Ralf Spiller; Hans Scheurer (Hrsg.): Public Relations Case Studies

Einzelrezension
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Rezensiert von Olaf Hoffjann

Einzelrezension
Es verwundert, dass es trotz der wachsenden Zahl an Büchern zur PR-Forschung und zur PR-Lehre immer noch so wenige Fallstudienbücher gibt. Noch verwunderlicher ist es, dass die bislang vorliegenden Fallstudienbücher nicht restlos überzeugen können. Auf den ersten Blick erscheint es ein leichtes Unterfangen zu sein, die akademisch ausgebildeten PR-Praktiker, die in der nichtakademischen und akademischen Lehre lehrenden Praktiker oder die ganz in die Wissenschaft gewechselten ehemaligen Praktiker dafür zu gewinnen, Fallstudien zu beschreiben und zu erläutern, so dass man die Fallstudien guten Gewissens in der Lehre einsetzen kann. Wenn man sich zurückliegende Versuche näher anschaut, dann leiden sie entweder darunter, dass den Autoren eine kritische Distanz zum Fall fehlt, weil sie selbst daran beteiligt waren. Oder aber die Distanz zum Case ist so groß, dass die Beschreibung der getroffenen Entscheidungen oberflächlich bleibt. Bei näherer Betrachtung überraschen die Defizite vorliegender Versuche dann schon weniger, da dieses Nähe/Distanz-Problem eines der zentralen Hindernisse empirischer PR-Forschung ist: So wird die Methode Beobachtung in der PR-Forschung immer noch sehr selten eingesetzt – und wenn PR-Forscher einmal dabei sein dürfen, müssen sie befürchten, dass sie Beobachter einer inszenierten Strategiesitzung werden.

Das Warten auf ein überzeugendes Fallstudienbuch ist mit dem Band von Ralf Spiller und Hans Scheurer beendet. Das Buch überzeugt aus mehreren Gründen. Dies beginnt bei dem straffen Rahmen, den die Herausgeber den Autoren vorgegeben haben. Während viele andere Fallstudienbücher die Präsentationsdramaturgie und -prosa prägt, orientieren sich die Autoren in den meisten Fällen eng an den Planungsphasen.

Besonders positiv fällt der Punkt “Aufgetretene Probleme” auf, in dem jeder Autor Probleme im Rahmen der Kampagne bzw. Maßnahme erläutert. Die offene Kritik, die hier in vielen Beiträgen zu finden ist, ist umso überraschender, weil auch in dem vorliegenden Band die meisten Autoren an der Planung bzw. Durchführung der Kommunikationsmaßnahmen beteiligt waren. Sicher: Auch in den Public Relations Case Studies werden die meisten Kampagnen und Maßnahmen am Ende als Erfolg bewertet. Dennoch gewähren die SWOT-Analysen und die erläuterten Problemen einen größeren Einblick in den Planungsprozess als in den meisten anderen Fallstudienbüchern. Kurzum: Der besondere Wert des Buches ist es, dass es nicht mehr sein will als es ist: ein Fallstudienbuch. Der Wert des Bandes ist damit für die Lehre insbesondere zu praxisorientierten PR-Fragen sehr groß.

Statt Kritik gibt es daher Vorschläge und Anregungen für eine mögliche Neuauflage. So wäre es wünschenswert, in einem einleitenden Teil des Bandes neben der gelungenen Reflexion von Fallstudien im Kontext von Theorie und Praxis zusätzlich eine kurze Einführung zum Umgang mit Fallstudien in der Lehre zu geben. So scheint die Nutzung von Fallstudien in der kommunikationswissenschaftlichen Lehre bis heute noch wenig ausgeprägt zu sein.

Zudem wäre es überlegenswert, ob entgegen dem Mainstream der Fallstudienliteratur nicht zumindest in einigen Fallstudien auch die Alternativen zu getroffenen Entscheidungen erläutert werden könnten: Welche Alternativen wurden diskutiert und aus welchen Gründen hat man sich schließlich für die eine und gegen die anderen Lösungsvarianten entschieden? Die Aufgabe von (studentischen) Lesern bestünde dann weniger darin, mögliche Alternativen zur getroffenen Entscheidung zu finden und zu analysieren, sondern die getroffene Auswahl und die Gründe für die Entscheidung zu diskutieren. Schließlich wäre es zur Einordnung der Beiträge hilfreich, wenn die (Nicht-)Beteiligung der Autoren in einer Fußnote kurz erläutert würde. Und last but not least: Wünschenswert wären bei der Gestaltung des Buches ein lesefreundlicherer Seitenumbruch sowie ein Vierfarbdruck.

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Über das BuchRalf Spiller; Hans Scheurer (Hrsg.): Public Relations Case Studies. Reihe: PR Praxis, Band 22. Konstanz [UVK] 2010, 280 Seiten, 29,90 Euro.Empfohlene ZitierweiseRalf Spiller; Hans Scheurer (Hrsg.): Public Relations Case Studies. von Hoffjann, Olaf in rezensionen:kommunikation:medien, 6. Juni 2011, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/5265
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