Christian Filk: Episteme der Medienwissenschaft

Einzelrezension
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Rezensiert von Ralf Adelmann

Einzelrezension
Über die Studierenden der Medienwissenschaften existiert das Vorurteil, dass ihre Studienwahl damit zu tun habe, zukünftig ‘irgendetwas-mit-Medien’ machen zu möchten. Die von Christian Filk durchgeführte Studie Episteme der Medienwissenschaft versucht für die Seite der Wissenschaft zu untersuchen, warum dieses ‘irgendetwas-mit-Medien’ in eine transdisziplinäre Ausrichtung der Medienforschung mündet: “Die Studie Episteme der Medienwissenschaft bemüht sich, sich den konzeptuellen Anforderungen und Herausforderungen einer solchen transgressiven Kooperation in der Medienforschung offensiv zu stellen” (13). Unter “Medienforschung” versteht Filk sowohl kulturwissenschaftlich als auch sozialwissenschaftlich fundierte Medien- und Kommunikationswissenschaften.

Die Überlegungen von Filk gehen neben den einleitenden und abschließenden Kapiteln in zwei Richtungen, die aufeinander aufbauen. Zum einen wird auf der Grundlage von konstruktivistisch und systemtheoretisch inspirierter Wissenschaftstheorie (Kapitel 2) die “Wissenschaftsforschung der Medienwissenschaft” (Kapitel 3) beschrieben und historisch eingeordnet. Zum anderen werden entlang dieser methodischen Linien in zwei Fallstudien die Forschungskomplexe “Medienphilosophie” (Kapitel 4) und “Medieninformatik” (Kapitel 5) analysiert.

Die “kombinierte konstruktivistisch-systemische Konzeptualisierung” (26) bedingt die Materialauswahl: Hauptsächlich stützt sich die Studie auf Publikationen der Medien- und Kommunikationswissenschaft (31), aus denen deren “(Selbst-)Beobachtungs- und (Selbst-)Beschreibungslogiken” (27) extrahiert werden. Neben dieser Einschränkung des Materials auf Fachpublikationen begrenzt die Fokussierung auf die deutschsprachige Medienforschung weiter den Gegenstand der Untersuchung. Beide Einschränkungen werden im Buch offengelegt. Damit bleibt aber ebenfalls offen, ob durch diese Grenzziehungen nicht wesentliche Elemente der Transdisziplinarität der Medienforschung unbeachtet bleiben. Prozesse der Internationalisierung, der Institutionalisierung und des verbalen wissenschaftlichen Austauschs werden weitestgehend von Filks Studie absichtlich ignoriert (339f.). Aber allein durch den wissenschaftlichen Austausch mit dem angloamerikanischen und französischen Sprachraum werden epistemologische Prozesse in der Medienwissenschaft immer wieder angestoßen (z. B. durch die Cultural Studies oder durch die französischen Impulse von Autoren wie Baudrillard oder Virilio).

Unbestritten bleibt der Anspruch der Untersuchung, mit der Wissenschaftstheorie der Medienforschung eine wichtige Selbstvergewisserung des Faches voranzutreiben, die im Kontext der besonderen Rolle der Medien für die Science Studies sicher weiteres Gewicht erhält. In diesem Sinne sind bestimmte epistemologische Prozesse in anderen Fachrichtungen unmittelbar an Medien gebunden, so wie beispielsweise Fotografie und Film die Biologie und die Physik veränderten oder die Geschichtswissenschaften sich zu audiovisuellen Dokumenten verhalten müssen.

Die Studie von Filk bleibt aber eng an die Medienforschung als ‘Disziplin’ gebunden und bearbeitet mit der Medienphilosophie und Medieninformatik ihre spannenden, aber wenig kontroversen transdisziplinären Ausrichtungen. Trotzdem gelingt es Filk aus den zahlreichen neueren Publikationen zu beiden Themenkomplexen ein differenziertes Bild ihrer Entstehung und Entwicklung zu skizzieren. In diesen Skizzen sowie in ihrem konsequent konstruktivistisch-systemtheoretischen Forschungsdesign liegen die Qualitäten von Filks Argumentation. Mehr als “einen Impuls zu einer engagierten (Selbst-)Reflexion sowohl in der Domäne der intradisziplinären als auch in der Domäne der transdisziplinären Medienforschung zu setzen” (339), möchte er durch seine Studie auch nicht erreichen. Am Ende hätte sich die Leserin und der Leser eine stärkere inhaltliche Straffung und Fußnotenbereinigung der als Dissertation angenommenen Arbeit gewünscht. Statt dessen fordert der Text ebenso auf der stilistischen und sprachlichen Ebene die ganze Aufmerksamkeit, in dem die Grundlagen des eigenen medienwissenschaftlichen ‘Alltagsgeschäftes’ reflektiert werden können.

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Über das BuchChristian Filk: Episteme der Medienwissenschaft. Systemtheoretische Studien zur Wissenschaftsforschung eines transdisziplinären Feldes. Bielefeld [Transcript Verlag] 2009, 392 Seiten, 30,80 Euro.Empfohlene ZitierweiseChristian Filk: Episteme der Medienwissenschaft. von Adelmann, Ralf in rezensionen:kommunikation:medien, 21. Mai 2010, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/2157
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