Frank Bösch: Mediengeschichte

Einzelrezension
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Rezensiert von Philomen Schönhagen

Einzelrezension
Dem Historiker Frank Bösch ist mit dem vorliegenden Band ein kompakter und gut lesbarer Überblick über die Medien- geschichte von der Erfindung des Buchdrucks in Asien bis zum Fernsehen der Nachkriegszeit gelungen. Dabei stützt er sich kenntnisreich auf Literatur nicht nur aus den Geschichts- wissenschaften, sondern bezieht ebenso kommunikations- und medien- wissenschaftliche Erkenntnisse mit ein. Das Buch ist gut geschrieben, Marginalien und ein Stichwortverzeichnis erleichtern zudem die Orientierung. Offenbar wurde dem Band auch ein sorgfältiges Lektorat zuteil – es finden sich fast keine Tippfehler und sprachlichen Mängel, was ja mittlerweile (leider) eine bemerkenswerte Seltenheit ist.

Der Band gibt zunächst einen aktuellen und fächerübergreifenden Überblick über die medienhistorische Forschung (Kapitel 1), bevor in den fünf folgenden Kapiteln die Entwicklung der Massenmedien mit Schwerpunkt auf Deutschland und Europa dargelegt wird. Dabei werden speziell Presse, Film, Radio und Fernsehen in den Blick genommen (vgl. 23 zum zugrunde liegenden Medienbegriff). Kapitel 2 widmet sich dem “Durchbruch des typographischen Drucks” mit seinen sozialen und kulturellen Folgen, wobei der Autor nicht mit Gutenberg, sondern mit den früheren asiatischen Erfindungen beginnt. Dies erweist sich u. a. deswegen als bedeutsam, weil er so den Blick für die Tatsache öffnet, dass der Buchdruck (allein) nicht die zentrale Bedeutung für die Entwicklung der Massenmedien hatte, die ihm sonst meist zugesprochen wird. Auch in den folgenden Kapiteln hinterfragt der Autor immer wieder kritisch vermeintliche Kausalzusammenhänge und technische Aprioris.

Kapitel 3 zur “Etablierung von Periodika” ist der Geschichte der Zeitungen und Zeitschriften gewidmet. Dabei gelingt es dem Verfasser, im Unterkapitel zu  “Deutungen, Wirkungen und Nutzungsweisen der Periodika” sozusagen en passant auf wenigen Seiten Habermas Ansatz der bürgerlichen Öffentlichkeit mitsamt Kritik verständlich auf den Punkt zu bringen (vgl. 83ff.). Kapitel 4 befasst sich unter dem Titel “Medien und der Weg zur Moderne” mit wechselseitigen Einflüssen zwischen Medien und Politik und der Rolle der Massenmedien in den Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts. Außerdem werden die Entwicklung der Illustrierten und der sogenannten Massenpresse sowie Zusammenhänge zwischen Massenmedien und Globalisierung dargelegt, wobei u. a. die Rolle von Telegrafie und Nachrichtenagenturen thematisiert wird. Leider kommt die Entwicklung der Öffentlichkeitsarbeit kaum zur Sprache (es wird nur die frühe Pressepolitik u. a. Bismarcks angesprochen, vgl. 125f.).

Kapitel 5 zu “Moderne, Weltkriege und Diktaturen” zeichnet die Entwicklung von Film und Radio nach, ebenso wie die Rolle der Massenmedien in den beiden Weltkriegen. Kapitel 6 schliesslich ist den “Medien im Zeitalter des Kalten Krieges” gewidmet, wobei sich ein eigenes Unterkapitel mit der Fernsehgeschichte befasst. Dabei wird auch die Medienwirkungsforschung kurz gestreift (vgl. 217f.), jedoch sehr kursorisch und wenig kritisch. Das Internet berücksichtigt der Autor bewusst “nur im Rahmen eines bilanzierenden Schlusswortes” (Kapitel 7), “da die Digitalisierung erst seit kurzem sozial- und kulturgeschichtliche Breitenwirkung erfährt und in ihrer gegenwärtigen Unabgeschlossenheit noch kaum die archivgestützte Forschung der Historiker berührt” (24f.).

Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht ist allenfalls kritisch anzumerken, dass die Bedeutung der elektronischen Medien in ihrer Gesamtheit für die gesellschaftliche Kommunikation selbst und ihre Strukturen nur ansatzweise deutlich wird. Dies liegt sicher vor allem daran, dass der Fokus des Autors – als Historiker – mehr auf (anderen) sozialen, kulturellen und politischen Folgen liegt.

Insgesamt ist der kompakte Band (im Taschenbuchformat) von Frank Bösch eine ausgesprochen gelungene Einführung in die Mediengeschichte Europas, deren Lektüre nicht nur Studierenden, sondern ganz allgemein an Mediengeschichte Interessierten sehr zu empfehlen ist. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten kann der Band freilich nicht bieten – dieser Anspruch wird aber auch nicht erhoben.

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Über das BuchFrank Bösch: Mediengeschichte. Vom asiatischen Buchdruck zum Fernsehen. Reihe: Historische Einführungen, Band 10. Frankfurt/New York [Campus Verlag] 2011. 268 Seiten. 18,90 Euro.Empfohlene ZitierweiseFrank Bösch: Mediengeschichte. von Schönhagen, Philomen in rezensionen:kommunikation:medien, 5. Januar 2012, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/7145
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