Jan Lies (Hrsg.): Public Relations

Einzelrezension
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Rezensiert von Peter Szyszka

lies2008Einzelrezension
Das Lehr- und Forschungsfeld der Public Relations ist breit und vielschichtig, die Zahl von Überblickspublikationen bislang noch klein. Hier den Versuch zu unternehmen, eine Schneise in das Dickicht von Begriffen, Modellen und Theorieansätzen zu schlagen, um Praktikern und Studierenden Public Relations und Kommunikationsmanagement näher zu bringen, so der Anspruch des Bandes (9), ist deshalb schon vom Grundsatz her verdienstvoll. Der Ende 2008 von Jan Lies vorgelegte Herausgeberband, der sich in weiten Teilen als Monographie des Herausgebers erweist, unternimmt diesen Versuch. Ob dabei allerdings von einem “Handbuch” gesprochen werden kann, ist schon deshalb kritisch zu hinterfragen, weil der Band alphabetisch angelegt ist wie ein Wörterbuch, das in 110 Begriffen – tatsächlich sind es 47, weil die Mehrzahl der Begriffe in abgeleiteten Begriffen variiert wird – ausgewählte Themen und Probleme der Public Relations aufgreift.

Hierin liegt auch die erste Schwäche des Bandes. Zwar versucht der Herausgeber mit den Einstiegsstichwörtern “Architektur zentraler Kommunikationsbegriffe” und “Aufgaben der PR” indirekt eine Heranführung an den Band und seine Themenauswahl, tatsächlich erschließt dies aber erst die Gesamtdurchsicht. Einen Hinweis gibt Lies in seinem Vorwort mit der Kritik, dass “die PR-Diskussion vor allem kommunikationswissenschaftlich geprägt” sei: Lies geht es um eine wirtschaftswissenschaftlich anschlussfähige Perspektive, was im Verlauf des Bandes schnell deutlich wird. Von der Aufmachung her erinnert der Band an den Teil wirtschaftswissenschaftlicher Einführungsliteratur, der Sachverhalte sehr kondensiert, teilweise aber verkürzt und vor allem deskriptiv darstellt. So wird – um ein prägnantes Beispiel herauszugreifen – das Stichwort “Interne Kommunikation – Prozesskommunikation” auf die zweifellos nicht unwichtige Frage von Prozesskosten abgestellt, ohne allerdings auf den sozialwissenschaftlich fundierten Basisaspekt zu verweisen, dass Entscheidung immer erst der Kommunikation bedarf, um tatsächlich durch Umsetzung zur Entscheidung zu werden (vgl. Luhmann 2000), eine Auseinandersetzung mit Prozesskosten in diesem Kontext also zunächst eine Auseinandersetzung mit Prozesskommunikation als solcher voraussetzen würde.

Auswahl und Bearbeitungstiefe der Stichwörter sind nicht immer nachvollziehbar. Warum etwa dem Stichwort “Corporate Instinct und emotionale Intelligenz” vier Seiten (netto), dem Stichwort “Media Relations” aber gerade mal knapp zwei, zudem sehr oberflächlich bearbeitete Seiten eingeräumt werden, erschließt sich dem Leser nicht; in Sinne des Ansatzes zentrale Stichwörter wie etwa “Publizität”, mit denen zentrale Autoren des Marketing die Funktion von PR-Arbeit im Marketing-Mix begründen (z. B. Kotler), fehlen ganz. Dies gilt auch für im Kontext des Anspruchs des Bandes so maßgebliche Begriffe wie “Public Relations” oder “Kommunikationsmanagement”.

Der weitgehend deskriptive Charakter und die damit einhergehenden Einschränkungen für die Tiefe der Beiträge werden deutlich, wenn beispielsweise das Stichwort “Öffentlichkeit, Teilöffentlichkeit, Zielgruppen” herangezogen wird. Dass das dort dargestellte “Modell der situativen Teilöffentlichkeiten” (350f.) eine in den Wirtschaftswissenschaften verankerte Vorgeschichte hat, die unterschlagen wird, ist eine verzeihliche Oberflächlichkeit. Dass das Modell implizit mit den Indikatoren Problembewusstsein, Betroffenheitsbewusstsein und Engagementbereitschaft arbeitet und sich damit erklärt, hätte allerdings eines reflektierten Umgangs mit dem Gegenstand bedurft. So wird eine weitere Schwäche des Bandes deutlich: Er arbeitet sich an (Quasi-)Primärquellen entlang, die nur dann kritisch gewürdigt werden, wenn sie, wie “Produkt-PR” oder “PR-Theorien: Funktionalistische Ansätze – Zerfaß” nicht mit der Denkweise des Verfassers harmonieren. Dass der Band gleich 20 PR-Theorien (!) benennt, unter denen auch Horst Avenarius als PR-Theoretiker zu Ehren kommt, und dabei u. a. in “Funktionalistische Ansätze” und “Systemtheorien” trennt, sei hier angemerkt und wäre eine eigene Auseinandersetzung wert.

Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive muss dem Band vorgehalten werden, dass das kommunikationswissenschaftliche Potenzial, das knapp zwei Jahrzehnte einer sich zunehmend intensivierenden PR-Forschungsgeschichte hervorgebracht haben, nur bedingt Niederschlag findet. Dies ist dem Zugang des Bandes geschuldet. Hierin liegt gleichzeitig aber auch sein Wert, denn der Band geht begriffskritisch mit pragmatischen wirtschaftswissenschaftlichen Positionen um, wenn zum Beispiel PR im weiteren Sinne (Organisationskommunikation) von PR im engeren Sinne (Medienarbeit) unterschieden und Positionen in der Marketingliteratur entgegengesetzt wird oder eingeräumt wird: Die “vorgestellte Begriffsstruktur kollidiert mit einem zum Teil vertretenen Verständnis von Corporate Identity und Corporate Communications, wie es oftmals in der Literatur zu finden ist” (13f.; leider ohne direkte Literaturverweise). Interessant ist deshalb auch der theoretische PR-Ansatz des Herausgebers, der in Anlehnung an wirtschaftswissenschaftliche Kontexte in eine ähnliche Richtung weist wie jüngere Arbeiten der kommunikationswissenschaftlich geprägten PR-Forschung. So verfolgt der Band einen insgesamt nicht uninteressanten Ansatz, der sich im Wörterbuch-Aufbau allerdings teilweise verliert. Für eine überarbeitete Neuauflage wäre daher ein inhaltlich-systematischer Aufbau wünschenswert.

Literatur:

  • Luhmann, N.: Organisation und Entscheidung. Opladen [Westdeutscher Verlag] 2000.

Links:

Über das BuchJan Lies (Hrsg.): Public Relations. Ein Handbuch. Reihe: UTB, Band 8408. Konstanz [UVK] 2008, 634 Seiten, 39,90 Euro.Empfohlene ZitierweiseJan Lies (Hrsg.): Public Relations. von Szyszka, Peter in rezensionen:kommunikation:medien, 8. Juni 2009, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/117
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