Roy Krøvel, Thore Roksvold (Hrsg.): We Love to Hate Each Other

Einzelrezension
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Rezensiert von Thomas Schmidt-Lux

Einzelrezension
Der vorliegende Band ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit skandinavischer Sozial- und MedienwissenschaftlerInnen. Aus unterschiedlichen Perspektiven will der Sammelband das Zusammenspiel von Fußball, Journalismus, kulturellen Identitäten, Ideologien und Fankultur beleuchten. Allen Aufsätzen liegen dabei eigene empirische Forschungen zugrunde, was das Buch grundsätzlich lesenswert und informativ macht.

Theoretisch sind die jeweiligen Texte disparater, als dies vielleicht der Verweis auf ‘Mediatisierung’ im Titel des Buches vermuten lässt. Das einleitende Kapitel verweist zum einen auf Fairclough, Foucault, Giulianotti und Elias als jene Autoren, die als Eckpfeiler eines konzeptionellen Rahmens gelten können – allesamt keine Autoren, bei denen die Beschäftigung mit Medien im Vordergrund steht. Zum anderen wird als Perspektive des Bandes die Frage genannt, “how different aspects of football fan culture are mediated in different ways in different media at different times – thus demonstrating not only how the circulation of meaning changes related tot he properties of different media, but also how construction of meaning varies on the same preconditions” (14). Im Fokus steht somit ein eher allgemeiner Begriff von Mediatisierung und medialer Vermittlung, und dies bestätigt sich auch in den einzelnen Beiträgen.

Grundsätzlich gliedert sich das Buch in drei Sektionen, eingeleitet mit einer ‘Vorrede’ von zwei Aufsätzen. Diese befassen sich zum einen mit der Frage, was überhaupt ein Fußballfan ist. Der Autor orientiert sich hierbei an den üblichen Kriterien (leidenschaftliche Unterstützung eines Clubs) und diskutiert anschließend einige neuere Entwicklungen, wobei vor allem die Kommerzialisierung eine Rolle spielt. Als hilfreich erachtet er die Unterscheidung von Giulianotti in vier Fansegmente (fans, supporters, followers, flaneurs). Eine zweite Rahmung des Bandes wird dann vorgenommen, indem die Rolle von neu aufgekommenen ‘sozialen Medien’ beleuchtet wird und deren (partielle) Änderung der Sport- und Sportberichtslandschaft.

Der erste Teil des Buches ist mit “Mediated Fan Culture in Newspapers” überschrieben und umfasst vier Aufsätze. Thore Roksvold unternimmt eine informative Langzeitanalyse zur Fußballberichterstattung in norwegischen Zeitungen, Hugh O’Donnell eine Diskursanalyse zu den Artikeln über die Anhänger der schottischen Nationalmannschaft. Ein dritter Aufsatz analysiert das framing des Fußballfans als ‘Kunde’ im Rahmen der Berichte zur WM 2010, und der vierte Artikel rekonstruiert die religiöse Dimension in der Berichterstattung zum Team von Brann Bergen, das 2007 norwegischer Fußballmeister wurde. Unter Berufung auf Eliades Mythenkonzept wird dabei schön gezeigt, welche Bedeutung die erste Meisterschaft Bergens nach 44 Jahren für die Stadt, Region und berichtenden Medien hatte. Es stellte ein wahrhaft außeralltägliches Ereignis dar, über das auch so gesprochen und geschrieben wurde. Trainer und Mannschaft wurden als regelrechte Erlöser gefeiert, mythische Erzählungen rankten sich über ihren Weg und die nun zu erwartende weitere Zeit.

Der zweite Teil ist mit “Social Media and Mediated Fan Culture” überschrieben und der umfangreichste des Bandes. Der erste Aufsatz hätte auch in der Sektion zuvor stehen können und befasst sich mit dem framing zweier Osloer Teams durch Zeitungen anlässlich des Osloer Derbys. Die folgenden Aufsätze konzentrieren sich auf den online-Sektor und analysieren die Berichterstattung über Hooligans, die Verbindung von Weiblichkeit und Fußballfans und die Rolle von nationalistischen Deutungen des norwegischen Nationalteams. Der abschließende Beitrag von Roy Krøvel untersucht Diskussionen um und über den Islam, die sich an spezifische Ereignisse im norwegischen Fußball anschlossen. Krøvel zeigt gut die unterschiedlichen Positionen der Debatte, etwa um den Einfluss des Ramadan auf muslimische Profis; offen bleibt aber die Spezifik des online-Diskurses, ein Manko auch einiger anderer Aufsätze dieser Sektion.

Der dritte Teil des Bandes ist kurz und enthält unter dem Titel “Documentary Film and Television” drei Aufsätze, die jeweils filmische Dokumentation zum und über Fußball als empirischen Gegenstand haben. Die Aufsätze untersuchen zwar teilweise sehr interessantes Material (etwa eine Dokumentation zum Fußball in Israel), sind methodisch und von ihren Fragestellungen jedoch zu unterschiedlich, um eine halbwegs konsistente Einheit zu bilden. Sie wirken eher illustrativ und stehen so vermutlich nicht zufällig am Ende (und damit am Rande) des Sammelbandes.

Trotz dieses eher unbefriedigenden Abschlusses: Alle Aufsätze des Buches verfolgen ein klar ausgewiesenes Ziel, auch die jeweilige Methodologie und Datengrundlage wird immer ausgewiesen. Der Band ist sehr gründlich lektoriert und sorgfältig produziert, was nicht unbedingt üblich ist und das Lesen sehr angenehm macht. Inhaltlich ist er relativ heterogen, die Gliederung zudem nicht immer systematisch. Methodisch versammelt er in angenehmer Weise sowohl qualitativ wie quantitativ vorgehende Forschungen. Die einzelnen Aufsätze sind dabei unterschiedlicher, meist aber guter Qualität. Die Beurteilung hängt hier sicherlich – wie üblich – auch von den individuellen Leseinteressen ab. Der Band wird vermutlich aber weniger aufgrund einer neuen theoretisch-konzeptionellen Ausrichtung gelesen, sondern eher wegen des Interesses an einzelnen Fallstudien. Zudem hat er nicht die schon ausführlich beschriebenen englischen oder deutschen Fanszenen zum Inhalt und ist insofern innovativ und bereichernd.

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Über das BuchRoy Krøvel, Thore Roksvold (Hrsg.): We Love to Hate Each Other. Mediated Football Fan Culture. Göteborg [Nordicom] 2012, 323 Seiten, 30,- Euro.Empfohlene ZitierweiseRoy Krøvel, Thore Roksvold (Hrsg.): We Love to Hate Each Other. von Schmidt-Lux, Thomas in rezensionen:kommunikation:medien, 13. Januar 2013, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/11230
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