Petra Weber: Hörfunkpraxis

Einzelrezension
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Rezensiert von Michael Schornstheimer

Hörfunkpraxis_Texte und TöneEinzelrezension
Mit zwei Verbeugungen beginnt der Ratgeber Hörfunkpraxis von Petra Weber. Auf 90 Seiten hat die WDR-Redakteurin und Lehrbeauftragte der TU Dortmund Wissenswertes für angehende Radioprofis zusammengetragen. In einem notizbuchkleinen Heft, das locker in jede Jacken- oder Handtasche passt, gliedert sie sechs Aspekte über Töne und Texte. Gewidmet hat sie die Publikation ihrer Stimmlehrerin, Lieselotte Römp-Panzer, eine seltene und umso sympathischere Geste. Die zweite Verbeugung gilt dem Medium Radio. Die Autorin beginnt das erste Kapitel mit einer feinsinnigen Betrachtung: “Der Rundfunk […] muss sich […] mit dem Etikett ‘Begleitmedium’ zufrieden geben. Andererseits hört man diesem Wort richtig zu, dann ist Begleiten oder Begleiter sein eine anspruchsvolle journalistische Aufgabe.“ Hört hier nur der Rezensent einen bitteren Unterton?

In Abschnitt zwei über “Stimmbildung und Sprachwerkzeug” – müsste es nicht treffender “Sprechwerkzeug” heißen? – empfiehlt die Autorin einige Übungen zur Zwerchfellatmung (“Stütze”) und zur korrekten Artikulation. Völlig angemessen weist sie darauf hin, dass inhaltliche Akzente und eine gute Gliederung durch Atempausen essenziell sind für überzeugendes Sprechen. In kurzen beispielhaften Textpassagen illustriert sie mit Betonungspunkten auf den Sinn tragenden Begriffen, wie das praktisch funktioniert.

Der dritte Abschnitt “Textrezeptur” unterscheidet nachrichtliche von meinungsbetonten Darstellungsformen. An verschiedenen Textformen führt Weber durch Markierungen vor, wo nach ihrer Ansicht die korrekten Betonungen zu setzen wären. Hier beginnt sie, ihr Verfahren zu überstrapazieren. Denn wer kann schon bei Rotlicht im Studio sowohl auf den Text als auch auf zahlreiche zusätzlich eingezeichnete Markierungen achten? Es reichte ja völlig, darauf hinzuweisen, dass ein guter Sprecher die Wörter, die er vom Blatt liest, gleichzeitig auch mitdenkt, also auch “meint, was er sagt” (dies ist die dritte Verbeugung, nun die des Rezensenten vor seiner eigenen Stimmlehrerin, der fast neunzigjährigen Erika Kazubko.)

Dass Petra Weber dann ausführlich aus eigenen Radiomanuskripten zitiert, um den Umgang mit O-Tönen und Atmos zu erläutern, wäre überzeugend und hilfreich, wenn man diese Passsagen auch tatsächlich mithören könnte. (Hinweis an den Verlag: Stellen Sie die Ausschnitte doch online.) Das pure Transkript jedenfalls transportiert keine Erkenntnisse.

Im vierten Abschnitt resümiert die Autorin die wichtigsten Kreativitätstechniken zur Themenfindung. Im fünften folgen einige Hinweise zum “guten Ton”, also insbesondere zu geeigneten Mikrofonen. Auch hier zitiert sie wieder zu ausführlich per “copy and paste” aus eigenen Manuskripten, um zu demonstrieren, für welche Effekte sie welche Mikrofone benutzt hat. Allein der Vorführeffekt stellt sich durch die Abschrift nicht ein. Wir müssten das auch hören können.

Weber beschließt ihren Ratgeber mit Regeln für Teaser, die dann wichtig werden, wenn bei der Online-Verarbeitung von Hörfunkbeiträgen zusätzlich Bilder ins Spiel kommen.

Trotz einiger Einwände ist die Hörfunkpraxis: Texte & Töne sicher ein brauchbarer Einstieg für angehende Radioleute.

Links:

Über das BuchPetra Weber: Hörfunkpraxis: Texte und Töne. Eine Anleitung. Reihe: Red Guide, Band 10. Münster, Berlin [Lit Verlag] 2014, 95 Seiten, 9,90 Euro.Empfohlene ZitierweisePetra Weber: Hörfunkpraxis. von Schornstheimer, Michael in rezensionen:kommunikation:medien, 6. Oktober 2014, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/17021
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