Jutta von Campenhausen: Wissenschafts- journalismus

Einzelrezension
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Rezensiert von Wiebke Rögener

Einzelrezension
“Warum ein Buch zum Wissenschafts- journalismus?” fragt Jutta von Campenhausen im ersten Kapitel und nennt auf wenigen Seiten die wichtigsten Antworten: Wissenschaft beeinflusst unser Leben und unser Weltbild. Und während die Wissenschaft die Welt erklärt und verändert, sollen Wissenschaftsjournalisten der Welt die Wissenschaft erklären. Dabei betont Campenhausen: “Wissenschafts- journalisten sind keine Sprachrohre der Wissenschaft” (17). Gefordert ist ein kritischer Blick auf Wissenschaftsbetrieb und Forschungsergebnisse. Fragwürdige Publikationen etwa in der Pharmaforschung aufzudecken, Schwächen in Studien zu erkennen oder gar Fälschungen in der Forschung auf die Spur zu kommen hebt die Autorin als wichtige Aufgaben der Wissenschafts- journalisten hervor. Zugleich aber seien Wissenschaftsthemen spannend und populär. Darüber zu berichten sei, so zitiert sie zustimmend Reiner Korbmann, den Chefredakteur der  Zeitschrift “Medizin- und Wissenschaftsjournalist”, der “schönste Beruf der Welt” (20).

Was dazu gehört, um ihn auszuüben, fasst die Autorin auf knappen 200 Seiten zusammen. So erläutert sie, wie die Kommunikationsprozesse in der Wissenschaft beschaffen sind, was von Begutachtungsverfahren wissenschaftlicher Zeitschriften zu erwarten ist und was nicht, wie man Zahlen aus Studien kritisch prüft und wie der Journalist mit Wissenschaftlern ins Gespräch kommt. Vieles davon verdeutlicht sie mit Beispielen aus der täglichen Arbeit des Wissenschaftsjournalisten: wie sich berechnen lässt, was ein Krebstest wirklich aussagt (47), wie ein aus  Campenhausens Sicht weniger gelungenes Interview mit einem Wissenschaftler aussieht (115ff.), oder wie Margarine-Anzeigen die Berichterstattung über Cholesterin beeinflussen (166).

Ergänzt werden diese Einblicke durch mehrere Abschnitte, die – außer den jeweils gewählten Beispieltexten  – nur wenig Spezifisches zum  Wissenschaftsjournalismus bieten, sondern eher allgemeinjournalistische Tipps für Einsteiger geben. Dazu gehört ein 20-seitiges Kapitel über Sprache  mit so elementaren Hinweisen wie: “Meiden Sie den Nominalstil” und “Verwenden Sie Aktiv statt Passiv” (93). Es folgt ein Parforceritt durch die journalistischen Genres und Darstellungsformen (133ff.). Im letzten Kapitel schließlich bekommen auch Wissenschaftler noch ein paar Tipps für den richtigen Umgang mit Journalisten.

Spätestens hier stellt sich die Frage nach der Zielgruppe, für die das schmale Bändchen verfasst ist. “Von Profis für Profis” verspricht der Verlag. Sollte damit gemeint sein “von Wissenschaftsjournalisten für Wissenschaftsjournalisten”, so verspricht er zu viel. Wer in diesem Beruf bereits tätig ist, wird vor allem Bekanntes wiederfinden: In weiten Teilen referiert Campenhausen in stark gekürzter Form die vorliegende Literatur, so etwa bei der Typisierung von Wissenschaftlern im Interview, die sie einer Darstellung von Holger Wormer entlehnt [1].

Journalisten die – beispielsweise als Lokalredakteure – nur gelegentlich über Wissenschaftsthemen schreiben und das Lesen dicker Lehrbücher scheuen, mögen dem Band die eine oder andere Information entnehmen können, etwa zu Fragen der innerwissenschaftlichen Kommunikation wie Peer Review, Impact-Faktoren und Open Access-Debatte, zu verschiedenen Typen und Aussagekraft medizinischer Studien, oder zu Fälschungen in der Wissenschaft. Vergeblich wird diese Zielgruppe jedoch nach womöglich noch dringlicher benötigten Hinweisen zu Recherchestrategien suchen: Wie finde ich unter Zeitdruck geeignete Experten, welche Datenbanken helfen bei der Recherche weiter, wie beurteile ich die Seriosität von Quellen? Solche Fragen spart das Büchlein weitgehend aus.

Ärgerlich sind diverse Ungenauigkeiten: Die Fraunhofer Gesellschaft lebt nicht zu “zu 90 Prozent” vom Geld des Bundes (24), sondern finanziert sich zu Zweidritteln aus der Auftragsforschung. Der “Non-Proliferation Treaty” wird im Deutschen gemeinhin als Atomwaffensperrvertrag (nicht “Atomsperrvertrag”) bezeichnet (85). Eine Metaanalyse wertet nicht “sämtliche Studien zu einem Thema” aus (57), sondern wählt diese nach genau festgelegten Kriterien aus. Andernfalls hat sie kaum einen Wert. [2] Dass das Klonschaf Dolly im Personenindex auftaucht, mag dagegen als Gag durchgehen.

Trotz kleiner Mängel scheint das Buch vor allem für jene Leser geeignet, die wenig journalistisches Vorwissen mitbringen und einen Einstieg in den Wissenschaftsjournalismus erwägen. Die Abiturientin, die nicht ‘irgendwas’, sondern ‘Wissenschaft mit Medien’ machen möchte, der Biologiestudent, der darüber nachdenkt in den Journalismus zu wechseln, finden hier einen gut lesbaren, schnellen Überblick über das Fach und einige wichtige Diskussionen im Wissenschaftsjournalismus. Und eine erste Zusammenstellung von Literatur, die sie lesen sollten, wenn sie tatsächlich diesen Weg wählen.

Links:



[1] Wormer, H.: “Google ist Silber, Zuhören  ist Gold”, in: Holger Hettwer, Markus Lehmkuhl, Holger Wormer, Franco Zotta: Wissenswelten, Wissenschaftsjournalismus in Theorie und Praxis. Bertelsmann Stiftung 2008, S. 363

[2] Timmer, A., Richter, B.: “Systematische Übersichtsarbeiten zu Fragen der Therapie und Prävention”. In: Arzneimitteltherapie, 26. Jahrgang Heft 4, 2008, S. 137 – 139.

Über das BuchJutta von Campenhausen: Wissenschaftsjournalismus. Reihe: Praktischer Journalismus, Band 88. Konstanz [UVK] 2011, 198 Seiten, 24,90 Euro.Empfohlene ZitierweiseJutta von Campenhausen: Wissenschafts- journalismus. von Rögener, Wiebke in rezensionen:kommunikation:medien, 14. Mai 2012, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/8945
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