Simon Sturm: Digitales Storytelling

Einzelrezension
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Rezensiert von Nea Matzen

Storytelling_onlineEinzelrezension
Digitales Storytelling ist ein Buch für PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen, die sich mit den Erzählformen des Onlinejournalismus auf Websites und Tablets befassen. Autor Simon Sturm gibt nicht nur einen Überblick über bereits gängige Formen, sondern darüber hinaus Anstöße für deren Weiterentwicklung.

Wie alle Fachleute in diesem Bereich steht Sturm vor dem Problem, dass der Journalismus im digitalen Zeitalter nicht neu erfunden wird, sondern die jeweiligen Medien ihre journalistischen Standards und Ansprüche erhalten und gleichzeitig über neue Ausspielwege publizieren wollen und müssen. Deshalb knüpft der Autor an die bekannten Regeln und Praktiken für qualitativ hochwertigen Journalismus an, um davon ausgehend Veränderungen und wirklich Neues zu beschreiben. Er beginnt deshalb mit dem Basiswissen zur Digitalisierung, den Alleinstellungsmerkmalen des Onlinejournalismus und den Grundlagen des (digitalen) Erzählens, geht auf Marshall McLuhans berühmten Satz “The medium is the message”, das Zusammenwachsen der Medienarten Text, Bild, Audio, Grafik und Video ein, untermauert die These, dass Qualitätsjournalismus unabhängig von der Plattform ist, um dann zu den Möglichkeiten des Berichtens via Tablet-Computer und den Auswirkungen auf die journalistischen Darstellungsformen zu kommen. “Dieses Buch soll einen Einblick in die Möglichkeiten der digitalen Welt geben, in der Journalisten völlig neue Darstellungsformen entdecken, das Storytelling von morgen entwickeln können”, schreibt er im Vorwort und verspricht Praxisnähe. Gelingt ihm das alles auf 164 Seiten?

Das Buch hat tatsächlich eine große Praxisnähe, nicht nur weil Sturm Zitate aus Gesprächen mit acht ExpertenInnen von verschiedenen Medien einfließen lässt. Aber deutlich wird auch, dass die Grundlage für das Buch die Diplomarbeit des Autors ist; das spiegelt sich bereits im Inhaltsverzeichnis wider und es stellt sich gleich die Frage, ob die Typologisierung in medium- und funktionsorientierte Darstellungsformen im Redaktionsalltag hilfreich sind. Andererseits macht gerade das auch neugierig. (Angehende) BerufspraktikerInnen sollte sich dadurch nicht von der Lektüre abhalten lassen. Denn dem Journalisten Sturm gelingt es, inspirierende Beispiele für RedakteurInnen und auch WebentwicklerInnen in Onlineredaktionen in die aktuelle, knapp dargestellte wissenschaftliche Diskussion einzubetten. Beispielhaft ist dafür seine Erörterung, inwieweit der Game-Faktor und das damit verbundene Flow-Erleben digitales Storytelling auf journalistischen Plattformen positiv beeinflussen können. Nicht nur bei diesem kurzen Kapitel wünscht sich die Rezensentin, dass der Funke in die Entscheiderebenen bei Verlagen und Sendern überspringen möge.

Ganz in seinem Element ist Sturm beim Thema Tablet-Formate. Die Möglichkeiten der Apps revolutioniert laut Sturm die Publikationsweise aller herkömmlichen Medien. Entscheidend sei dabei die völlig veränderte Rezeption auf den Tablets und somit die neuen Herausforderungen an die Navigation durch verschiedene Module, Multimedia-Elemente, Unterseiten und Querverweise einer digitalen Geschichte. Sturm schildert Trends für die Bauweise von Tablet-Apps, geht bei den Manöverkritiken von verschiedenen Anwendungen in die Tiefe und gibt dabei konkrete Tipps für MacherInnen. Seine Kategorisierung der Tablet-Formate in Print-, Rundfunk-, webähnliche, erweiterte und eigenständige Formate ist hilfreich, um von dieser Betrachtung aus weiterzudenken. Und das macht Sturm. Er benennt eine breite Palette von Darstellungsformen für das Netz allgemein und Tablets im Besonderen und beschreibt ihre Einsatzmöglichkeiten. Multimediale Elemente sollten nicht nur als Ergänzung zu Texten verstanden werden und – so sein Plädoyer – Fernsehbeiträge nachhaltig im Netz interaktiv und hintergründig begleitet werden.

Auch wenn in den einleitenden drei Kapiteln zu den Grundlagen Vieles bereits woanders beschrieben wurde, lohnt sich die Lektüre des ersten Drittels wegen des konzentrierten Überblicks und der Denkanstöße. Zwei Beispiele: Der Umgang mit der Gefahr für die redaktionelle Unabhängigkeit durch die Möglichkeit der direkten Verlinkung auf Werbeplattformen sowie der Hinweis auf die Bedeutung der relevanten Aktualität: Nicht alles was zeitlich neu ist, ist auch wichtig, daher die Warnung vor vorschneller Aktualisierung, denn auch der digitale User sucht nach Orientierung und Einordnung.

Für die weiteren Kapitel lautet das Fazit: Gut, dass das mal jemand so sortiert und reflektiert aufschreibt, die Anwendungen auf ihren Nutzwert prüft und sich traut, über das bereits Bekannte hinauszudenken. Gut ist auch, dass Sturm mit Checklisten am Ende jeden Kapitels für Orientierung sorgt; dazu tragen auch die Beispiele, Literatur und Sachwortregister am Ende des Buches bei. Wie für jede gedruckte Publikation zum Thema Onlinejournalismus besteht auch für Digitales Storytelling die Gefahr, schnell überholt zu sein. So ist die von Sturm erwähnte Plattform Vuvox nicht mehr aktiv. Doch sein Blog digistory sorgt dafür, dass sein analoges Buch in der digitalen Welt aktuell bleibt.

Links:

Über das BuchSimon Sturm: Digitales Storytelling. Eine Einführung in neue Formen des Qualitätsjournalismus. Wiesbaden [Springer VS] 2013, 164 Seiten, 19,99 Euro.Empfohlene ZitierweiseSimon Sturm: Digitales Storytelling. von Matzen, Nea in rezensionen:kommunikation:medien, 10. Februar 2014, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/15829
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