Netzwerk Bildphilosophie: Bild und Methode

Einzelrezension
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Rezensiert von David Magnus

Bild und MethodeEinzelrezension
Wer zwei Jahrzehnte nach dem Ausruf des iconic turn (Boehm 1994: 13) sämtliche theoretischen sowie analytischen Zugangsweisen zum Phänomen ‘Bild’ in ein Handbuch zusammentragen möchte, stößt auf eine inzwischen kaum zu überblickende Anzahl von Fachpublikationen aus einem breiten und immer noch wachsenden disziplinären Spektrum. Dieses überbordende Wachstum kann als Stärke, aber auch als Schwäche der sich etablierenden, transdisziplinären Bild(er)wissenschaften betrachtet werden. Denn ein undifferenzierter Gebrauch des Bildbegriffes sowie eine Abkopplung der theoretischen Diskussion von den mit ihm verbundenen medien- und kulturtechnischen Praktiken könnte der sich zwar stets verschiebenden, aber dennoch notwendigen  Rahmung des Forschungsfeldes entgegenwirken. Der erwähnten theoretischen sowie methodischen Vielfalt eine solche – vorläufige – systematische Rahmung zu geben, ist das Ziel des vom DFG-Netzwerk Bildphilosophie herausgegebenen Bandes Bild und Methode. Theoretische Hintergründe und methodische Verfahren der Bildwissenschaft.

Das in drei Sektionen aufgeteilte Handbuch bietet im ersten Teil (23-174) Einblick in allgemeine Hintegrundtheorien, etwa aus den Bereichen Anthropologie, Gender, Hermeneutik, Phänomenologie oder Semiotik, während im zweiten Teil disziplinenspezifische Ansätze aus Filmtheorie, Kunstgeschichte, sprachanalytischer Philosophie und Visual Studies vorgestellt werden (175-216). Jedes Kapitel enthält eine knappe Begriffserklärung und eine historische Kontextualisierung sowie die Erläuterung der jeweiligen Theorie und ihrer möglichen Anwendungen. Dieser letzte Punkt bereitet die Leserinnen und Leser auf den dritten Teil des Bandes vor, der sich unterschiedlichen bildanalytischen Methoden widmet (217-439).

Durch den Fokus auf den praktischen Aspekt im letzten und längsten Teil gewinnt das Handbuch Kontur. Die Erläuterungen der allgemeinen und disziplinenspezifischen Hintergrundtheorien fließen auf unterschiedliche Art und Weise in die Beschreibung von 21 bildanalytischen Methoden ein. Die sonst etwas abstrakt wirkenden theoretischen Ausführungen werden im Hauptteil in Bezug zu konkreten Verfahren der Bildanalyse gesetzt, wodurch die erwähnte medien- und kulturtechnische Relevanz des Forschungsfeldes zur Geltung kommt. Als kluger Schachzug erweist sich zudem die Auswahl eines einzigen Bildbeispiels, auf das sich alle Analysen beziehen.1 Durch die Möglichkeit, das theoretische sowie praktische Instrumentarium der jeweiligen Methoden zu vergleichen, können auch Nutzen und Nachteile ihrer Anwendung für bestimmte Zwecke erkannt bzw. die Arbeit an neuen Lösungen angeregt werden.

Damit erfüllt der Band einige der in der Einführung aufgestellten Ziele: Einerseits bietet er eine Art Kartographierung bildanalytischer Vefahren, andererseits wird gezeigt, welche Methode der Bildanalyse für welche Froschungsperspektive geeignet sein könnte und wie diese Methoden mit den entsprechenden Hintergrundtheorien im Zusammenhang stehen. Anhand des angebotenen “Methoden-Baukasten[s]‟ (12) werden die Leserinnen und Leser zur Weiterkartierung bzw. -forschung angeregt. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis rundet den gut informierten, ein weites Theoriespektrum abdeckenden Band ab. Zwar würden Perspektiven aus der Archäologie, der Theologie, der Biologie bwz. Medizin sowie aus den Theater-, Tanz- und Musikwissenschaften das Handbuch bereichern, doch müsste dafür das gewählte Bildbeispiel durch ein auf diese Disziplinen ebenfalls passendes ersetzt oder spezifische Bilder für jedes dieser Wissenschaftsfelder herangezogen werden. Bei aller Breite des behandelten Spektrums kann ohnehin kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden und es zählt zu den Stärken dieses Bandes, den Fokus auf Diskurse und Methoden zu setzen, die medientheoretisch relevant sind.

Diese Publikation des DFG-Netzwerk Bildphilosophie reiht sich in die langjährige Bemühungen einiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein, die sich für eine systematische Etablierung der Bild(er)wissenschaften als transdisziplinäres Forschungsfeld einsetzen.2 Das Handbuch könnte sich vor allem im Bereich der Kommunikations-, Medien und Kulturwissenschaften als Nachschlagewerk behaupten.

Literatur:

Belting, H. (Hrsg.). Bilderfragen: Die Bildwissenschaften im Aufbruch. München [Fink] 2007

Boehm, Gottfried: Die Wiederkehr der Bilder. In: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München [Fink] 1994, S. 11-38.

Günzel, S. und Mersch, D. (Hrsg.): Bild: Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart [J. B. Metzler] 2014.

Netzwerk Bildphilosophie (Hrsg.): Bild und Methode. Theoretische Hintergünde und methodische Verfahren der Bildwissenschaft. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2014.

Sachs-Hombach, K. (Hrsg.): Wege zur Bildwissenschaft. Interviews. Köln [Herbert von Halem Verlag] 2004.

Ders. et al. (Hrsg.): Bildwissenschaft als interdisziplinäres Unternehmen. Eine Standortbestimmung. IMAGE 1, 2005.

Links:

  1. Es handelt sich um ein Foto der Familie Obama nach der Grundsatzrede des neuen Präsidenschaftskandidaten auf dem nationalen Konvent der Demokraten in Denver, Colorado am 28. August 2008.
  2. Vgl. neben Boehm 1994 u.a. auch Sachs-Hombach 2004; ders. et al. 2005 und Belting, 2007 sowie Günzel/Mersch 2014.
Über das BuchNetzwerk Bildphilosophie (Hrsg.): Bild und Methode. Theoretische Hintergründe und methodische Verfahren der Bildwissenschaft. Köln [Herbet von Halem Verlag] 2014, 520 Seiten, 38,- Euro.Empfohlene ZitierweiseNetzwerk Bildphilosophie: Bild und Methode. von Magnus, David in rezensionen:kommunikation:medien, 30. März 2015, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/17474
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