Monika Djerf-Pierre, Mats Ekström (Hrsg.): A History of Swedish Broadcasting

Einzelrezension
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Rezensiert von Heike Graf

history of Swedish broadcastingEinzelrezension
Der vorliegende Sammelband reiht sich ein in die Bücher der History of. Er unternimmt den bislang einmaligen Versuch, die Geschichte des schwedischen Rundfunks (Radio und Fernsehen) in einem Band zusammenzufassen. Die Veröffentlichung ist ein Produkt des umfangreichen Forschungsprojektes zur Rundfunkgeschichte, das bereits seit 1993 besteht und seitdem 49 Monographien sowie CDs und DVDs produziert hat. Auf 350 Seiten werden nun ca. 90 Jahre sowie zwei Medieninstitutionen, nämlich Radio und Fernsehen, abgehandelt.

Das geht natürlich nicht ohne Fokussierungen. Allgemein heißt es, dass der Band einen Beitrag zur Entwicklung des Rundfunks als “Form der öffentlichen Kommunikation” (11) leisten will. Dabei liegt jedoch das Hauptaugenmerk auf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, was nicht verwunderlich ist, da seine Existenz bis in die 20er Jahre zurück reicht, und eine duale Rundfunkstruktur, d. h. eine Konkurrenz zwischen öffentlich-rechtlichem und privat-kommerziellem Rundfunk, erst seit den 1990er Jahren in Schweden existiert.

Thematisch sollen zum einen das gegenseitige Verhältnis zwischen Rundfunk und Publikum und zum anderen die innere Entwicklung des Rundfunks “als soziale und kulturelle Institution” (12) abgehandelt werden. Es geht hier nicht um eine lückenlose Rekonstruktion der Ereignisse schlechthin, sondern um thematische Analysen. Dabei geben fünf Hauptthemen dem Sammelband Struktur. Die Themen konzentrieren sich auf: Technische Innovationen, Publikumsorientierung, Mitarbeiter, Genres und institutionelle Veränderungen. Beispielsweise wird ein mehr allgemeines Thema, wie etwa das Verhältnis zwischen Rundfunk und Gesellschaft auf das Verhältnis von Rundfunk und Publikum reduziert. Die 15 Beiträge haben in der Regel eine chronologische Gliederung, um Entwicklungen und Veränderungen aufzeigen zu können.

Der Band schließt mit einer Reflektion des US-amerikanischen Medienwissenschaftlers Scannell ab, der die Analysen zum schwedischen Rundfunk aus einer internationalen Perspektive betrachtet. Er diskutiert die allgemeine Rolle des Rundfunks im gesellschaftlichen Leben einer Nation und knüpft dabei hauptsächlich an die Theoriediskussion über das Für und Wider eines mediated centre an. Obwohl die Herausgeber anmerken, dass Mediengeschichte ein multidisziplinäres Untersuchungsgebiet ist, sind sämtliche Autoren (mit einer Ausnahme) Medien- und Kommunikationswissenschaftler.

Der Sammelband legt nahe, dass auch die einzelnen Themen weiter eingegrenzt werden müssen. So beschäftigt sich das Kapitel ‘Innovationen’ zum einen mit der Technologieproduktion (Elgemyr) und zum anderen mit der Interaktion von Politik, Medienorganisation und Ökonomie bei der Frage der Distribution von Rundfunksignalen (Wormbs). In diesem Kapitel finden die politischen Akteure einen Platz, so bei Weibull, wo es um die Einführung von Radio und Fernsehen geht.

Das Kapitel ‘Publikumsorientierung’ begrenzt sich auf die Zielgruppe der Kinder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Rydin) und auf die Lokalbevölkerung in Folge der Lancierung des öffentlich-rechtlichen Lokalradios in den siebziger Jahren (Forsman). Das Kapitel über die Angestellten beschränkt sich auf Fragen der Rekrutierung (Engblom), auf Genderpolitik (Nilsson) sowie auf das Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern (Esaiasson & Håkansson). Das Kapitel zu Genreveränderungen und -entwicklungen (Reimer, Furhammar, Bolin, Djerf-Pierre) tangiert den Dokumentarfilm sowie die Unterhaltung (insbes. Sport und Dokusoaps). Die institutionellen Veränderungen beziehen sich lediglich auf die Veränderungen des Nachrichtenjournalismus von den Anfängen im Jahre 1925 bis heute (Djerf-Pierre & Weibull) sowie auf die Herausforderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den privat-kommerziellen Rundfunk (Jönsson).

Die Stärke des Bandes ist, dass sich die einzelnen Beiträge nicht in konkrete Ereignisse und Beispiele verlieren, sondern an allgemeine Trends und Entwicklungen anknüpfen. Das gelingt häufig, wenn eine theoretische Perspektive angelegt wird. Beispielsweise fragt Bolin ausgehend von Bourdieu nach dem Wert von Unterhaltung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Forsman legt die Perspektive des aktiven Publikums bei der Behandlung des Lokalradios an; Nilsson geht von Gendertheorien aus, um die Rolle von Frauen in den Medienorganisationen zu beleuchten.

Auch eine History of besteht aus einer Auswahl von Themen, die aus heutiger Sicht für wichtig erachtet werden. Da kann man sich nun fragen, was ausgelassen wurde. Beispielsweise bekommen übergreifende organisatorische Veränderungen, wie die unterschiedlichen Eigentumsstrukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Laufe der Jahre, keinen eigenen Beitrag (mit Ausnahme der Schilderung der Anfangsjahre von Sveriges Radio bei Weibull). Dem privat-kommerziellen Rundfunk wird ebenfalls kein eigener Beitrag gewidmet, sondern er wird lediglich – je nach Relevanz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – mit erwähnt.

Präziser müsste es eigentlich heißen, dass der Sammelband keine History of des schwedischen Radios und Fernsehens im Allgemeinen ist, sondern eine Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Schweden.

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Über das BuchMonika Djerf-Pierre, Mats Ekström (Hrsg.): A History of Swedish Broadcasting. Communicative Ethos, Genres and Institutional Change. Göteborg [Nordicom] 2013, 379 Seiten, ca. 30 Euro.Empfohlene ZitierweiseMonika Djerf-Pierre, Mats Ekström (Hrsg.): A History of Swedish Broadcasting. von Graf, Heike in rezensionen:kommunikation:medien, 15. Juli 2014, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/16693
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