Rezensiert von Cornelia Wolf
45 Prozent der Onliner in Deutschland greifen aktuell bereits mit dem Smartphone auf das mobile Internet zu. In jüngeren Altersgruppen liegt die Verbreitung internetfähiger mobiler Endgeräte bereits bei über 60 Prozent (vgl. van Eimeren 2013). Nach der raschen Aneignung der Mobiltelefonie und ihrer Nutzung zur interpersonalen Kommunikation führt die massenhafte Nutzung von Smartphones und Tablet-PCs nun zu einer verstärkten Rezeption von Inhalten, die den unterschiedlichen Bereichen öffentlicher Kommunikation zuzuordnen sind. Damit rückt die Medienkommunikation in Bewegung stärker in den Aufmerksamkeitsbereich der Kommunikationswissenschaft.Von dieser Entwicklung zeugt der Sammelband von Jeffrey Wimmer und Maren Hartmann. Er leistet einen wichtigen Beitrag zu einem relevanten und gleichzeitig noch immer zu wenig erschlossenen Forschungsfeld. Denn auch wenn sich die Beschäftigung mit mobiler Kommunikation und ihren individuellen, sozialen, organisatorischen und gesellschaftlichen Implikationen nach und nach im Wahrnehmungsbereich des Fachs etabliert hat, ist die Zahl der Publikationen dazu insbesondere innerhalb der deutschsprachigen Scientific Community noch immer überschaubar.
Die dem Band zugrunde gelegte Forschungsperspektive fassen die Herausgeber mit dem Begriff der kommunikativen Mobilität. Damit präsentieren sie dem Leser einen überzeugenden übergeordneten Bezugsrahmen für die 16 kompakten Aufsätze und stellen zudem gleich eingangs die beiden zentralen Dimensionen der aktuellen Entwicklung heraus: Neben der Tendenz des steten Mobilwerdens von Kommunikationsmedien geht gleichzeitig die Entwicklung einher, dass Medieninhalte zunehmend auf Rezeptionssituationen abzielen, in denen Menschen mobil sind (vgl. 13). Insgesamt sorgt die Einleitung für einen kompakten Überblick über die unterschiedlichen Forschungsperspektiven und -felder. Da als Zielgruppe des Sammelbands neben Dozierenden auch Studierende der Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie der Soziologie genannt werden, ist es besonders gelungen, dass der ebenso zentrale wie unterschiedlich verwendete Begriff der Mobilität in diesem Kapitel zunächst einmal eingeordnet wird und ein Überblick über den internationalen Forschungsstand präsentiert wird.
Medienkommunikation in Bewegung ist das Ergebnis der Jahrestagung der Fachgruppe Soziologie der Medienkommunikation der DGPuK im Jahr 2011. Die einzelnen Beiträge sind aus diesem Grund sowohl in der Wahl des Untersuchungsgegenstands als auch in ihrer Reichweite sehr heterogen. Den Schwerpunkt der Aufsätze verorten die Herausgeber selbst zwischen zentralen Veränderungen individueller Identitätsprozesse und gesellschaftlicher Sozialisationsbedingungen durch Mobilität, mobile Medien und Mobilisierung.
Eine stringente Gliederung des Bands von der Makro- über die Meso- bis hin zur Mikroebene ist dennoch in weiten Teilen gelungen. Die Einteilung in fünf thematische Abschnitte überzeugt insbesondere in den ersten drei Blöcken durch kohärente Beiträge. Die ersten beiden Aufsätze von Joachim R. Höflich und Matthias Berg stellen eine überzeugende Basis für den weiteren Band dar. Die Autoren ermöglichen ein tiefer gehendes Verständnis für das Zusammenspiel von mobiler Mediennutzung und ihrem Kontext einerseits sowie dem Begriff der kommunikativen Mobilität andererseits. Daran anschließend lenkt der zweite Abschnitt des Bandes den Blick auf den Zusammenhang von mobilen Medien und Öffentlichkeit. Alle drei Beiträge von Swantje Lingenberg, Cornelia Wallner und Marian Adolf sowie Maike Janssen und Wiebke Möhring greifen den bereits herausgestellten Raum- und Kontextbezug wieder auf und behandeln ihn aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Über den dritten Abschnitt gelangen nun im Beitrag von Joachim R. Höflich, Julia Roll und Juliane Kirchner, sowie den beiden weiteren Aufsätzen von Thomas Döbler und Juliane Kirchner insbesondere zwischenmenschliche Aspekte in den Fokus, indem soziale Beziehungen und ihr Wandel durch mobile Kommunikation mithilfe qualitativer Methoden analysiert werden.
Die Abschnitte vier und fünf des Buchs können durch die sehr selektiven thematischen Einblicke in das Forschungsfeld an die bisherige Fokussierung nicht anschließen. Schon die weniger pointierten Überschriften der Teilabschnitte deuten darauf hin. Der vorletzte Block zum Wandel von Mediennutzung und Medienaneignung behandelt – wie die Herausgeber selbst feststellen – sehr unterschiedliche Beiträge zu zeitversetztem Fernsehen (Olaf Jandura), Medienkommunikation im Alltag (Christine Linke und Isabel Schlote), kulturellen Aspekten der Mobilkommunikation am Beispiel Japans (Corinna Peil) sowie der Mediennutzung Studierender im Ausland (Sonja Ganguin und Maria Götz). Ein gemeinsamer Bogen ist hier (theoretisch wie methodisch) kaum zu spannen.
Ähnlich trifft dies auch auf den letzten Abschnitt zu, der mit Markt, Medienentwicklung und Mobilität überschrieben ist. Die Autoren beschäftigen sich darin für sich genommen jeweils mit relevanten Aspekten des übergeordneten Themas. Einen gemeinsamen Block bilden der Beitrag von Barbara Witte zur Produktion der Tablet-App des Kölner Stadtanzeigers und die Expertenbefragung von Catherina Dürrenberg, die sie in Medien- und Kommunikationsunternehmen zur Entwicklung mobiler Medienangebote durchgeführt hat. Jörg Müller-Lietzkow, Sonja Ganguin und Anna Hoblitz widmen sich anschließend Motiven der Smartphonenutzung und damit einhergehendem irrationalen ökonomischem Verhalten. Im letzten Aufsatz des Bandes von Michael Eble stehen Location-Based-Services im Zentrum.
Mit Medienkommunikation in Bewegung ist den Herausgebern dennoch insgesamt eine gelungene Verknüpfung der drei im Untertitel verwendeten Schlagworte Mobilisierung, Mobile Medien und kommunikative Mobilität gelungen. Die kompakten und lesenswerten Aufsätze tragen theoretisch wie empirisch zur weiteren Erschließung des Themenfelds bei und geben dabei interessante inhaltliche und methodische Impulse zur zukünftigen Auseinandersetzung mit diesem wachsenden Forschungsbereich.
Literatur:
- Van Eimeren, B.: “Always on” – Smartphone, Tablet & Co. als neue Taktgeber im Netz. Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2013. In: Media Perspektiven, 7-8, 2013, S. 386-390.
Links:
- Verlagsinformationen zum Buch
- Webpräsenz von Prof. Dr. Jeffrey Wimmer an der TU Ilmenau
- Webpräsenz von Prof. Dr. Maren Hartmann an der Universität der Künste Berlin
- Webpräsenz von Dr. Cornelia Wolf an der Universität Passau