Benjamin Beil: Avatarbilder

Einzelrezension
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Rezensiert von Alexander Pfeiffer

Einzelrezension
Es gibt noch sehr wenige explizite Auseinandersetzungen mit der Bildlichkeit von digitalen Spielen. Benjamin Beil, Autor des Buches Avatarbilder, geht vom virtuellen – grafischen – Stellvertreter der Spielerin/des Spielers aus. Er möchte ludologische wie narrative Aspekte in einer bildwissenschaftlichen Perspektive vereinen und sieht den Avatar als Schnittstelle zwischen Raum, Interaktion, Interface und Perspektive.

Der Einstieg ins Buch erfolgt am besten mit Kapitel I: Interaktion. Die Einleitung sollte als Appendix aufgehoben werden. Kapitel I beginnt mit der Vorstellung von Nier – einem sehr kontrovers diskutierten Spiel auf der XBOX 360. Beil beschreibt die Traumsequenz. In dieser schaltet das Spiel in eine Art ‘Textadventure-Modus’ (ohne freie Texteingabe) um. Manche Spieler/Spielerinnen sehen diesen Wechsel in ‘die Urzeit’ des digitalen Spiels als großartiges Retro-Gimmick an, für die meisten (anzunehmender Weise jungen Gamer) ist dies nur eine geschickte Art, um Geld und Produktionszeit zu sparen.

Fakt ist jedoch, dass hier das Spiel, besser: die grafische Gestaltung des Spiels, durch einen schwarzen Schleier ausgelöscht wird und der Spieler/die Spielerin somit eine völlig neue Form des Spiels wahrnimmt. Nier inszeniert somit auf originelle Weise den Übergang zwischen einem bildlichen und nicht-bildlichen Spielerlebnis. Beil nutzt das Beispiel rund um Nier geschickt, um in weiterer Folge auf Interaktivität und interaktive Bilder einzugehen. Es folgt ein gekonnter und spannender Literaturvergleich. Dieser endet mit einer der zentralen Fragen dieses Buches:

“Wie vermittelt das Computerspielbild über die (sichtbare) Oberfläche das Spielregelwerk der (unsichtbaren) Unterfläche? Oder: Wie vermittelt es bildlich seine spielmechanisch geprägte artifizielle Physik?” Das Computerspielbild wird als ‘handlungsevozierendes Bild’ betrachtet.

Kapitel I zeigt bereits auf, dass es sich bei Avatarbilder um ein äußerst lesenswertes Fachbuch handelt. Kapitel II Raum (Bildraum & Spielraum) ist nicht minder interessant. Beil zeigt anhand von exemplarischen Beispielen aus den letzten 40 Jahren des digitalen Spiels (Pong, Pac Man, Indiana Jones and the Temple of Doom, Nyxquest, Super Paper Mario, Little Big Planet, u.v.a.) verschiedene Möglichkeiten auf, wie sich Avatare in digitalen Spielewelten bewegen können. Dabei schafft es Beil, alle Möglichkeiten zwischen 2D-/3D-Raum und 2D-/3D-Avatar aufzuzeigen. Beil stellt letztendlich fest, dass trotz des Siegeszugs von 3D-Welten Avatare durchaus auch heutzutage in 2D gestaltet sind. Und dass, selbst wenn ein 3D-Avatar in einer 3D-Welt interagiert, es äußerst selten sogenannte ‘entfesselnde Kameras’ gibt, also eine frei definierbare Perspektive.

In Kapitel III Interface beschäftigt sich Beil damit, wie Avatare gesteuert werden können. Er vergleicht verschiedene Möglichkeiten, wie das sogenannte ‘Interface-Design’ aussehen kann. Das Interface zeigt (zumeist), wie die Spielfigur gesteuert wird, kann aber auch Zusatzinfos (die Map, Quests, Achievements, Skilltree) bieten. Beil unterscheidet hierbei aufbauend auf Neitzel (2007) in einen ‘Point of View’ und einen ‘Point of Action’. Dies ist die Position, von der aus die Handlungen in der Spielwelt ausgefüllt werden. Beil geht – wie auch schon in den vorherigen Kapiteln – äußerst strukturiert vor und analysiert die Möglichkeiten von hybriden Steuerungsformen. In der Folge analysiert Beil den Avatar und sein Interface.

Kapitel IV und Kapitel V beschäftigen sich mit den zwei wichtigsten Perspektiven, aus denen die Spielfigur betrachtet werden kann. Die sogenannte Third-Personen-Ansicht (auch Rückenansicht) genannt und die First-Person-Ansicht. Beil referenziert hierbei auf einige Spiele, welche schon in den vorherigen Kapiteln vorgekommen sind. Diese setzt Beil mit dem Controller (hiermit steuert der Spieler/die Spielerin seinen/ihren Avatar) in Verbindung.

Beil verlässt in Kapitel IV die Welt des digitalen Spiels und setzt sich mit der ‘Rückenfigur im historischen Kontext’ auseinander. Er verweist soweit sowohl auf Skulpturen, als auch auf Bilder und vergleicht in der Folge historische Bilder mit Coverbildern von digitalen Spielen. Auf diese Weise führt Beil den Leser/die Leserin wieder geschickt in die digital game studies zurück und beschäftigt sich explizit mit dem Avatar als Reflexionsfigur des interaktiven Bildes (in der Rückenansicht).

Das abschließende Kapitel leitet Beil mit der (originellen) Eröffnungssequenz aus Call of Duty: Black Ops ein. Er beschreibt detailliert den Wechsel der Perspektiven und die jeweils mögliche Interaktion des Spielers/der Spielerin in dieser Sequenz, als auch die Möglichkeiten, welche das weitere Spiel bietet. Beil bringt somit die verschiedenen Stilisierungen der ‘First-Person-Perspektive’ in digitalen Unterhaltungswelten auf den Punkt.

Wenn man nun nach Kapitel V die Einleitung liest, wird diese auch für den Leser/die Leserin ohne vorhergehendes Fachwissen verständlich. Avatarbilder wird so zu einem äußerst empfehlenswerten Buch für all jene, die sich für die bildwissenschaftliche Perspektive der Game-Studies interessieren.

Links:

Über das BuchBenjamin Beil: Avatarbilder. Zur Bildlichkeit des zeitgenössischen Computerspiels. Bielefeld [transcript] 2012, 228 Seiten, 27,80 Euro.Empfohlene ZitierweiseBenjamin Beil: Avatarbilder. von Pfeiffer, Alexander in rezensionen:kommunikation:medien, 17. August 2013, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/13393
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