Klaus-Dieter Altmeppen, Klaus Arnold: Journalistik

Einzelrezension
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Rezensiert von Siegfried Weischenberg

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Moderner Journalismus ist vor allem durch die Redaktion ‘als organisiertes soziales System’ (Rühl) gekennzeichnet. Insofern macht es Sinn, in einem Lehrbuch des Fachs Journalistik, das sich diesem Journalismus mit dem Mittel der wissenschaftlichen Beobachtung widmet, das ‘organisationale Handlungsfeld’, wie es hier heißt, ins Zentrum zu rücken und daran Systematik und Darstellung auszurichten. Dies geschieht hier mit aller Konsequenz – auch wenn dadurch ‘Makro-Aspekte’ wie etwa die rechtlichen Grundlagen in den blinden Fleck geraten, wie die Autoren selbst einräumen (vgl. 4).

Das reichliche (empirische) Material, welches es inzwischen zur Aussagenentstehung in den aktuellen Medien gibt, bändigen Klaus-Dieter Altmeppen und Klaus Arnold mit Hilfe einer Gliederung in zwölf Kapitel, die Sinn macht. Zwei dieser Kapitel (Kapitel 4: Journalismus und Medien; Kapitel 8: Journalismus und Berichterstattung) wurden durch Regina Greck und Tanja Kössler beigesteuert (und dieser Hinweis hätte, nebenbei, mehr als nur eine Fußnote verdient gehabt). Von Anfang an gibt es eine klare Struktur, und die wird bis zum Schluss durchgehalten. Nach Vorstellung des Konzeptes, Journalismus als organisationales Handlungsfeld vorzuführen (Kapitel 2), wird konsequent ein ‘Journalismus und …’-Schema zugrunde gelegt. Dabei geht es zunächst um die Abgrenzung gegenüber anderen Handlungsfeldern der öffentlichen Kommunikation, wobei die Autoren, etwa in Hinblick auf die Grenzen zur PR, normativ argumentieren. Schließlich heißt es dann in Kapitel drei ironisch: “Und nun zur Werbung” (32). Wichtig und richtig ist auch die hier ausführlicher thematisierte Unterscheidung zwischen Journalismus und Medien, welche in vielen Darstellungen nicht hinreichend berücksichtigt wird. Zentral ist dabei, “dass der Journalismus kein Geschäft betreibt” (44); dies ist Sache der Medien. Und wenn man dies in Rechnung stellt, führt man auch über die Zukunft des Journalismus einen anderen Diskurs (Kapitel 4).

Interne Strukturvorgaben in Form von technischen Innovationen und externe Orientierungen in Hinblick auf die Beziehungen zum Publikum sind die weiteren Themen (Kapitel 5 und 6); hier taucht dann auch das Internet auf (vgl. 57ff., 74ff.), das als (künftiger) Faktor im Journalismus ansonsten keine große Rolle in diesem Lehrbuch spielt. Stärker auf die Praxis der Aussagenentstehung sind die Kapitel über Journalismus und Organisation (Kapitel 7) und Journalismus und Berichterstattung (Kapitel 8) gerichtet. Hier geht es insbesondere um das Referat von Ergebnissen der Kommunikator- und Redaktionsforschung und von Erkenntnissen über Gesamtstrategien und Thematisierung sowie allgemeiner die Mechanismen der Wirklichkeitskonstruktion im Journalismus. Ein längerer Abschnitt gilt dabei dem ja gut erforschten Zusammenhang von Berichterstattung und Selektion (vgl. 113). Hier hätte man sich mehr gewünscht als nur eine – noch dazu eher unsystematische – Aneinanderreihung von Studien, zumal die sehr kursorische Vorstellung des ‘News-Bias’-Ansatzes (vgl. 114) m. E. nicht den Punkt trifft. Der Beginn des Kapitels (vgl. 107) wiederholt das, was wir schon am Anfang erfahren haben (vgl. 16).

Die letzten vier Kapitel bewegen sich von der konsequent durchgehaltenen ‘Meso-Linie’ noch am ehesten in Richtung auf die großen Zusammenhänge in Medien- und Journalismussystemen und ihre (normativen) Grundlagen. Sinnvollerweise werden dabei Ethik und Qualität im Journalismus (Kapitel 9) im Paket abgehandelt, denn eine systematische Unterscheidung zwischen beiden erscheint zunehmend schwieriger. Der enge Zusammenhang wird insbesondere deutlich (und hier: deutlich gemacht), wenn es um die Durchsetzung ethischer Standards als Ausdruck von Qualitätssicherung geht (vgl. 131ff.). Zum Schluss spannen die Zusammenhänge von Journalismus und Politik (Kapitel 10), Journalismus und Macht (Kapitel 11) und Journalismus und Kultur (Kapitel 12) den Rahmen auf, in dem sich journalistisches (organisationales) Handeln abspielt. Hier sind von den Autoren mit Geschick auch noch einige Themen (wie Meinungsführer, Agenda Setting und Mediatisierung, vgl. 142ff.) einbezogen worden, die sonst durch das Raster einer strikt organisations- und produktionsorientierten Systematik gefallen wären.

Lehrbücher sind eine eigene Textsorte. Überquellendes Material muss selektiert, organisiert und in einer Weise arrangiert werden, die den Einstieg in ein (fremdes) Thema leicht machen. Dies ist nicht jedermanns/jederfraus Sache, und deshalb lassen viele WissenschaftlerInnen aus guten Gründen die Finger von solchen Unternehmungen. Den Autoren dieses Lehrbuchs muss attestiert werden, dass sie den Ansprüchen voll gerecht werden – zumal unter den neuen Studienbedingungen, die verlangen, wissenschaftliche Erkenntnisse stets und überall ‘auf Trinkstärke’ zu bringen. Ihr Lehrbuch ist klar strukturiert und verständlich geschrieben; auf wissenschaftlichen Jargon wird durchgehend verzichtet. Auf dem schmalen Grat zwischen Simplifizierung und Abstraktion stürzen sie nicht ab. Gewiss ist die Darstellung durchgehend deskriptiv und erzeugt kaum Reibungen. Aber Altmeppen/Arnold und ihre Ko-Autorinnen haben eine durchweg brauchbare Basis für die Lehre geschaffen; Reflexion und kritische Diskurse müssen Lehrende dann (immer noch) im Seminar herstellen. Und das ist auch gut so.

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Über das BuchKlaus-Dieter Altmeppen, Klaus Arnold: Journalistik. Grundlagen eines organisationalen Handlungsfeldes. München [Oldenbourg] 2013, 212 Seiten, 24,80 Euro.Empfohlene ZitierweiseKlaus-Dieter Altmeppen, Klaus Arnold: Journalistik. von Weischenberg, Siegfried in rezensionen:kommunikation:medien, 13. September 2013, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/14244
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