf die aktuellsten Entwicklungen.
Das Buch ist sicherlich durch seinen zusammenfassenden und chronologisch durchstrukturierten Charakter als ein Einstieg in die Thematik der schwedischen Pressegeschichte gut geeignet – trotz oder gerade wegen der Darstellung, die mit ihren 338 Seiten für einen Überblick recht umfangreich und detailreich ist. Aufgrund der fehlenden Referenzen bleibt jedoch die bereits genannte Forschungsliteratur die erste Empfehlung für an diesem Thema interessierten Personen.
Links:
- Verlagsinformationen zum Buch
- Webpräsenz von Karl Erik Gustafsson an der Jönköping Universität (Schweden)
- Webpräsenz von Per Rydén an der Universität Lund (Schweden)
- Webpräsenz von Izabela A. Dahl an der Humboldt-Universität Berlin